19,90 €
inkl. MwSt.
Versandkostenfrei*
Sofort lieferbar
payback
0 °P sammeln
  • Broschiertes Buch

1 Kundenbewertung

Für die einen waren sie Täter, weil Verräter, für die anderen Opfer, weil sie die DDR nicht auf anderem Wege verlassen konnten. Es geht um Fahnenflüchtige auf See. Ingo Pfeiffer, Fregattenkapitän bei Volks- und Bundesmarine, deckt jetzt erstmals ein sehr dunkles Kapitel der Marine der DDR auf:Es ist ein weitgehend unbekanntes und düsteres Kapitel von 40 Jahren Marinegeschichte der DDR, das den unerforschten und brisanten Komplex der Rolle des MfS in den Seestreitkräften der DDR zum Inhalt hat. Die im Archiv der "Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen…mehr

Produktbeschreibung
Für die einen waren sie Täter, weil Verräter, für die anderen Opfer, weil sie die DDR nicht auf anderem Wege verlassen konnten. Es geht um Fahnenflüchtige auf See. Ingo Pfeiffer, Fregattenkapitän bei Volks- und Bundesmarine, deckt jetzt erstmals ein sehr dunkles Kapitel der Marine der DDR auf:Es ist ein weitgehend unbekanntes und düsteres Kapitel von 40 Jahren Marinegeschichte der DDR, das den unerforschten und brisanten Komplex der Rolle des MfS in den Seestreitkräften der DDR zum Inhalt hat. Die im Archiv der "Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR" (BStU) recherchierten Vorgänge reflektieren Episoden deutscher Teilungsgeschichte und militärischer Konfrontation von Warschauer Vertrag und NATO in der Ostsee.Die Fahnenfluchtversuche von jungen Marineangehörigen offenbaren die Dramatik zwischen persönlicher Hoffnung auf eine gelungene Flucht und der Furcht vor Strafverfolgung bei Scheitern. Gesteigert wurde diese, wenn Fahnenflüchtige nicht vor Waffengewalt zurückschreckten und damit das Leben ihrer Kameraden auf See riskierten. Eingeordnet in die konkrete Zeitgeschichte stellt der Autor so überwiegend tragisch verlaufende Ereignisse und Menschenschicksale zur Diskussion.
Autorenporträt
Jahrgang 1949, in Kirchmöser b. Brandenburg
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.07.2009

Mit dem Boot in die Freiheit
Wie Soldaten der DDR-Volksmarine die Flucht planten

Das rigorose Grenzregime der DDR hatte im Norden einen geographisch bedingten Schwachpunkt: die Ostsee. Dies erkannten junge, unzufriedene Soldaten der DDR-Volksmarine und planten ihre Flucht über See. Sie wollten ihre Einheiten gewaltsam übernehmen, um damit in den Westen zu gelangen. Diese Fluchtversuche werden in einem Sachbuch beschrieben, dessen Autor, Jahrgang 1949, als junger Offizier im August 1973 Leitender Ingenieur eines kleinen U-Jagdbootes war. Nach Rückkehr aus dem Urlaub erfuhr er, dass die geplante Flucht von fünf Besatzungsangehörigen seines Bootes durch das Eingreifen der Stasi vereitelt worden war. Konfrontiert mit der Information, dass diese Gruppe sogar bereit gewesen sein soll, notfalls die Offiziere des Bootes zu erschießen, wollte er von seinen Vorgesetzten mehr Details erfahren. Doch er erhielt nur die strikte Aufforderung, jegliche Nachforschungen einzustellen. So entstand bei ihm ein erstes Misstrauen gegenüber dem System.

Erst nach der Wende erfuhr Ingo Pfeiffer, wie die Krake Stasi mit ihren Fangarmen auf Einheiten der Volksmarine meist ohne Wissen der Kommandanten präsent war, um jede Planung eines Fluchtversuches erfassen und im Keim ersticken zu können. Die Auswertung der Akten des Ministeriums für Staatssicherheit über die Vereitelung und Untersuchung der Fluchtversuche in der Volksmarine bildet die Grundlage für den über weite Strecken autobiographisch geprägten Tatsachenbericht, aus dem der Leser auch viel über den Bordbetrieb in der Volksmarine erfährt. Nach einer knappen Analyse der Strukturen und Aufgaben verschiedener Abteilungen der Stasi, die sich mit der Volksmarine beschäftigten, werden zehn Fluchtversuche beschrieben, von denen nur zwei glückten.

Die spektakulärste Flucht geschah im August 1961, elf Tage nach dem Mauerbau, als es drei Matrosen an Bord eines Küstenschutzbootes gelang, die Brückenwache mit Waffen in Schach zu halten, die übrige Besatzung einzuschließen und mit dem Boot in Travemünde einzulaufen. Erst dann konnte die Restbesatzung sich befreien und das Boot ohne die geflohenen Matrosen nach Wismar zurückführen. Die Stasi betrieb daraufhin eine aufwendige Untersuchung und versuchte noch über viele Jahre hinweg, die Flüchtlinge zur Rückkehr in die DDR zu bewegen. Im August 1979 kam es an Bord eines Minensuchbootes zu einem regelrechten Feuergefecht zwischen einem Obermaat und Offizieren, denen es erst kurz vor den Territorialgewässern der Bundesrepublik gelang, das Boot wieder in ihre Gewalt zu bekommen. Der verwundete Obermaat wurde von einem Militärgericht zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt.

In der Bewertung der Fluchtversuche schwankt der Autor zwischen Verständnis für die Motive und Verurteilung der Methoden, das heißt des Waffengebrauchs. Wie bei anderen Publikationen von Autoren mit NVA-Prägung ist der Text keine leichte Lektüre. Terminologie und Diktion der DDR-Militärsprache sind nach wie vor gewöhnungsbedürftig; die Flut der weitgehend fremden Abkürzungen kommt erschwerend hinzu. Im knappen Literaturverzeichnis sucht man vergebens nach grundlegenden Arbeiten zur Militärgeschichte der DDR, die seit 1990 erschienen sind, auch zum Thema Fahnenflucht. Der Text wird durch zahlreiche Bilder der betroffenen Einheiten und Schiffstypen illustriert. Ein Personenregister wäre hilfreich gewesen. Doch bei allen Schwächen ist das Buch ein weiterer Baustein für die Aufarbeitung der Stasi-Strukturen in der NVA.

WERNER RAHN

Ingo Pfeiffer: Fahnenflucht zur See. Die Volksmarine im Visier des MfS. Kai Homilius Verlag, Berlin 2009. 200 S., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Für Werner Rahn stellt Ingo Pfeiffers auf der Auswertung von Stasiakten basierende Band einen weiteren Baustein dar für die Aufarbeitung der Stasi-Rolle und -Strukturen in der NVA. So schwer verständlich ihm die vom Autor, einem ehemaligen U-Boot-Ingenieur, verwendete DDR-Militärterminologie und -diktion mitunter auch erscheint, so informativ findet er die Darstellung dennoch. Rahn erfährt viel über den Bordbetrieb in der Volksmarine, in "knappen" Analysen über die Aufgaben der Staatssicherheitsorgane und anhand von zehn durch den Autor differenziert bewerteten Beispielen über geglückte und misslungene Fluchtversuche "zur See". Ein Personenregister und ein umfangreicheres Literaturverzeichnis hätte der Rezensent sehr begrüßt.

© Perlentaucher Medien GmbH