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Anhand von über 500 spektakulären und großteils unveröffentlichten Kriegsfotografien aus dem Bildarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek rückt dieser Band erstmals den Krieg im Osten und Südosten Europas ins Blickfeld. Der Fotohistoriker Anton Holzer zeichnet damit ein neues, bisher kaum bekanntes Bild des Ersten Weltkrieges.Die Aufnahmen der k.u.k. Kriegspropaganda sind in Form von Originalglasplatten erhalten. Sie sollten ein geschöntes Bild des Krieges vermitteln. Aber bei genauerer Betrachtung berichten sie auch vom harten Alltag der Soldaten in der Fremde, von der ungeheuren Gewalt…mehr

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Produktbeschreibung
Anhand von über 500 spektakulären und großteils unveröffentlichten Kriegsfotografien aus dem Bildarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek rückt dieser Band erstmals den Krieg im Osten und Südosten Europas ins Blickfeld. Der Fotohistoriker Anton Holzer zeichnet damit ein neues, bisher kaum bekanntes Bild des Ersten Weltkrieges.Die Aufnahmen der k.u.k. Kriegspropaganda sind in Form von Originalglasplatten erhalten. Sie sollten ein geschöntes Bild des Krieges vermitteln. Aber bei genauerer Betrachtung berichten sie auch vom harten Alltag der Soldaten in der Fremde, von der ungeheuren Gewalt der Zerstörungen, den unzähligen Toten und Verletzten und den endlosen Zügen von Kriegsgefangenen, Flüchtlingen und Vertriebenen.Das Buch wirft einen Blick hinter die Kulissen des ersten modernen Medienkrieges der Geschichte. Es schildert ebenso den Alltag und die Arbeitsbedingungen der Kriegsfotografen wie auch die immer subtiler werdenden Methoden der Bildpropaganda. Der Autor zeigt, wie der Krieg die Fotografie verändert und wie umgekehrt, die Fotografie den Krieg verändert hat. Militärs und Medienvertreter haben ihre Lektionen schnell gelernt. Seit dem Ersten Weltkrieg gehört die propagandistisch verwendete Fotografie ins Waffenarsenal eines jeden modernen Krieges.
Autorenporträt
Anton Holzer, geb. 1964, Dr. phil., ist Herausgeber der Zeitschrift »Fotogeschichte«, Publizist und Ausstellungskurator. Zahlreiche Veröffentlichungen zur Fotografie- und Kulturgeschichte.
Rezensionen
"Holzer hat ein außergewöhnliches Werk verfasst, das völlig zu Recht mit dem Deutschen Fotobuchpreis ausgezeichnet wurde. Es ist sehr zu empfehlen." Geschichte für Heute - Zeitschrift für historisch-politische Bildung
"Wer sich durch präziese kommentierte Bilder sein Bild vom großen Völkerschlachten machen und sich dabei gegen Schönfärberei jeglichen Krieges immunisieren will, sichert sich mit diesem Standardwerk ein reichhaltiges und profundes Rüstzeug." BuchMarkt
"Ein sehr interessantes Buch, das wir jedem thematisch Interessierten empfehlen können." inn-joy.de
"Holzer bietet uns viel in diesem Buch. Fotografie und Propaganda werden durch Fotos von und Fotos über Kriegsfotografen hier sehr schon 'gezeigt'." frontlend.fotomonat.com

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.11.2007

Die Bewaffnung des Auges

Bisher unveröffentlichte Originalaufnahmen aus der Bildpropaganda des Ersten Weltkriegs: Anton Holzer deutet sie in diesem standardsetzenden Buch.

Schützengräben, Stellungskrieg, Somme-Schlacht, Verdun und Langemarck, Giftgas und Rübenwinter haben das Bild des Ersten Weltkriegs bis heute geprägt. Manche Zeitgenossen begriffen ihn als europäische, die meisten als nationale Katastrophe, die nichts gelassen hat, wie es einmal war. Der Weltkrieg hat die europäischen und außereuropäischen Gesellschaften nicht weniger umgepflügt als die Granaten das Niemandsland. Das ahnten die Zeitgenossen bald, und die Historiker haben es in fast einem Jahrhundert Forschung von der Militär- bis zur Sozial- und Kulturgeschichte gerade im Hinblick auf die Entstehungsgeschichte des Zweiten Weltkriegs dargelegt. Zu keinem geschichtlichen Ereignis wurde mehr publiziert.

Umso merkwürdiger mutet es an, dass, trotz der ohnehin schon vorherrschenden Konzentration auf den europäischen Kriegsschauplatz und die europäischen Kriegsgesellschaften, das Bild vom Krieg, wie er im Osten geführt wurde, völlig unterbelichtet ist. Gerade so, als habe es "Stahlgewitter" nur im Westen gegeben. Das liegt nicht daran, dass es keine oder nur wenige Bilder von dieser anderen Front gegeben hätte, sondern ist bereits eine Folge der Zwischenkriegszeit. In seinem grundlegenden Werk über die "andere Front" macht der österreichische Fotografiehistoriker Anton Holzer sichtbar, was durch diese "Westverschiebung der visuellen Erinnerung" vollkommen aus dem Blick und dem Gedächtnis verschwunden ist. Holzers intensive Forschungen im Bildarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek erschließen eine ganze Welt: 33 000 Originalglasplatten sowie die dazugehörigen Abzüge, Bilder aus sämtlichen Kriegsgebieten der k.u.k. Monarchie: von der Türkei über Bulgarien, Montenegro bis Russland.

Szenen vom Frontalltag

Es sind jene Länder, deren Grenzen und staatliche Verfasstheit sich im Kriegsverlauf und nach Kriegsende am stärksten veränderten. Diese Fotos dokumentieren also, so Holzer, eine historische Bruchstelle, aus der ein anderes Europa hervorgehen sollte, ein Europa, das dann mit dem Zweiten Weltkrieg sich selbst zugrunde richtete. Diesem ungeheuren historischen Umschlag ist Anton Holzer in seinen ebenso genauen wie brillanten ikonographischen Interpretationen und der Rekonstruktion der organisierten Bildpropaganda auf der Spur. Es gelingt ihm damit weit mehr als die visuelle Wiederentdeckung der "anderen Front", deren Verdienst an sich schon groß genug ist.

Auf den ersten Blick scheinen die Themen der Fotos von der Ostfront die gleichen wie die von der Westfront zu sein. Es gibt Aufnahmen der großen Heerführer, der Waffen, des Frontalltags. Holzer analysiert die Organisation der Bildpropaganda und zeigt, wie im Osten Menschen-Material und Maschinen wahrgenommen wurden. Ein faszinierendes Kapitel ist der "Bewaffnung des Auges" gewidmet, in dessen Folge der Nacht- und Untertagekrieg zur Regel wurde. Die Telegrafie wird als Nervensystem der Kombattanten verstanden, die Fotografie mehr und mehr als Instrument der Aufklärung eingesetzt. Es geht darum, den Feind überhaupt sichtbar zu machen, seine Anwesenheit im Gelände "zu lesen" , eigentlich zu dechiffrieren. So werden abstrakt wirkende Luftaufnahmen vom feindlichen Gelände, die im Labor zusammengesetzt werden, zu den eigentlichen Mitteln der Aufklärung, während das bloße Auge nichts mehr zu erkennen vermag. So gibt es beides: die technisch geschärften Sinne und den getrübten Blick.

Anton Holzer zeigt aber auch die Arbeitslandschaften des Krieges. Manche, wie das Naphta-Revier von Boryslaw mit den "in vollem Betrieb stehenden Bohrtürmen" sehen aus wie Science-Fiction-Landschaften - parallel zu den Mondlandschaften im Niemandsland, deren innere Verwandtschaft ins Auge sticht. So wie durch den Krieg die Wahrnehmung der Landschaft verändert wird, so wälzt der Krieg auch die Sicht auf die Menschen um, gleichgültig, ob Soldat oder Zivilist.

Das zeigt Holzer in den thematischen Sequenzen über Flucht und Deportation, über den Krieg gegen die Zivilbevölkerung und mit dem Bild der Kriegsgefangenen. Es werden Klassifikationen wie etwa die des "Unzuverlässigen" auf große Gruppen von Zivilisten angewandt, ein Begriff, der aus der militärischen, vor allem aber aus der politisch-revolutionären Sprache des achtzehnten und neunzehnten Jahrhunderts stammt. Es sind Begriffe, die in das Innere der Menschen und ihrer Haltungen hineinleuchten wollen - so wie die Scheinwerfer Himmel und Erde in übernatürliche Helligkeit versetzten. In einer Mischung aus Physiognomik und "Rassenmerkmal"-Kunde wird die Wahrnehmung des potentiellen Verräters hergestellt. So etwa in Ostgalizien, deren Bewohner damals Ruthenen genannt wurden. Immer sollen die Fotografien einen "Typus" abbilden, gleichgültig, ob Mann, Frau oder Kind. Sie repräsentieren die Gefährdung der Gemeinschaft, sie sind der personifizierte Zweifel. Wie blitzartig sich die Konnotationen aber auch wieder austauschen lassen, zeigte sich 1917, nach dem Waffenstillstand im Osten. Dieselben fragwürdigen Gestalten der Ruthener werden nun zu sauberen Ukrainern in hübscher Nationaltracht mit viel Sinn für die hergebrachten Sitten und Bräuche, die treusinnig in die Kamera blicken - und bald darauf abgesetzt werden gegen die zerstörungswütigen Bolschewiken.

Als Partisanen gehenkt

Die Menschen auf den Fotos sind nichts anderes als gestanzte politische Statements, die exakt der Ostpolitik der Mittelmächte entsprachen: Unterstützung der aufkommenden Nationalbewegungen an den Rändern des soeben entstehenden Sowjetreiches, das geschwächt werden sollte. Aber es handelt sich nicht einfach um eine Spiegelung politisch-strategischer Zielsetzungen, sondern um eine visuelle Eigendynamik. Die Völker werden geradezu industriell daran gewöhnt, zu sehen, was sie glauben sollen. Zu Recht werden die Bilder der vielen als "Partisanen" oder "Spione" Gehenkten an der Ostfront des Ersten Weltkriegs in der Forschung als visuelles Vorzeichen des deutschen Vernichtungskriegs im Zweiten Weltkrieg gewertet. Anton Holzer ist in seiner gesamten Argumentation und Recherche so umsichtig, dass dem Leser Überraschungen wie bei der ersten Hamburger Ausstellung zu den Verbrechen der Wehrmacht erspart bleiben.

Die visuelle Konstruktion des Feindes hat seitdem an Virulenz nichts verloren. Im neunzehnten Jahrhundert zeigten bunte Blätter, was das Publikum sehen wollte und sollte - im einundzwanzigsten Jahrhundert werden dem Fernsehzuschauer schemenhafte Fotos präsentiert, die aus großer Höhe von Aufklärungssatelliten aufgenommen wurden. Man erkennt auf diesen Fotos wenig, genaugenommen gar nichts, mit etwas Phantasie aber auch alles: Bunker, Massenvernichtungswaffen oder zentimetergenaue Zerstörung von Brücken und Büros. Die militärische Wahrnehmung wird zur mathematischen Abstraktion, die Anschauung selbst zur medialen Fiktion, zumal unter den Bedingungen einer wie auch immer ausgeübten Zensur.

Es ist aber nicht erst die Elektronisierung des Krieges, die das Kriegsgeschehen wahlweise zum Gegenstand entweder von Dechiffrierkunst oder von Bildpropaganda macht. Die große Revolution im Bild des Krieges fand, wie Anton Holzer in seinem bedeutenden, Standards setzenden Werk zeigt, bereits im Ersten Weltkrieg statt. Das gilt aber nicht allein für die technische Seite: Mit dem Ersten Weltkrieg ist die industriell betriebene visuelle Durchsetzung politischer, sozialer und rassistischer Klassifikationen zum Mittel der modernen Politik geworden.

MICHAEL JEISMANN

Anton Holzer: "Die andere Front". Fotografie und Propaganda im Ersten Weltkrieg. Mit unveröffentlichten Originalaufnahmen aus dem Bildarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek. Primus Verlag, Darmstadt 2007. 320 S., mehr als 500 Fotos, geb., 39,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Höchst fasziniert ist Valentin Groebner von Anton Holzers Buch über die Propagandafotografie im Ersten Weltkrieg. Holzer sichtet in seinem Band die ungeheure Sammlung des Kriegspressequartiers des österreichisch-ungarischen Heeres und ermöglicht damit einen besonderen Blick auf den Ersten Weltkrieg, so der Rezensent beeindruckt. Holzer informiere nicht nur über die Bedingungen, unter denen die Aufnahmen entstanden sind - angebliche Gefechtsszenen entstanden beispielsweise auf Truppenübungsplätzen - er klärt auch über das jeweilige Kalkül der Propagandafotos auf. So wurden hingerichtete "Verräter" zu Abschreckungszwecken abgelichtet und im Gefecht getötete Feinde besonders abstoßend dargestellt, konstatiert Groebner. Für den Autor wirft der Zweite Weltkrieg in diesen Aufnahmen schon seine Schatten voraus und das gibt diesen Propagandafotos aus dem Ersten Weltkrieg zusätzlich eine beunruhigende "Mehrdeutigkeit", erklärt der beeindruckte Rezensent.

© Perlentaucher Medien GmbH