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Liebe geht durch den Magen. Essen macht nicht nur satt, sondern verbindet. In den Urgesellschaften war man miteinander verwandt, wenn man die tägliche Nahrung miteinander teilte und aus einer gemeinsamen Suppenschüssel aß. Noch heute spielt sich das Familienleben vorwiegend zwischen Herd, Kühlschrank und Tisch ab. Liebe und Küche, Leidenschaft und Kochen - wer würde diese Begriffe spontan zusammenbringen? Jean-Claude Kaufmann, einer der angesehensten und populärsten Soziologen Frankreichs, tut es. Kaufmann öffnet mit diesem Buch die Tür zu einem Lebensbereich, der auf den ersten Blick eher…mehr

Produktbeschreibung
Liebe geht durch den Magen. Essen macht nicht nur satt, sondern verbindet. In den Urgesellschaften war man miteinander verwandt, wenn man die tägliche Nahrung miteinander teilte und aus einer gemeinsamen Suppenschüssel aß. Noch heute spielt sich das Familienleben vorwiegend zwischen Herd, Kühlschrank und Tisch ab.
Liebe und Küche, Leidenschaft und Kochen - wer würde diese Begriffe spontan zusammenbringen? Jean-Claude Kaufmann, einer der angesehensten und populärsten Soziologen Frankreichs, tut es. Kaufmann öffnet mit diesem Buch die Tür zu einem Lebensbereich, der auf den ersten Blick eher marginal erscheinen mag. Die Küche ist nicht selten einer der kleineren Räume einer Wohnung, und es ist nicht unbedingt der Ort, an dem man sich besonders lange aufhält. Umso spannender ist es da, von Kaufmann zu erfahren, was das Kochen mit uns macht, wie es zu einem konstituierenden Element einer Partnerschaft, einer Familie werden kann.
Kaufmanns Untersuchung gründet sich - wie auch schon bei "Der Morgen danach" - auf Empirie. Er beobachtet Verhalten, Gespräche und Rituale bei Tisch und begleitet Esser in verschiedenen Lebensphasen und -situationen. Er wirft einen Blick hinter die Kulissen, nicht nur in Kühlschränke und Kochtöpfe, sondern vor allem in den Kopf des Kochs, der noch immer meist eine Köchin ist - und befragt ihn nach seinen Gewohnheiten. Wann wird gekocht? Wie unterscheidet sich das Kochen in der Woche von dem am Wochenende? Wer ist der Chef in der Küche? Und en passant liefert er auch gleich eine Kulturgeschichte des Kochens mit - "von den Holzöfen zu den Induktionskochfeldern".
"Kochende Leidenschaft" ist ein neuerlicher Beweis für Jean-Claude Kaufmanns außergewöhnliche Fähigkeit, wissenschaftliche Erkenntnis und Alltagswirklichkeit miteinander zu verbinden - spannend, unterhaltsam, lehrreich.
Autorenporträt
Jean-Claude Kaufmann ist verheiratet, hat zwei Kinder und lebt in der Bretagne. Er hat seine Laufbahn als Soziologe 1969 begonnen. Seit 1977 arbeitet er am Centre National de la Recherche Scientifique (CNRS), zunächst als Forschungsbeauftragter, seit 2000 als Forschungsdirektor. Er ist Mitglied des Centre de Recherche sur les Liens Sociaux (CERLIS), eines CNRS-Instituts der Universität Paris V Sorbonne, wo er auch lehrt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.08.2006

Familie ist dort, wo der Kochtopf steht
Jean-Claude Kaufmann beobachtet, wie sich Menschen am Herd und bei Tisch finden und verlieren

Feierabend, Füße hoch, Fernseher an. Das ist die gängige Beilage zur Tiefkühlpizza. Der gemeine Fertiggerichtexperte weiß zudem genau um die Temperatur, die die Pizza rechtzeitig zur nächsten Werbepause ins perfekte Verzehrstadium befördert. Das Verhaltensrezept unserer derart degenerierten Ernährungskultur hat Jean-Claude Kaufmann in der Studie "Kochende Leidenschaft" in seine einzelnen Zutaten zerlegt.

Kaufmanns Soziologie kreist um eine Theorie des Ich, die stark phänomenologisch ausgerichtet ist und anhand von Alltagssituationen - Wäschewaschen, Kochen - die Entstehung von Identität untersucht. Seine Bücher sind in der Regel sehr gut lesbar, weil sie - ohne methodologischen Schutt vor sich herzuschieben - dicht belegt und urteilsstark zur Sache kommen. Nur gelegentlich hat man den Eindruck, daß sie zu viel loses Material transportieren, wenn über lange Passagen Zitate von befragten Personen wiedergegeben werden. Wie in seiner Paarstudie "Singlefrau und Märchenprinz" fragt der Pariser Wissenschaftler auch in seiner "Soziologie vom Kochen und Essen" nach häuslichen Mechanismen der Vergesellschaftung. Er beobachtet, wie sich Menschen am Herd und bei Tisch finden und verlieren.

Wenn es zur stabilen Gewohnheit werde, so Kaufmann, während des Essens auf den Bildschirm zu starren, statt miteinander zu reden, dann erlange man nur schwer die Fähigkeit wieder zurück, miteinander zu sprechen. Die Mahlzeit, die Art, wie man am Tisch sitze, verliere so allmählich ihre Funktion als "Architekt des Familienlebens". Dann werde der Fernseher, vor dem man ißt, zu einem Gerät, das auffrißt. Das Gegenüber verkomme zum Nebeneinander.

Einfühlsam beschreibt der Autor den sozialen Wandel am Herd und bei Tisch, wenn das Haus nach dem Auszug der Kinder zum "leeren Nest" wird. "Der Rückblick auf die Zeit des Einsatzes für die Familie erstaunt die für das Kochen Verantwortliche ein bißchen. Wie hatte sie die dazu nötige Energie aufbringen können? Und warum hat sie die Last der Pflichten, die sie zu erledigen hatte, nicht mehr gespürt? Denn zu dem Zeitpunkt, als sie sich davon befreit (oder sich davon befreien möchte), scheinen sie ihr schwerer. Während sie weniger tut (oder tun möchte), kommt ihr dies paradoxerweise schwieriger vor."

Wie Mahlzeiten dem Familienleben Form verleihen oder ins Formlose treiben, das stellt der Feldforscher Kaufmann anhand von Interviews hier anschaulich heraus. Zwischen Eltern und Jugendlichen führe die Schlacht am Buffet zu immer neuen Auseinandersetzungen. Die neue "Kühlschrankkultur", in der sich jeder nimmt, was er am liebsten ißt, sei nur ein trügerischer Garant für die existentielle Leichtigkeit des Essens. Hier handele es sich vielmehr um ein mit dem Argument der Effizienz kaschiertes soziales Vermeidungsverhalten. Daß es statistisch insbesondere junge Mädchen sind, die es bei Tisch nicht lange aushalten und den "schnellen Happen" bevorzugen, hält Kaufmann offenbar für einen genetisch programmierten Tribut an die Emanzipationsgeschichte. Das Verhalten sei die Revanche für Jahrhunderte, in denen die Frauen an den Herd gefesselt waren.

Männer sind es, die ihnen auch heute wieder die Früchte der Freiheit vergiften - nein, nicht "die" Männer, sondern eine besondere Spezies Mann. Kaufmann nennt ihn den "Handlanger". Handlanger sind jene neuen Männer, die sich nicht mehr damit begnügen, am gedeckten Tisch Platz zu nehmen - "sie helfen ein bißchen". Damit machen sie freilich alles nur noch schlimmer. Weil die Frau jetzt nicht nur wie bisher die Arbeit hat, sondern dem Mann auch noch das schlechte Gewissen abgenommen ist. Die erstaunliche Überlebensfähigkeit des sogenannten "Ersatzspielers" bietet eine unbeabsichtigte Erklärung für die von Kaufmann beobachtete weite Verbreitung der Spezies "Singlefrau".

Das soziale Ringen um die Gaumenfreuden steht in einer langen Tradition. Diese schildert Kaufmann in seiner ebenso unterhaltsamen wie informativen Geschichte der Nahrungsmittel und der Mahlzeiten, die er seinen Fallstudien voranstellt. Ein lukullischer fait divers ist beispielsweise die Legende der Melone. Nach verbreiteter Vorstellung war die süße Frucht als kaltes Nahrungsmittel nützlich, um das sexuelle Feuer zu dämpfen. Gleichzeitig aber kursierte die Überzeugung, sie würde die Verdauungsverbrennung hemmen und müßte daher zusammen mit hitzesteigernden Gewürzen, Wein oder Wurst verzehrt werden. Daher stammten die noch heute existierenden Vorlieben, Melone mit Portwein in Frankreich oder mit Parmaschinken in Italien zu genießen.

Für Kaufmann steht Kochen am Ursprung der Zivilisation. Am Herd und bei Tisch schälen sich die frühesten Formen von Kultur heraus. Der Hungertrieb wird zur Eßkultur verfeinert. Hier werden die Bande der sozialen Routine geknüpft und gefestigt, die den Zusammenhalt stiften. Daß Kaufmann Vergesellschaftung durch die Vorgänge Einkaufen, Kochen und Essen bestimmt, ist natürlich auch eine Entlastungsstrategie. Das häusliche Miteinander soll versachlicht, von allzu intimen Ansprüchen befreit und damit erst ermöglicht werden. "Wie zu Zeiten der Urgesellschaften entsteht Verwandtschaft immer noch durch das Essen aus einer gemeinsamen Suppenschüssel, dadurch, daß man Tag für Tag die Nahrung miteinander teilt", heißt es lapidar. Familienleben ist auch Handwerk, das um eine Sache kreist: täglich neu um eine Suppenschüssel.

FRANZISKA BOSSY

Jean-Claude Kaufmann: "Kochende Leidenschaft". Soziologie vom Kochen und Essen. Aus dem Französischen übersetzt von Anke Beck. UVK Verlagsgesellschaft, Konstanz 2006. 372 S., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Jean-Claude Kaufmanns soziologische Betrachtungen des Kochens und Essens scheinen Gerhard Neumann überaus instruktiv. Die Lektüre hat ihn eine Menge über die Ordnungsgeschichte von Nahrungsmitteln gelehrt, die wechselnden Funktionen von Mahlzeiten in der Kultur und vor allem über die Rolle des Kochens und Essens für die Konstruktion familiärer Strukturen und die Ausbildung des modernen Subjekts. Die alltägliche Praxis des Koches wird für Neumann verständlich als Form kultureller Sinnerzeugung, die in eine höchst komplexe Welt von Entscheidung führt: Auswahl von Lebensmitteln, Sonderangebote, Zeitmanagement. Allerdings vermisst Neumann eine Erläuterung der Kriterien für die Auswahl der Testpersonen, mit denen Kaufmann Gespräche führte, sowie die Angaben literarischer Quellen. Zudem moniert er die zahlreichen Fehler in der Übersetzung, die vom mangelnden Lektorat zeugen. Dafür sieht er sich entschädigt durch eine Vielzahl "amüsanter Geschichten" über die Widersprüchlichkeiten unseres Koch- und Essverhaltens.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Fundiert und nah an der Alltagswirklichkeit erkennt der Autor das Ritual des gemeinsamen Essens als verbindendes Element in Familie und Partnerschaft. Ein lehrreicher Blick in den Kopf des Kochs - und nebenbei wird die Kulturgeschichte des Kochens beleuchtet." www.emotion.de "In Kaufmanns Soziologie sind die Beobachtungen, die durch die Interviews auch mit Empirie unterfüttert sind, mehr als eine Sättigungsbeilage. Auch wenn Kaufmanns saloppe, gut lesbare und manchmal auch ironisch-witzige Studie in der Leichtigkeit einer Sommerspeise daherkommt, geht es ihm doch ums gesellschaftliche Ganze." Frankfurter Rundschau "Kaufmanns Buch ist absolut überzeugend." diepresse.com "Der Autor ist ein guter Erzähler und hat sein Werk verdaulich angerichtet - mit subtilem Humor und Einfühlungsvermögen!" umwelt + bildung "Das Buch gibt einen unterhaltsamen, anschaulichen und auch zum Nachdenken anregenden Einblick in die nicht zu erSetzende Bedeutung des Kochens und Essens für die soziale Gemeinschaft - und dem, was wir gerade daraus machen." Haushalt + Bildung "Die sensibel analysierten Interviews mit nur 22 Personen verschiedenster sozialer Schichten und Altersgruppen belegen Kaufmanns Thesen glaubwürdig und nachvollziehbar." Spectrum "Fazit: Ein wunderbar geschriebenes und bei alledem wissenschaftliches Buch, das einem Appetit macht, mit Genuss und Geist zu kochen und zu essen." die Stütze "Bei dieser Veröffentlichung handelt es sich um kein Fachbuch über richtige Ernährung und Essenszubereitung, sondern, und das ist erfreulich, um eine Erzählung mit zahlreichen Geschichten über die Geschichte des Kochens und Essens. Kaufmanns Blick hinter die Kulissen von stilisierten Traditionen und der Unaufgeräumtheit von Küchen amüsiert und trifft zugleich; vielleicht hilft er sogar, bei unseren Essensgewohnheiten einen Perspektivenwechsel zu vollziehen; hin zu mehr Genuss und Wohlbefinden!" www.socialnet.de "Scharfsinnig und höchst interessant beschreibt Kaufmann die Ambivalenz zwischen Genuss und Enthaltsamkeit, zwischen Trunkenheit und Abstinenz im religiösen Kontext." Psychologie Heute Kaufmanns Ziel ist, aufschlussreich zu dokumentieren, was genau beim Kochen und Essen geschieht. Es ist ihm gelungen, Alltag und Wissenschaft interessant miteinander zu kombinieren sowie neben seiner Analyse den kulturgeschichtlichen Hintergrund des Kochens zu liefern. Seine Beschreibungen der kulinarischen Welt sind sehr detailliert, manchmal ironisch aber stets unterhaltsam, durch Beispiele illustriert und mit zahlreichen Quellenangaben versehen. Ein lesenswertes Buch - nicht nur für Chefköche. (buch-pr.de, 22.05.2007) Wer sich für die sich anbahnenden Entwicklungen in unserer Gesellschaft interessiert und diese an den konkreten Verhaltensweisen und Ritualen des Lebensbereiches Essen festmachen möchte, findet mit diesem Buch eine unterhaltsame und lehrreiche Lektüre. (index, 03/2007) "Kochende Leidenschaft" ist ein neuerlicher Beweis für Jean-Claude Kaufmanns außergewöhnliche Fähigkeit, wissenschaftliche Erkenntnis und Alltagswirklichkeit miteinander zu verbinden - spannend, unterhaltsam, lehrreich. (umweltjournal.de, 27.10.2010)…mehr