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Der Überraschungs-Bucherfolg aus Frankreich Er war Pianist und die Musik sein Leben. Doch Jazz, Alkohol, Drogen waren für Simon Nardis eine beinahe tödliche Mischung. Allein seiner Frau Suzanne verdankt er, daß er noch am Leben ist. Simon arbeitet inzwischen als Ingenieur - und hat seit zehn Jahren kein Klavier angerührt. Als es ihn beruflich an die Atlantikküste verschlägt, gerät er in den örtlichen Jazzclub. Ein junges Trio spielt - es imitiert Simons Stil. Es geschieht, was geschehen muß: Simon trinkt ein Glas, setzt sich ans Klavier, mit zitternden Händen, die über den Tasten schweben, und…mehr

Produktbeschreibung
Der Überraschungs-Bucherfolg aus Frankreich Er war Pianist und die Musik sein Leben. Doch Jazz, Alkohol, Drogen waren für Simon Nardis eine beinahe tödliche Mischung. Allein seiner Frau Suzanne verdankt er, daß er noch am Leben ist. Simon arbeitet inzwischen als Ingenieur - und hat seit zehn Jahren kein Klavier angerührt. Als es ihn beruflich an die Atlantikküste verschlägt, gerät er in den örtlichen Jazzclub. Ein junges Trio spielt - es imitiert Simons Stil. Es geschieht, was geschehen muß: Simon trinkt ein Glas, setzt sich ans Klavier, mit zitternden Händen, die über den Tasten schweben, und beginnt zu spielen. Da betritt Debbie Parker die Szene, und die Liebe hat ihren Auftritt. In rhythmisch komponierten Sätzen, die eine Lesung geradezu herausfordern, erzählt Christian Gailly eine zauberhafte Geschichte. Sie handelt von Sehnsucht und Traurigkeit, vom unterdrückten Leben und den kleinen Toden, die wir täglich sterben, aber auch vom Mut des Aufbruchs und der Tiefe eines späten Glücks. Gailly ist der komischste pessimistische Autor, den die Verzweiflung zulässt. Ein Buch der Hoffnung und der fröhlichen Trauer.
Autorenporträt
Christian Gailly wurde 1943 geboren. Er war Jazzsaxofonist, dann Psychoanalytiker und lebt heute als Autor in Paris.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.11.2003

Kunst unter Einsatz des Lebens
Christian Gaillys Jazzroman erzählt von einem, der den Zug verpaßt

Wenn es einen zeitgenössischen Schriftsteller gibt, auf den das Lob der "Musikalität der Sprache" nicht nur zutrifft, sondern der uns diese etwas abgegriffene Metapher geradezu wie eine Entdeckung empfinden läßt, dann ist es Christian Gailly. Elf Bücher hat der sechzigjährige Pariser Romancier in den Editions de Minuit, dem Stammhaus der literarischen Nachkriegsmoderne Frankreichs, bislang herausgebracht, und stets gibt ein musikalisches Werk oder eine Musikrichtung den Ton vor, den Rhythmus, die Valeurs und die Stimmung, auf die Gaillys Prosa hört und von der sie ihre kunstvolle, im höchsten Maß geschmeidige, den Boden des Realismus allenfalls tänzelnd berührende Sprache leiten läßt.

Die Passion des Autors kann dabei einer klassischen Komposition gelten wie in "KV 622", wo wir dem grazil-komischen Bemühen beiwohnen, eine Aufführung von Mozarts spätem Klarinettenkonzert zu besuchen, das dem musikalisch wie erotisch fahrig verzückten Ich-Erzähler allerhand Fährnisse einbringt und zu guter Letzt die nicht wenig merkwürdige Begegnung mit einer von ihrem Ehemann im Konzertsaal ausgesetzten blinden Mozart-Verehrerin. Auch durch die Liebe zum Jazz läßt Gailly seine Prosa musikalisch formen, wie er in "Bebop" eindrucksvoll unter Beweis gestellt hat: In diesem Roman mit seinem grandiosen Stimmen- und Gedankenswing begegnen sich die Lebenswege eines mit seiner Frau urlaubenden ehemaligen Jazzmusikers und eines jungen Altsaxophonisten, um in eine mitreißende Jazzabendapotheose zu münden.

In seinem jüngsten Buch nimmt Gailly die in "Bebop" angespielte Thematik wieder auf und führt sie konsequent durch. Der in die Jahre gekommene Ingenieur Simon Nardis wird zum Noteinsatz an einer industriellen Heizungsanlage in eine kleine Stadt an der Atlantikküste beordert. Nach getaner Arbeit und vor dem letzten Zug nach Hause winkt eine Abendunterhaltung, sein dankbarer Auftraggeber führt ihn in den Jazzclub "Le Dauphin vert". Der Abend wird zum Wendepunkt in Simons Leben. Von nun an wird er so viele Züge nach Paris verpassen, daß Ehefrau Suzanne das Schlimmste befürchtet, sich darum aufmacht, ihren Mann selbst abzuholen, und daraufhin das Schlimmste erleidet.

Daß Suzanne den Platz an seiner Seite räumen wird, ist nicht einmal unvorhersehbar an Simons Geschichte, so wie sie hier erzählt wird. Dafür sorgt sein bester Freund, ein Maler, der uns aus dem Nachhinein mit allerlei Vorgriffen und Ausblicken von den Geschehnissen berichtet. Daß Simon in einem früheren Leben ein stilbildender Jazzpianist war, daß Suzanne ihn vor langer Zeit aus einem Sumpf von Drogen, Alkohol und Jazz ins bürgerliche Leben rettete, daß aber gleichwohl das Gefühl, seine Kunst verraten zu haben, an Simon nagt, der seit zehn Jahren keinen Tropfen Alkohol und keine Klaviertaste mehr angerührt hat - all das wissen wir, als er den Club betritt und die Urszene jedes Verräters seiner selbst erlebt.

Er lauscht einem Klaviertrio. Drei junge Amerikaner sind zu Gast: Bill, Scott und Paul; Jazzkenner mögen ihre Namen zu denen des Bill-Evans-Trios ergänzen. Vor allem aber hört Simon sich selbst, eine junge Version seiner selbst, einen Pianisten, der brillant in seinem Stil von damals spielt. Kann man einen Stil wirklich imitieren, ist es überhaupt ein Stil, wenn man ihn imitieren kann? In einer Pause erliegt der Kunstabtrünnige der Versuchung, geht auf die Bühne und setzt sich ans Piano. Der rauschhaft erlebte Abend im Club wird ihm zum Spiel um sein Leben, zum Kampf zwischen dem Eindruck, daß die Musik ihn nicht mehr braucht, und der Ahnung, daß er die Musik braucht, daß er nur ganz er selbst sein kann, wenn er spielt. Der Stil ist der Mensch - dieser Satz wird von Gailly ernst, weise, traurig und witzig umspielt, wenn er seinen Erzähler sagen läßt: "Die Kunst unter Einsatz des Lebens, wer denkt heute noch so?" Unter allen Illusionen, so bekundet er in einem Interview, sei ihm diese die unverzichtbarste.

Wer ganz er selbst ist und doch mit aller Macht genau davor zurückschreckt, wird erkennbar, stark und schwach zugleich, anrührend. Zwischen Simon und Debbie, der amerikanischen Besitzerin des Clubs, entspinnt sich an diesem Abend eine Liebesgeschichte. Alle Mittel seiner Sprachkunst setzt Christian Gailly ein, um diese unerwartete und späte Liebe zweier nicht mehr Junger, zweier innerlich Exilierter zart und diskret und doch aus nächster Nähe zu erzählen. Sätze werden in ihrem natürlichen Lauf unterbrochen, wieder aufgenommen, zu größeren Bögen verbunden. Unausgesprochene Gedanken entwickeln sich zu rhythmischen inneren Dialogen. Die Prosa eilt voraus, springt zurück, swingt, nimmt eine Beobachtung oder eine Redewendung erstaunt zum Anlaß für einen verspielten kleinen Schlenker, ein Minisprachsolo gewissermaßen, und den Liebenden geraten alltäglichste Floskeln zum rhythmischen, bedeutungsenthobenen Duett. Die Übersetzerin Doris Heinemann müht sich redlich, kann aber nicht gegen die Grenzen der Übertragbarkeit des klanglichen Spiels an: Wenn Simon, als er die Tür des Jazzclubs öffnet, John Coltranes Saxophon entgegenschlägt, "une musique sous pression, enragée parce qu'enfermée", dann ist das eben nur fast dasselbe wie "eine unterdrückte, eine wütende, weil eingeschlossene Musik".

Doch bleibt der ganze scheinbar freie, sprachverliebte Lauf der Prosa im Dienst einer Geschichte, die Gailly sowenig aus dem Auge verliert wie seine Überzeugung, daß die großen Themen Liebe, Opfer, Kunst und Tod ihren Ernst und ihre Würde nur bewahren, wenn man bis zuletzt auch lacht über sie. Auf dem Ton einer glücklichen Farce über das Glück klingt sein Buch aus. Das kleine Wunder seiner Prosa aber ist, dem Leser das Wunder der Liebe anzukündigen und es ihn doch überraschend und frisch erleben zu lassen - was nicht zuletzt an ihrer leicht von sich selbst berauschten musikalischen Leichtigkeit liegt, an der souplesse Gaillys.

Um dieses Kleinod zu genießen, muß man gar nicht wissen, wie nah Simons Geschichte der ihres Verfassers ist, der selbst einmal Heizungsingenieur, Jazzsaxophonist und schließlich auch nichtpraktizierender Psychoanalytiker war, bevor er zu schreiben begann. Die Widmung des Buches aber sollte man nicht überlesen: Sie gilt der Frau, die Simon gleich zweimal das Leben schenkt. Die Kunst unter Einsatz des Lebens - diese Formel wird von Monsieur Gailly eben auch in ihrem grausamen Verständnis inszeniert.

MICHAEL ADRIAN

Christian Gailly: "Ein Abend im Club". Roman. Aus dem Französischen übersetzt von Doris Heinemann. Berlin Verlag, Berlin 2003. 142 S., geb., 16,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

"Manche Autoren haben einfach kein Glück in Deutschland", und Christian Gailly zählt zweifelsohne zu ihnen, schreibt ein um den Hörgenuss gebrachter Konrad Heidkamp sichtlich enttäuscht. Den neuen Roman Gaillys, dem er ein "Gespür für literarische Momentaufnahmen" attestiert, hat er jedenfalls seltsam inspirationslos vertont vorgefunden. Erzählt wird die Geschichte des ehemals "stilbildenden Jazzpianisten" Simon Nardis, der vor Jahren der Szene, die ihn fast ums Leben brachte, entsagte und seitdem ein Leben frei von Musik als glücklich verheirateter Ingenieur führt. Doch mit einem mal vermag er der Sucht nicht mehr zu widerstehen und wird unter tatkräftiger Mithilfe der "neuen - endgültig großen - Liebe" zu einer Jazzsängerin, rückfällig, schildert Heidkamp den Verlauf. Leider sei aber alle "Musikalität" Gaillys in der deutschen Übertragung und Umsetzung auf der Strecke geblieben: "kein Hauch von Akzentverschiebung, von jener Kunst, die dem Text die nötige Leichtigkeit verleihen würde", klagt unser Rezensent. Dass zudem noch ein Saxofonist mit den Zwischenspielen betraut wurde, obwohl es doch um einen großen Pianisten geht, stößt beim Rezensenten nur noch auf Unverständnis.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Nachdenklich, psychologisch ausbalanciert erzählt er von Rausch und Abenteuerlust. Eine Geschichte mit der Sogkraft eines Jazzsolos." (Focus)

"Wie Gailly, einst selbst gefeierter Jazz-Saxophonist, das Spiel der Gesten und Töne ... In einen lässigen Sprachstil übersetzt, macht jeden Leser wehrlos." (Die Welt)

"Wenn es einen zeitgenössischen Schriftsteller gibt, auf den das Lob der 'Musikalität der Sprache' nicht nur zutrifft, sondern der uns diese etwas abgegriffene Metapher geradezu wie eine Entdeckung empfinden läßt, dann ist es Christian Gailly." (FAZ)