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Die Folgen der Teilung Deutschlands in Ost und West sind nach wie vor spürbar. Auch im Film und seiner Darstellung. Es gibt zwar separate Geschichten des Films in der DDR und BRD, aber keine vergleichende gesamtdeutsche Version, die die in film- und zeitgeschichtlicher Hinsicht bedeutsamen Dokumentar- und Spielfilme der DEFA angemessen berücksichtigt. Eine angemessene Gesamtsicht leistet auch dieser Band nicht. Er dokumentiert zwei Tagungen zu Aspekten der deutsch-deutschen Filmgeschichte, denen bislang zu wenig Aufmerksamkeit zukam. Während es bei "Erbauer der Zukunft - Zum Bild der…mehr

Produktbeschreibung
Die Folgen der Teilung Deutschlands in Ost und West sind nach wie vor spürbar. Auch im Film und seiner Darstellung. Es gibt zwar separate Geschichten des Films in der DDR und BRD, aber keine vergleichende gesamtdeutsche Version, die die in film- und zeitgeschichtlicher Hinsicht bedeutsamen Dokumentar- und Spielfilme der DEFA angemessen berücksichtigt. Eine angemessene Gesamtsicht leistet auch dieser Band nicht. Er dokumentiert zwei Tagungen zu Aspekten der deutsch-deutschen Filmgeschichte, denen bislang zu wenig Aufmerksamkeit zukam. Während es bei "Erbauer der Zukunft - Zum Bild der Arbeiterklasse im DEFA-Film" um die Veränderungen geht, die die Darstellung von Arbeitern und Arbeitswelt in der SBZ/DDR erfahren hat, konzentrieren sich die Beiträge von "Die Spaltung der Bilder - Dokumentarfilm und deutsche Zeitgeschichte Ost-West" auf den Vergleich ost- und westdeutscher Gesellschafts- und Geschichtsdarstellungen in dokumentarischen Filmen von der Nachkriegszeit bis zur Wiedervereinigung.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.03.2001

Die Entdeckung des Alltags
Ost- und westdeutscher Film im kritischen Vergleich

Ein Hort des Bösen waren die Defa-Studios in Potsdam und Berlin nicht, sondern - vereinfacht gesagt - das spiegelverkehrte Pendant der westdeutschen Kinoproduktion. Nirgends zeigte sich dies so deutlich wie beim Dokumentarfilm: In den fünfziger Jahren, als man dem Höhepunkt des Kalten Krieges zustrebte, verfielen beide Seiten in aggressive Polemik gegeneinander. Später, seit den Siebzigern, waren die jungen Regisseure im Osten wie ihre westdeutschen Kollegen vor allem an Bildern und Geschichten aus dem Alltag interessiert. Die "Entlarvung des Gegners" sank zum Hauptgeschäft einiger unverbesserlicher Propagandafilmer der Defa herab.

Wesentliche Unterschiede blieben freilich. Während im Westen Klaus Wildenhahn und Peter Nestler, der bald resigniert nach Schweden emigrierte, ebenso intensiv wie polemisch Konflikte der Arbeitswelt herausstellten, hielten im Osten Karl Gass, Volker Koepp oder Winfried Junge an der Lösbarkeit der immer bedrängenderen Probleme fest - und dies nahezu bis zum Ende der DDR.

Wilhelm Roth, einer der besten Kenner des deutschen Dokumentarfilms, Chefredakteur von "epd-film", hat diese erfreuliche Annäherung auf einer Tagung dargestellt, die im Herbst 1998 in Berlin stattfand: "Die Spaltung der Bilder. Dokumentarfilm und deutsche Zeitgeschichte Ost-West". Ihre Ergebnisse können nun in dem Band "Der geteilte Himmel. Arbeit, Alltag und Geschichte im ost- und westdeutschen Film" nachgelesen werden. Veranstalter war das Haus des Dokumentarfilms in Stuttgart. Dessen wissenschaftlicher Leiter, Peter Zimmermann, erinnerte an die Instrumentalisierung des Antifaschismus in der DDR. Während propagandistische Defa-Filme, nicht zuletzt um die Bundesrepublik zu diskreditieren, die Verbindungen zwischen Nationalsozialismus, Großbanken und Schwerindustrie zu einem Hauptthema erhoben, verschonten sie den kleinen Mann im eigenen Land mit Erinnerungen an seine Mittäterschaft und sein Mitläufertum. Die Bevölkerung der DDR wurde so pauschal zum Erben des Antifaschismus erklärt, der sich für Holocaust und Antisemitismus nicht zuständig weiß. Die autoritären Denkmuster brauchten nur die Flagge zu wechseln, was "für die Etablierung der SED-Diktatur durchaus willkommen" war.

Von braunen Flecken auf roten Fahnen berichtete auch der Filmsoziologe Dieter Wiedemann auf der fast zeitgleichen Tagung "Erbauer der Zukunft. Zum Bild der Arbeiterklasse im Defa-Film", zu der die Arbeitsstelle "Defa-Filme als Quellen von Politik und Kultur der DDR" an die Universität Oldenburg eingeladen hatte und deren Referate den zweiten Teil des voluminösen Bandes bilden. Bei empirischen Untersuchungen der Rezeption von Spielfilmen über den Zweiten Weltkrieg fiel spätestens in den achtziger Jahren die Sympathie mancher angeblich antifaschistisch erzogener Jugendlicher für Figuren der Wehrmacht und SS auf. Außerdem fanden viele Zuschauer es nicht richtig, daß ein Deutscher in der Uniform der Roten Armee (Konrad Wolfs Alter ego Gregor im Film "Ich war 19") gegen Nazi-Deutschland kämpfte. Im übrigen entzogen sich die meisten Kinogänger nicht nur ideologielastigen Defa-Filmen oder ähnlichen Werken aus der Sowjetunion, sondern zeigten auch an realistischen Versuchen der Defa wenig Interesse. Unterhaltungsstücke wie die amerikanische Superproduktion "Plattfuß am Nil" rangierten deutlich vor Defa-Filmen mit vorsichtiger Kritik am Realsozialismus. So saß man dort bald zwischen allen Stühlen.

Während die vom Haus des Dokumentarfilms ausgerichtete Berliner Tagung Vorarbeiten zu einer Geschichte des deutschen Dokumentarfilms leistete, scheint sich das Oldenburger Kolloquium im Sammeln von Ansichten erschöpft zu haben. Der aus dem Arsenal der DDR übernommene Begriff "Arbeiterklasse" blieb ungeprüft, gemeint war die Vorliebe zur Darstellung "einfacher Menschen". Das theoretisch überlastige Referat des einzigen Oldenburger Redners Klaus Finke aber häufte einen Totalitarismus-Vorwurf auf die Defa, dem die Gäste aus den neuen Bundesländern leicht widersprechen konnten. Nicht zuletzt die rigorosen Eingriffe von oben, die im Jahre 1965 im Verbot fast einer gesamten Jahresproduktion gipfelten, zeugte von der Renitenz zwar nicht aller, aber doch vieler Regisseure, Autoren und Dramaturgen.

Eine von Autoren aus Ost und West gemeinsam geschriebene Geschichte des deutschen Spielfilms nach 1945 scheint noch längst nicht in Sicht. Um so erfreulicher sind die Arbeitsschritte auf dem Gebiet des Dokumentarfilms, wo auch in der Praxis zusammenwächst, "was zusammengehört".

HANS-JÖRG ROTHER

Peter Zimmermann und Gebhard Moldenhauer (Hrsg.): "Der geteilte Himmel". Arbeit, Alltag und Geschichte im ost- und westdeutschen Film. UVK Medien, Konstanz 2000. 454 S. , geb., Abb., 58,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Hans-Jörg Rother erläutert zunächst, dass die Beiträge dieses Bandes aus zwei Tagungen in Berlin und Oldenburg zum deutschen Dokumentarfilm hervorgegangen sind, wobei der Rezensent diejenigen Texte hervorhebt, die sich mit den Dokumentarfilmen in der DDR befassen. Interessant scheinen ihm dabei vor allem die Beobachtungen Peter Zimmermanns und Dieter Wiedemanns, die sich mit dem vorgeblichen Antifaschismus in Dokumentarfilmen der DDR befassen (und in denen gleichzeitig anti-westliche Propaganda betrieben wird) sowie der Beobachtung, dass es schon in den achtziger Jahren bei Jugendlichen Sympathie für Wehrmacht und SS aufgefallen ist. Summa summarum fällt nach Rother das Ergebnis der Oldenburger Tagung jedoch ernüchternd aus: Hier habe man sich großenteils auf das "Sammeln von Ansichten" beschränkt und Begriffe wie `Arbeiterklasse` ohne Hinterfragung übernommen. Auch dem Totalitarismus-Vorwurf des Oldenburger Redners Klaus Finke an die Defa kann sich Rother nicht anschließen, denn schließlich wurde nicht ohne Grund fast die gesamte Produktion von 1965 eingestampft, was immerhin auf eine gewisse "Renitenz" so mancher Filmemacher hinweise. Insgesamt zeigt der Band nach Rother jedoch, dass zumindest auf dem Gebiet des Dokumentarfilms nun "zusammenwächst, `was zusammengehört`".

© Perlentaucher Medien GmbH
Die Aufsätze sind alle interessant und belegen die Notwendigkeit intensiverer systematischer Forschung an filmischen und schriftlichen Quellen." (Publizistik 2/2001) Der Sammelband könnte dazu beitragen, jüngere Forscher für den Gegenstand zu interessieren. Das wird nötig sein, denn institutionell ist das Forschungsgebiet nur bescheiden abgesichert. Personen- und Titelregister sowie zahlreiche Szenenfotos machen den Band nützlich für Recherchen zu einzelnen Filmen. (Medienwissenschaft, (02/2001)