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Produktdetails
  • Verlag: Komet
  • Seitenzahl: 232
  • Deutsch
  • Abmessung: 250mm
  • Gewicht: 1315g
  • ISBN-13: 9783898361064
  • ISBN-10: 3898361063
  • Artikelnr.: 09293601
Autorenporträt
Michael Freeman, international renommierter Fotograf und beliebter Buchautor, war über viele Jahre der führende Fotograf der Zeitschrift Smithsonia und arbeitet regelmäßig für Time-Life Book, Reader's Digest und die BBC. Am liebsten widmet er sich der Reisereportage, Architekturfotografie und Fotos mit Spezialeffekten. Er hat für Time-Life in Südostasien fotografiert und mehrere Bücher über diesen Teil der Welt geschrieben. Insgesamt hat Freeman über zwanzig Fotobücher verfasst, die weltweit eine Auflage von über einer Million Exemplare erreicht hat. Seine Arbeiten finden sich darüber hinaus auf der Website von Smithsonia.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.03.2001

Nur ungern bietet sich der Wiener als Schnitzel an
Jerry Hopkins bittet zum Massaker / Von Ulrich Holbein

Das Zeitalter boomender Importschweine, Verbraucherministerien, vorsorglicher Tötungen und Gemüsebeilagen treibt seltsame Blüten. Was kostet der Eintritt ins Schlemmerparadies? Bloß die Überwindung der Hemmschwelle. Wurmlollis, eßbare Vogelnester und Urintherapie stimmten ein als sanfte Vorboten. Dann kam der wettergegerbte Extrem-Survivor Rüdiger Nehberg und zeigte, wie man mit Alufolie und Antibiotika auf Blauem Nil oder Atlantik durchkommt. Alle Wohlstandsbürger, die vor ungekochten Würmern zurückschrecken, nannte er Weicheier. Und wird nun vom Gekröse-Gourmet Jerry Hopkins überboten und vereinseitigt: Neuzeit-Robinson Nehberg pflegt wenigstens ökologisch ehrenwerte Ideale wie Yanomami-Indianer-Rettung. Hopkins teilt mit dem Rattenfleisch-Laudator Nehberg lediglich den hemingwayartigen Testosteronspiegel - Nahrungsaufnahme als Mutprobe -, steigert ansonsten als amerikanischer Wolfram Siebeck die Kreativität aller Hausfrauen, die in der Fülle verhungern und verzweifelt fragen: "Was können wir überhaupt noch gefahrlos kochen?"

"Strange Food" treibt die biblische Raubbauideologie "Macht euch die Erde untertan!" in letzte Nischen. Höhere Wirbeltiere genügen nicht länger; jetzt muß der Rest der bisher verschonten Schöpfung ausgesogen werden. Nicht mal Quallen und Kakteen können im Äon des Geozids vor der Freßgier vampiristischer Omniphagie länger sicher sein. Der eßbare Leib des Herrn Jesu und sein Trinkblut, kannibalische Partywitze wie die Hottentottenkindfrage: "Mama, ist da oben das Flugzeug eßbar?" - "Nur wenn du es schälst, mein Kind", wirken ab sofort fast human neben unerschrocken zelebrierter Eierbecher-Fötophagie. Nehberg zieht abgehärtet die Sparflammen-Version durch, kratzt zur Not plattgefahrene Tiere von der Piste, um an Proteine zu kommen; Jerry Hopkins hingegen klappert gut situiert als behütetes Leckermaul in Singapur Nobel-Restaurants ab, meilenfern von Upton Sinclairs oder Alfred Döblins literarischem Schlachthaus-Horror, mit nichts im Gepäck als der brutalen Message: Omnivoren aller Kontinente, fritiert Fledermäuse, Mehlwürmer, mariniert Drüsen, Füße, Zahnfleisch, Nacktschnecken und Nachtkriecher auf Toast, Lammzungen, Stierhodenpastete im Blätterteig, geräucherte Primatenrümpfe und andere Buschkost!

Andere Phänoma dieser Welt sind bloß das, was sie sind: Lyrik ist Lyrik, Porno ist Porno, und weiter nichts. Sartres "Ekel" oder Orwells Rattenfolter sind gräßlich und nichts als gräßlich; "Strange Food" aber klingt so harmlos wie "Funny Games", gibt sich im Unschuldsgewand als kunstreich gestaltete Hochglanz-Kreuzung aus Dreisterne-Rezeptbuch und Kulturgeschichte des Metzgerhandwerks. Wiener Aktionismus, unfähig zum Weniger-ist-mehr, verplumpte zum Fulltime-Blutrot. In "Strange Food" kippen Delikateßauslage und Schlaraffenland - so oder so in bester Fotoqualität - in Perversitätenkatalog und Gemetzel um. Wie Raubtiere nichts von ihrer Grausamkeit ahnen, so auch dieser opulente Bildband wenig davon, wie makaber seine gefräßige Unschuld ausufert.

Die in Eßkultur zurückgekippte Hochkultur rundet sich zum Jahrtausend der Obszönität. Westliche Zivilisationsausbrüche greifen in ihrer Flucht vor Tiermehl, Hühner-Aids und Fisch-Pest zu asiatischem Absurdistan. Wer soeben im TV heilige Rattentempel besah, bekommt nun, neben kolumbianischer Leguaneierernte, das Berufsbild indischer Rattenfänger präsentiert, aussagefähig mit Foto: ein Rattenbaby als rosiger Snack zwischen menschlichen Fingerbeeren. Der salopp polyglotte Risikotourist Hopkins hat, vom Känguruhfilet bis zum Krokodilspießchen, weltweit alle Blutsuppen engagiert vorgekostet. Nebenbei nennt er Leute, die, der DNS-Identität von Affe und Mensch wegen, Affenabknaller "kannibalisch" nennen, "Fanatiker". Das Buch strotzt von adretten exotischen Oberkellnern und Meisterköchen, die im Vorfeld chinesischer Weltherrschaft bereits jetzt wie immerdar - einladend lachend - Eidechsen aufratschen, Krötenwein einschenken, Rindsköpfe häuten und abschrappen, so bunt, rotgeädert und scheußlich wie nur noch Augenheilkunde- und HNO-Atlas. Selten war der Finger im Hals so unnötig.

Essener, Pythagoräer, Patristik, Franziskaner, Hinduismus, Ascona, Anthroposophie, Makrobiotik, Mitgeschöpf, Anmut und Würde, Albert Schweitzers "Ehrfurcht vor dem Leben": Alles ersatzlos weggewischt. Öl aus Haileber diente im Zweiten Weltkrieg als Schmiermittel in Jagdflugzeugen! Hungrige Mäuler müssen schon sehr unzart besaitet und assoziationsunfreudig sein, um von einem Servierteller mit arg menschenähnlichen, verblüffend wohlgeformten, ja frauenbeinidentischen Froschwaden und -schenkeln nicht zwangsläufig an mit Gabelstapler vorwärtsgeschobene Leichenberge erinnert zu werden. Elefanten sind nach zehnstündiger Kochzeit immer noch zäh! Jerry Hopkins Elefanteneintopf, das absolute Gegenprogramm zu Walt Disneys rühriger Elefantenapotheose in "Dumbo" und "Fantasia", bringt den buddhistischen Tränenozean zum Überlaufen, schreit noch lauter zum abgeblendeten Christenhimmel als Alexander Kluges "Hinrichtung eines Elefanten" - Koinzidenz von Hauptgericht und Weltgericht. Gut verquirlt: kulinarische Verfeinerung und Barbarei hoch drei.

Militante Vegetarier, für die alle Maul- und Klauen-Skandale nur die natürliche Folge des eigentlichen Skandals, des unnatürlichen Aasfressens, darstellen, könnten "Strange Food" als Anstiftung zu unbeendbarem Globalmassaker verklagen. O würde Eugen Drewermann den grassierenden BSE-Holocaust noch viel tendenziöser benennen! Daß in Südkorea der Hundesuppenkonsum demnächst verboten werden soll - ein in vielen Ländern Asiens unvorstellbarer Vorgang! -, fußt, statt auf plötzlicher Köterliebe, auf der Angst vor Touristenverlust bei der Fußballweltmeisterschaft 2002. Immerhin sollen Hühner-KZs bald verboten werden, auf daß unfreie Stauopfer und Mietskasernenbewohner nur noch Eier von garantiert freilaufenden Hühnern in den Topf bekommen. Andererseits ist globale Fleischsucht doch etwas ganz Natürliches, vom Würstchen bis zum Staatsbankett, Victorianer und Purist ein jeder, der verkündet: "Nahe Verwandte eß' ich nicht!" Dann müßte er verhungern; denn ebenso verwandt wie eßbar sind alle, vom Opa bis zur Auster, dank Eiweiß und Amino.

Im heranrollenden Äon schmelzender Butterberge und Global-Informationskriege will man rechtzeitig auf Ausweichkost eingeübt werden. Hartgesottene Zivilisationsfrüchte wie Nehberg und Hopkins, indem sie "zivilisatorisch degenerierte" (Nehberg) Nachahmungstäter anregen, üben die ersehnte Rückverwandlung in hungrige Urmenschen ein. Holde Kunst der Fuge verebbt in der Kunst der Eßbarmachung unverhoffter, quallenförmiger Proteinquellen - und in der dekadenten Kunst, filetieren und leben zu lassen, damit die Speise noch im kauenden Mund grätenfrei zappeln kann. Hauptsache, panierte Maden sind gut gegen Herzkrankheiten. Nicht umsonst florieren allein in Paris noch vierzehn Pferdemetzgereien. Das einzige, was jetzt noch fehlt: Herzhafte Kot- und Haarschopfgerichte. Der einzige ökologische Lichtblick in dieser Freßhölle: Viagra untergräbt seit 1998 den Tiger- und Robbenhodenmarkt in Tokio! Und in Hanoi sollen inzwischen wieder Vögel zwitschern! Wegen eines US-Embargos hatten die Vietnamesen ihre gefiederten Freunde weggegessen.

Jerry Hopkins: "Strange food. Skurrile Spezialitäten". Insekten, Quallen und andere Köstlichkeiten. Mit Fotos von Michael Freeman. Aus dem Amerikanischen von Michael Schmidt. Komet Verlag, Frechen 2001. 232 S., Abb., geb., 39,95 DM.

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Spätestens im zweiten Absatz wird klar, dass sich der Rezensent Ulrich Holbein vorgenommen hat, dem Titel des Buches gerecht zu werden, zu "strange food" eine absolut strange Kritik zu schreiben. Den "Perversitätenkatalog" des Buches setzt er um in hektische Assoziationsketten. Worum es im Buch geht, kann man der Kritik nur indirekt entnehmen: um seltene, den Europäer oft anwidernde kulinarische Köstlichkeiten, Ob der Rezensent Kampfvegetarier oder Zwangsironiker ist, bleibt bei der Lektüre seiner Kritik unklar, jedenfalls leistet er sich die Geschmacklosigkeit, im Duktus des deutschen Tierschutzvereins von Hühner-KZs zu sprechen und will jeden Froschschenkelliebhaber dazu verpflichten, sich bei deren Genuss an "mit Gabelstapler vorwärtsgeschobene Leichenberge" zu erinnern. Näheres zum Buch aber will er nicht sagen.

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