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Die virtuelle Heldin Lara Croft ist das prominenteste Beispiel für die künstlichen Frauenfiguren der 1990er Jahre. Heute ist Lara nun nicht mehr allein, sie hat Schwestern bekommen. Die Computerspiele mit weiblichen Heldinnen zeigen, dass trotz der Existenz der kulturellen Codierung von Geschlecht im Rahmen einer kulturindustriellen Herstellung der Spiele Variation, Veränderung und individuelle Aneignung möglich sind. Die hier präsentierten exemplarischen Analysen der Spiele zeigen, dass in den männlich konnotierten Alltagsbildern sehr wohl Identifikationsangebote für das Weibliche existieren können.…mehr

Produktbeschreibung
Die virtuelle Heldin Lara Croft ist das prominenteste Beispiel für die künstlichen Frauenfiguren der 1990er Jahre. Heute ist Lara nun nicht mehr allein, sie hat Schwestern bekommen. Die Computerspiele mit weiblichen Heldinnen zeigen, dass trotz der Existenz der kulturellen Codierung von Geschlecht im Rahmen einer kulturindustriellen Herstellung der Spiele Variation, Veränderung und individuelle Aneignung möglich sind. Die hier präsentierten exemplarischen Analysen der Spiele zeigen, dass in den männlich konnotierten Alltagsbildern sehr wohl Identifikationsangebote für das Weibliche existieren können.
Autorenporträt
Richard, BirgitBirgit Richard (Dr. phil.) lehrt als Professorin für Neue Medien an der Goethe-Universität Frankfurt. Ihre Forschungsschwerpunkte sind aktuelle Jugendkulturen, Alltagskultur (z.B. Games und Clips), Medienkunst.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.10.2004

Die lieben Kolleginnen mit der Uhrglasform
Birgit Richard untersucht die weiblichen Helden in den Computerspielen

"A woman is only a woman, but a good cigar is a smoke." An diese Einsicht von Rudyard Kipling glaubt inzwischen auch das zweite Geschlecht. Die Double Corona mit Oscuro-Deckblatt, die Lara Croft auf dem Titel von "Sheroes - Genderspiele im virtuellen Raum" von Birgit Richard etwas ungeschickt in ihren offenen Mund schiebt, hätte auch einem Groucho Marx Respekt abgenötigt. Manchmal ist eine Zigarre nicht nur eine Zigarre.

Mit Computer- und Konsolenspielen wird heutzutage mehr Reibach gemacht als mit Kinofilmen. Das allein ist schon Rechtfertigung genug, sich mit diesem Genre analysierend zu befassen, zumal es hier noch Neuland zu erforschen gibt. Das Computerspiel ist ein junges Medium. Da wird noch experimentiert. Die technischen Möglichkeiten nehmen exponentiell zu.

Birgit Richard ist Professorin für Neue Medien am Institut für Kunstpädagogik der Universität Frankfurt am Main. Dort leitete sie von 1999 bis 2001 das Forschungsprojekt "Die Konstruktion von weiblichen Repräsentationsbildern in Computerspielen". Das vorliegende Buch beruht auf den dabei erzielten Ergebnissen. Untersucht wurde neben dem Megaseller "Tomb Raider" mit Lara Croft ein Bäckerdutzend Spiele, die - soweit im Buch angegeben - zwischen 1997 und 2001 erschienen sind. In diesen "Games" spielen Frauen die oder eine wählbare Hauptrolle von einem Typ, der üblicherweise mit einem Mann besetzt würde. Wie würde Herkules seine zwölf Arbeiten verrichten, wenn er eine Frau wäre? In diversen Levels müssen die "Sheroes" ein Ziel erreichen und dabei Ungeheuer besiegen, in deren Händen schon der Mörderdolch zuckt. Natürlich tut man jedem einzelnen Spiel mit einer solchen pauschalen Beschreibung unrecht, aber im Prinzip läuft es darauf hinaus. Birgit Richard schildert die Darstellung der Heldinnen in den auf dem Markt befindlichen Produkten, so wie sie und ihre Mitarbeiter sie vorgefunden haben. Sie sagt aber beispielsweise nichts über die Qualität der Spiele als Spiele, das heißt als Unterhaltung, und über die moralische Dimension von Gewaltdarstellungen. Man muß ja nicht alle Welträtsel auf einmal lösen. Es geht hier nur um die weiblichen Repräsentationsbilder, wer etwas anderes erwartet, wird enttäuscht.

Die Einleitung ist dem "Prototyp" Lara Croft/Tomb Raider gewidmet. Lara hat, vergleichbar mit den meisten ihrer Kolleginnen, die Uhrglas-Form (86-61-89), die nach etwas zweifelhaften wissenschaftlichen Ergebnissen auf Männer besonders anziehend wirkt. Zum Glück ist Birgit Richard keine naive wehleidige Feministin, die so etwas automatisch als frauenfeindlich abqualifiziert. Weiter hinten im Buch stellt sie dann auch im Zusammenhang mit einem Artikel der Zeitschrift "Emma" die Frage, ob "die Ausblendung von Sexualität gleichzusetzen ist mit einer emanzipierten Darstellung von Geschlecht in Computerspielen". Lara ist Archäologin. Ihre Eltern sind früh gestorben, nachdem der Kontakt bereits abgebrochen war. Ihr Landhaus ist kein Ort, wo man es länger aushalten würde. Laras Charakter ist nicht eindeutig festgelegt. Sie ist gleichzeitig Killer und Pin-up-Schönheit.

Laras Erschaffung war ein Geniestreich wie die Erschaffung von Coca-Cola. Gerade wegen ihrer offensichtlichen Künstlichkeit kann sie problemlos hundertfach variiert werden. Im Kapitel "Laras Schwestern: Von Tomb Raider zu Heavy Metal F.a.k.k.2" können wir das genauer betrachten. Die Heldinnen ähneln sich wie - sagen wir mal - die deutschen Automodelle des gleichen Jahrgangs. Natürlich findet man dabei auch immer die Ausnahme, die die Regel bestätigt. Auf jeden Fall kann man diverse Gesetzmäßigkeiten entdecken, die man a priori vielleicht nicht erwarten würde. Ein paar Beispiele: Die Damen arbeiten bevorzugt im kulturellen Bereich. Naturwissenschaft und Technik sind nicht ihr Ding. Sie sind hoch gebildet und haben Hyperkörper. Sie sind nicht in regulären Familienverhältnissen aufgewachsen. Der Einfluß des Vaters, der "zentralen Kastrationsinstanz", ist reduziert. Ihr Charakter ist vielschichtig und "open", damit sie sich als Projektionsfläche eignen. Sie haben keine ausgeprägte Heimat, ihr Einsatzbereich ist die ganze Welt.

Computerspiele - auch solche - werden in erster Linie von Männern gespielt. Inzwischen gibt es aber das Internet. Dort bekommen auch Minderheiten eine kritische Masse zusammen. Weibliche Spieler haben die Wahl zwischen vielen Websites, wo sie die Stallwärme finden, die sie brauchen. Fast alle Adressen, über die das Buch berichtet, sind amerikanisch, aber da es sowieso eine junge intellektuelle Leserschaft anspricht, stört das nicht weiter. Die Rezeption der Computerspiele füllt ein deutlich größeres Spektrum als die Spiele selbst. Mit "Skins" kann man deshalb auch das Aussehen der Spielfiguren nach dem eigenen Geschmack verändern. Auf "www.womangamers.com" gibt man sich seriös und konservativ und wünscht mehr Einfluß auf die Spieleindustrie. "We are not looking to eradicate all female characters with big boobs, as we realize some gamers enjoy them. But it would be nice if not ALL female characters had them!" Birgit Richard fragt sich hier, ob hinter solchen Forderungen vielleicht auch der Wunsch einer Entsexualisierung durch Kastration steht. Die Frauen von "www.girlzclan.com" sind "tough" und selbstsicher. Sie haben Spaß am Ballern und schämen sich nicht dafür. Gleichzeitig zeigen sie stolz Fotos von ihrer heimischen Idylle mit dem Göttergatten und den Kindern. Sie wechseln mühelos zwischen der Rolle des netten Mädchens von nebenan und der der Powerfrau.

Auf "www.grrlgamer.com" findet man die Rebellinnen. Nach dem Motto "No more Mr. Nice Grrl" leben sie ihre aggressive Weiblichkeit aus. Ihnen ist bewußt, daß ihre Spiele nicht unbedingt für sie geschaffen wurden: "Well forgive the stereotype, but a good number of game developers are pizza faced nerds with sticky palms and hairy knuckles." Aber was soll's? So etwas ist nur eine zusätzliche Herausforderung. Alles ist besser als die "pink games", die die Industrie speziell für weibliche Konsumenten produziert. Nur keine Sentimentalitäten!

In dem Buch steht noch viel mehr, was Sie über die Heroinen der Computerspiele wissen oder vielleicht auch nicht wissen wollen. Lesen Sie es einfach. Das Thema und seine Aufbereitung sind zu komplex, als daß man eine einfache Quintessenz daraus destillieren könnte. Die Typographie des Buchs tendiert (und das ist als Lob gemeint, wir sind in der Abteilung Kunstpädagogik) mehr zur Ästhetik als zur bequemen Lesbarkeit, was aber vielleicht der Grund für die überdurchschnittlich vielen übersehenen Schreibfehler ist. Da sehr viel von visuellen Dingen - Körperformen, Kleidung, Gesten - die Rede ist, sind die wenigen Illustrationen nicht wirklich ausreichend, doch das hat wohl finanzielle Gründe.

ERNST HORST.

Birgit Richard: "Sheroes - Genderspiele im virtuellen Raum". transcript Verlag, Bielefeld 2004. 120 S., br., farb. Abb., 15,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"Zu komplex" erscheint Ernst Horst das Thema und seine Aufbereitung in Birgit Richards Untersuchung "Sheroes - Genderspiele im virtuellen Raum", als dass er eine einfache Quintessenz daraus destillieren könnte. Darum begnügt er sich mit einigen Anmerkungen und empfiehlt im übrigen, das Buch selbst zu lesen. Hervorgegangen aus dem Forschungsprojekt "Die Konstruktion von weiblichen Repräsentationsbildern in Computerspielen", das die Professorin für Neue Medien am Institut für Kunstpädagogik der Universität Frankfurt am Main von 1999 bis 2001 geleitet hat, biete das Buch eine Untersuchung der weiblichen Helden in Computerspielen. Neben Lara Croft, der Heldin aus "Tomb Raider", analysiere Richard weibliche Heldinnen aus einem Dutzend weiterer Spiele. Über die Qualität der Spiele als Spiele oder über die moralische Dimension von Gewaltdarstellungen erfahre man dabei nichts. Horst zählt einige Gesetzmäßigkeiten der Darstellung der Heldinnen auf. So arbeiteten sie bevorzugt im kulturellen Bereich, seien hoch gebildet, hätten Hyperkörper und seien nicht in regulären Familienverhältnissen aufgewachsen. Ihr Charakter sei vielschichtig und "open", damit sie sich als Projektionsfläche eigneten. "In dem Buch", resümiert Horst ungerührt, "steht noch viel mehr, was Sie über die Heroinen der Computerspiele wissen oder vielleicht auch nicht wissen wollen."

© Perlentaucher Medien GmbH
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»In dem Buch steht noch viel mehr, was Sie über die Heroinen der Computerspiele wissen oder vielleicht auch nicht wissen wollen. Lesen Sie es einfach.« Ernst Horst, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 29.10.2004 »Interessant macht dieses Buch jedoch vor allem die Zusammenschau weiblicher Computerspielkultur, die einen Einblick in ein Feld erlaubt, in dem die Grenzen zwischen Medien, Realität und Virtualität verschwimmen bzw. bewusst aufgelöst werden.« Medien und Erziehung, 9 (2005) »Auf gut lesbare Weise werden verschiedene Computerspiele diskutiert.« Thomas Link, Soziologische Revue, 31 (2008)