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Gesellschaftliche Macht übt eine unwiderstehliche Anziehungskraft auf Personen aus, die an einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung leiden. Karrierebesessenheit, ungezügelte Selbstbezogenheit, Siegermentalität und Größenfantasien sind Eigenschaften, die der narzisstisch gestörten Persönlichkeit den Weg an die Schaltstellen ökonomischer oder politischer Macht ebnen. Indem sich diese Personen vorzugsweise mit Ja-Sagern, Bewunderern und gewitzten Manipulatoren umgeben, verschaffen sie sich zwar eine Bestätigung ihres Selbstbildes, untergraben aber ihre Selbstwahrnehmung und verfestigen ihren…mehr

Produktbeschreibung
Gesellschaftliche Macht übt eine unwiderstehliche Anziehungskraft auf Personen aus, die an einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung leiden. Karrierebesessenheit, ungezügelte Selbstbezogenheit, Siegermentalität und Größenfantasien sind Eigenschaften, die der narzisstisch gestörten Persönlichkeit den Weg an die Schaltstellen ökonomischer oder politischer Macht ebnen. Indem sich diese Personen vorzugsweise mit Ja-Sagern, Bewunderern und gewitzten Manipulatoren umgeben, verschaffen sie sich zwar eine Bestätigung ihres Selbstbildes, untergraben aber ihre Selbstwahrnehmung und verfestigen ihren illusionären und von Feindbildern geprägten Weltbezug. Fremdenhass und Gewalt gegen Sündenböcke zu schüren, gehört zu den bevorzugten Herrschaftstechniken narzisstisch gestörter Führer. Geblendet von seinen eigenen Größen- und Allmachtsfantasien verliert der Narzisst den Kontakt zur gesellschaftlichen Realität und muss letztlich scheitern. Eng verknüpft mit dem Realitätsverlust ist die Abkehrvon den Normen, Werten und Idealen, denen die Führungsperson eigentlich verpflichtet ist. Machtbesessenheit, Skrupellosigkeit und Zynismus können bei einem narzisstischen Despoten bis zur brutalen Menschenverachtung führen.Mit Hilfe detaillierter Fallstudien - Uwe Barschel, Helmut Kohl, Joschka Fischer und Slobodan Milosevic - analysiert der Autor die Verflechtungen zwischen der individuellen Psychopathologie und den ethnischen, religiösen und kulturellen Identitätskonflikten der umgebenden Gruppe.
Rezensionen
»Das Buch ist klar gegliedert, verständlich geschrieben und mit themenbezogenen Fotografien und Reproduktionen aus der Kunstgeschichte anschaulich illustriert. Es ist ein hervorragendes und einmaliges Lehrbuch politischer Psychoanalyse.« Klaus Ludwig Helf in GEW. Erziehung und Wissenschaft 9/2011 »Eine exzellente Studie, die das Dilemma egozentrischer Machtausübung beschreibt.« Caroline Fetscher im Tagesspiegel vom 2. Juli 2011 »Wirth interpretiert in seiner erhellenden Untersuchung zur >Psychoanalyse seelischer Störungen in der Politik< Macht und Narzissmus als >siamesische Zwillinge<.« Ludger Lütkehaus in Neue Zürcher Zeitung »Hans-Jürgen Wirth hat eine eindrucksvolle Studie über das Unbewusste in der Politik verfasst. Sie ist durch Fotografien und Reproduktionen aus der Kunstgeschichte herrlich illustriert. Damit erreicht sie eine Anschaulichkeit, die man in der psychoanalytischen Literatur höchst selten findet.« Martin Altmeyer in die tageszeitung vom 31. Dezember 2002 »Schließlich entpuppt sich sein Werk als Lehrbuch der politischen Psychologie, im besten Sinne kombiniert aus gut verständlichem Theorieteil und seiner praktischen Anwendung.« Norbert Copray in Publik Forum Nr. 20, 2002

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.04.2003

Möge doch bitte keiner etwas ins Aussitzen hineingeheimnissen
Barschel, Kohl, Fischer, Milosevic: Hans-Jürgen Wirth versucht dem Narzißmus von Politikern psychoanalytisch auf die Schliche zu kommen

Narzißmus ist die älteste Allmachts-Ohnmachts-Figur, die wir haben, wobei Allmacht und Ohnmacht die Doppelseite ein und desselben Komplexes sind. Der Psychoanalytiker Hans-Jürgen Wirth stellt seinen Versuch psychoanalytischer Sozialpsychologie am Beispiel von vier Politikern - Uwe Barschel, Helmut Kohl, Joschka Fischer und Slobodan Milosevic - unter die beiden Grundbegriffe Narzißmus und Macht. Aus allgemeinzugänglichen Quellen - den Artikeln des "Spiegel"-Journalisten Jürgen Leinemann etwa verdankt er vieles - werden die Protagonisten mit Hilfe wohlbekannter Reflexe und Verhaltensmuster skizziert. Damit handelt sich der Autor von vornherein einen Widerspruch ein, denn als Psychobiograph müßte er am psychoanalytischen Material arbeiten. Das kann nicht geschehen, weil es eben nicht vorhanden ist. So kommen sehr eindimensionale Ableitungen zustande, wie sie die Psychoanalyse gerade ablehnen muß. Dabei hat der Autor natürlich recht: Weder Narzißmus noch Macht sind von vornherein pathologische Begriffe. Es gibt den gesunden Narzißmus, und Politik ohne Macht funktioniert nicht. Seelisch gesprochen, ist die Allmachts-Ohnmachts-Figur eine Struktur, die man an Politikern ebenso wie am Zeitungshändler um die Ecke vorfindet.

Was in Wirths Interpretationen zu kurz kommt, ist die Projektionsfigur auf allen Ebenen. Barschel zum Beispiel, der hier einen viel zu breiten Raum bekommt, als sei er ein paradigmatischer Mythos des zwanzigsten Jahrhunderts, hat perverse Züge, die man kaum als typisch für einen Politiker bezeichnen wird. Barschel konnte offenbar seine sexuellen Obsessionen nur loswerden, indem er sie Engholm andichtete. Aber ohnehin sind nicht die Symptome Barschels interessant, sondern das, wofür er ein Symptom war. Er hing ja nicht in der Luft. Wäre er auch in Nordrhein-Westfalen möglich gewesen - oder war er es eben nur in Schleswig-Holstein mit seinem äußerst dünnen politischen Establishment? Was erstaunte das Volk wie die politische Klasse damals so sehr? Hier war etwas passiert, das man nicht mehr für möglich hielt: welcher krimineller Energien nämlich jemand fähig sein kann, der an einer demokratischen Machtposition festzuhalten versucht. Insofern hat dieser Skandal damals doch alle insoweit erschüttert, als man seitdem überall kriminelle Energien "dahinter" vermutet. Immerhin bedeutete das Ende Barschels einen Impuls für das politische Bewußtsein.

Und auf welche Konfliktsituationen der Bundesrepublik traf eigentlich Helmut Kohl als Exponent einer vom ersten Tag an verspotteten Indifferenz, des berühmten "Aussitzens"? Welche Rückschlüsse auf das politische Establishment läßt es zu, daß er mit derart einfachen Mitteln sich so unglaublich lange in einer hochkomplexen sozialen und politischen Realität halten konnte? Kohl ist unter anderem ein Exponent des großen Funktionsverlusts der gesellschaftlichen Institutionen, die denn auch später, als ihr Prestige verspielt war, die Quittung bekamen - von den Universitäten über die Kirchen, die Gewerkschaften zu den politischen Bildungsinstitutionen. Kohl war ein begabter Bildner blühender Illusionen und mag genauso wie die Industriellen gewußt oder geahnt haben, daß die Arbeitslosigkeit nicht mehr durch Konjunkturzyklen bedingt, sondern systemisch werden würde. Sein Instinkt sagte ihm, daß es mit dem Reformoptimismus der siebziger Jahre zu Ende war, politisch das Problem nicht zu lösen sei, deshalb, psychoanalytisch gesprochen, seine Strategie der Externalisierung der Konflikte, zunächst per Abrüstungsfrage, dann durch die Wiedervereinigung, die ihm in die Hände spielte. Mit seinem Charisma der Gemütlichkeit konnte er das Bewußtsein der internen Konflikte verdrängen, die weiterhin durch das Ende des realen Sozialismus aufgeschoben wurden.

Immerhin eröffnet die Lektüre des Buches die Möglichkeit, die verschiedenen Momente der Bedrohungen und Möglichkeiten, die zur narzißtischen Selbstbehauptung gehören, als die verschiedenen jeweils exemplarischen Akzente in einer gemeinsamen Struktur zu lesen: Barschel, der Narzißt, der sich retten will und über diesem Rettungsversuch gemeingefährlich geworden ist, Kohl, der als Narzißt am Leben bleiben, die Allmacht des narzißtischen Status erhalten und nicht in eine geläutertere oder belehrtere Existenzform wechseln will, Milosevic, der den Narzißmus als paranoischer Heilsbringer einsetzen will, und Joschka Fischer, kein Experte der Macht, sondern jemand, der sich, ohne korrupt zu werden, einem Lernprozeß unterzogen hat, kurz: der mit seinem Narzißmus "umzugehen" verstanden hat.

Zwischen den einzelnen Teilen, die Wirth beleuchtet, gibt es einen erheblichen Niveauunterschied an Methodenbewußtsein. Der Teil über den Krieg im Kosovo ist am besten durchgearbeitet. Wirth sieht da die Ungleichzeitigkeiten zwischen modernem europäischen Staat und zurückgebliebenem Land, das unter seinen alten Mythen ächzt. Er eröffnet da erstmals zaghaft das Projektionsspiel, daß nämlich der Herrscher seine "Gruppe" bedient, daß die Projektionen hin und her gehen. Auch im Kapitel über die Achtundsechziger-Generation und die Macht analysiert er Fischer eher als Exponenten der psychosozialen Konflikte dieser Bewegung, und damit hängt er nicht so in der Luft wie Barschel und Kohl.

Hans Magnus Enzensberger hat schon vor langer Zeit die "Spiegel"-Porträts über Politiker verspottet: Politiker seien vollkommen marginal, spielten keine Rolle mehr bei den realen Prozessen. Das ist noch gut marxistisch gedacht. Wenn Marx annimmt, daß der Niedergang des Kapitalismus berechenbar ist, dann spielen Personen keine Rolle, dann sind sie Charaktermasken. Aber heute sind die Prozesse signifikant unberechenbar, und da werden Personen wichtig. Das muß noch nicht heißen, daß sie wirklich eine Rolle spielen, sie werden aber als Projektionsfläche gebraucht. Darin liegt das Interesse von Wirths Untersuchung.

CAROLINE NEUBAUR

Hans-Jürgen Wirth: "Narzißmus und Macht". Zur Psychoanalyse seelischer Störungen in der Politik. Psychosozial-Verlag, Gießen 2002. 439 S., Abb., geb., 24,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Der Gießener Psychoanalytiker Hans-Jürgen Wirth bezeichnet Narzissmus und Macht als "siamesische Zwillinge". Ludger Lütkehaus will so weit nicht gehen, der grundsätzlichen Analyse des Autors aber stimmt er zu, zumal dieser selbst für die "obligaten Differenzierungen" sorge. Über Freuds etwas "grobschlächtige Narzissmus-Konzepte" gehe er hinaus, die Verwicklungen, die sich aus der Notwendigkeit öffentlicher Verbergung von Macht ergeben, widersprechen seinen Thesen nicht, so Lütkehaus. Die Fallstudien - von Barschel über Kohl und Joschka Fischer bis zu Milosevic - leuchten dem Rezensenten ein, die zu Barschel findet er "besonders eindrucksvoll".

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