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Ein Lehrstück über Zivilcourage und Widerstand im Dritten Reich
Was wäre gewesen, wenn? Wenn Beamte sich den Dienstanweisungen zur Durchführung der "Endlösung" verweigert hätten? Wenn politische und geistliche Verantwortungsträger die Verfolgten als Mitbürger und nicht als "die Juden" betrachtet hätten? Wenn Menschen im Haus nebenan und dem Nachbarland Zivilcourage ausnahmslos höher geschätzt hätten als ihre eigene Sicherheit?
In Dänemark - am 1. Oktober 1943 - war das Unmögliche für einen kurzen und in der Geschichte des Zweiten Weltkriegs beispiellosen Moment möglich. Ein deutscher
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Produktbeschreibung
Ein Lehrstück über Zivilcourage und Widerstand im Dritten Reich

Was wäre gewesen, wenn? Wenn Beamte sich den Dienstanweisungen zur Durchführung der "Endlösung" verweigert hätten? Wenn politische und geistliche Verantwortungsträger die Verfolgten als Mitbürger und nicht als "die Juden" betrachtet hätten? Wenn Menschen im Haus nebenan und dem Nachbarland Zivilcourage ausnahmslos höher geschätzt hätten als ihre eigene Sicherheit?

In Dänemark - am 1. Oktober 1943 - war das Unmögliche für einen kurzen und in der Geschichte des Zweiten Weltkriegs beispiellosen Moment möglich. Ein deutscher Diplomat verriet die Order zur Deportation der jüdischen Dänen und Flüchtlinge, kirchliche Gemeinden verbreiteten die Warnung wie ein Lauffeuer, im Nachbarland Schweden bereitete man sich - vom Ministerpräsidenten bis zum einfachen Ferienhausbesitzer - auf die Ankunft Tausender Flüchtlinge vor, unzählige Menschen halfen dabei, ihren Mitmenschen diese Flucht zu ermöglichen, und deutsche Wachsoldaten schauten weg. So konnten sich über neunzig Prozent der Juden in Dänemark in Sicherheit bringen.

Die Flucht der dänischen Juden, von Beobachtern, Historikern und Überlebenden als "Wunder", "Zeichen von Größe" und "einmaliger Vorgang in der Geschichte der ,Endlösung'" beschrieben, ist ein von der deutschen Öffentlichkeit kaum beachtetes Stück Zeitgeschichte. Und ein bewegendes Zeugnis davon, was hätte sein können.

Autorenporträt
Bo Lidegaard, geboren 1958 auf Grönland, ist dänischer Diplomat, Politiker, Schriftsteller und Journalist, nach Beendigung seiner diplomatischen Laufbahn seit 2011 Chefredakteur der Tageszeitung Politiken. Nach seinem Geschichtsstudium war er für Dänemark u.a. in der Königlichen Bibliothek in Kopenhagen, dem Außenministerium, der UNESCO, den Vereinten Nationen und der Botschaft in Frankreich tätig. Er veröffentlichte zahlreiche Fachbücher, für die er u.a. mit dem Søren-Gyldendal-Preis ausgezeichnet wurde. Darüber hinaus wurde er 2004 Ritter Erster Klasse des Dannebrog-Ordens.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.04.2014

Als sich Eichmann ärgerte ...
Werner Best, Georg Ferdinand Duckwitz und die Rettung der dänischen Juden 1943

Die Rettung der dänischen Juden ist ein Lehrstück über das Retten von Menschen in totalitären Systemen. Der Diplomat, Schriftsteller und Journalist Bo Lidegaard entfaltet vor uns das Panorama dieser Rettung, an der viele mitwirken sollten, in seinem mit zahlreichen ausführlichen Quellen und Tagebuchpassagen unterfütterten Band. Im Fokus stehen zwei Wochen im Herbst 1943 - der Scheitelpunkt der deutschen Besatzungsherrschaft. Nach der Zunahme von Sabotageakten und Streiks hat der deutsche Wehrmachtbefehlshaber General von Hanneken am 29. August den Ausnahmezustand verhängt, dänisches Heer und Marine aufgelöst, Internierungen verfügt. Die Zeit der reibungsarmen deutsch-dänischen Kooperations- und Kollaborationspolitik - Reichskommissar Terboven im benachbarten Norwegen spricht verächtlich von der "Schlagsahnefront" in Dänemark - geht zu Ende. Die Regierung von Ministerpräsident Scavenius tritt zurück, beamtete Staatssekretäre amtieren geschäftsführend. Jetzt regt der Reichsbevollmächtigte in Dänemark, SS-Gruppenführer Werner Best, ein hoher SS-Führer mit Diplomatenpass, in Berlin an, das Land "judenfrei" zu machen.

Es beginnt in Kopenhagen auf deutscher Seite ein seltsames Doppelspiel, nachdem Hitler Mitte September grünes Licht gegeben hat. Beteiligt sind Best sowie der zweite Mann an der Gesandtschaft, SS-Brigadeführer Paul Kanstein, und auch der Schifffahrtssachverständige Georg Ferdinand Duckwitz. Dieser warnt über den Sozialdemokraten Hans Hedtoft die jüdische Gemeinde, reist - vermutlich mit Billigung und Rückendeckung von Best, der in der Folgezeit schützend die Hand über ihn hält - nach Stockholm, trifft den schwedischen Ministerpräsidenten Hansson, trägt zusammen mit befreundeten dänischen und schwedischen Diplomaten dazu bei, dass das neutrale Schweden seine Grenzen für die dänischen Flüchtlinge großzügig öffnet. Über die deutschen Motive kann man nur spekulieren. Soll ein dänischer Aufstand, ein Massaker vermieden werden? Sollen die Nahrungsmittel- und Erzlieferungen ins Reich gesichert bleiben? Geht es um eine Kursrevision zur Sicherung der eigenen Existenz, weil der Krieg verloren ist?

Fest steht: Die "Judenaktion" vom 1. auf den 2. Oktober 1943 - es ist Sabbat und jüdisches Neujahrsfest - wird zum Fiasko. "Nur" rund 500 Menschen werden verhaftet, nach Theresienstadt deportiert. "Nur" fünfzig von ihnen werden nicht zurückkommen - so wenige sind es in keinem anderen von deutschen Truppen besetzten Land, was auch damit zusammenhängt, dass die dänische Regierung unbeirrt an der Unversehrtheit ihrer Staatsbürger festhielt und so deren Weitertransport nach Auschwitz verhindert. Der Judenreferent des Reichssicherheitshauptamtes, Adolf Eichmann, beschwert sich jedenfalls schon am 6. Oktober 1943 beim Judenreferenten des Auswärtigen Amtes, Eberhard von Thadden, die Aktion in Dänemark habe "zu einem Misserfolg geführt", weil "durch Polizeikräfte vieles durchgesickert" sei, weil Best "zudem angeordnet habe, es dürfen keine Wohnungen aufgebrochen werden; man habe nur diejenigen Juden festnehmen können, die freiwillig geöffnet hätten. Ferner habe der Militärbefehlshaber sich geweigert, die Verordnung über die Meldepflicht von Juden zu erlassen".

Von solchen Friktionen innerhalb der deutschen Besatzungsmacht ahnen diejenigen mehr als siebentausend nichts, die jetzt überhastet und unvorbereitet flüchten müssen, die rasch in leeren Strandhäusern, Kirchen, Schulen, Krankenhäusern, aber auch beim Fleischer Unterschlupf suchen - und finden. Bo Lidegaard breitet eine Vielzahl von Schicksalen vor uns aus. Alle wollen zum Meer, wollen übersetzen nach Schweden. Sie alle sind angewiesen auf die spontane, improvisierte Hilfsbereitschaft ihrer dänischen Mitbürger. Ja, es gibt auch Verrat, gibt Durchsuchungen und Razzien, gibt fanatische Juden-Jäger wie "Gestapo-Juhl". Aber die Solidarität überwiegt. Rassenhass und -ausgrenzung haben in Dänemark keine Chance. Und viele deutsche Soldaten, viele Feldpolizisten schauen weg, "übersehen" die überfüllten Eisenbahnwaggons, die vollen Bahnsteige.

Hinter den Kulissen ringen die dänischen Offiziellen mit der Besatzungsmacht, bieten sogar an, eigene Internierungslager zu errichten, um nur ja keine Deportationen hinnehmen zu müssen. Sie lassen sich ein Stück weit ein auf den deutschen Rassenwahn, indem sie früh von Best die Zusage einhandeln, dass "Halb- und Vierteljuden" und "Volljuden in Mischehen" nicht deportiert werden würden. Dafür - überhaupt für ihre Kooperationspolitik - wurden die beteiligten dänischen Politiker nach dem Kriege geächtet. Werner Best wurde 1948 in Kopenhagen zum Tode verurteilt, aber bald darauf begnadigt.

Georg Ferdinand Duckwitz wird 1967 von Willy Brandt aus dem Ruhestand geholt, zum Staatssekretär des Auswärtigen Amts ernannt und zum Verhandlungsführer in Warschau bestimmt. 1971 wird er in Yad Vashem als "Gerechter unter den Völkern" ausgezeichnet durch Gideon Hausner, den Ankläger Eichmanns in Jerusalem. Den entscheidenden Hinweis zu dieser Ehrung wie zur Verhaftung Eichmanns soll Fritz Bauer gegeben haben, der auch die Weichen für den Frankfurter Auschwitzprozess gestellt hat. Bauer war 1937 nach Dänemark emigriert - und im Herbst 1943 nach der Warnung von Duckwitz über die Ostsee nach Schweden entkommen.

DANIEL KOERFER

Bo Lidegaard: Die Ausnahme. Oktober 1943: Wie die dänischen Juden mithilfe ihrer Mitbürger der Vernichtung entkamen. Karl Blessing Verlag, München 2013. 591 S., 24,99 [Euro].

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"Es ist ein Sachbuch gewiss, doch spannend wie ein Thriller." Christiane Weber, Thüringische Landeszeitung

Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Die Rettung der dänischen Juden ist ein einzigartiges Kapitel in der Geschichte des Nationalsozialismus: Frühzeitig von der drohenden Deportation informiert, haben die Dänen ihre jüdische Mitbürger quasi über Nacht und über den Öresund nach Schweden in Sicherheit vor den deutschen Besatzern gebracht. Bo Lidegaard, Historiker und Chefredakteur der Zeitung "Politiken", schildert dieses Kapitel in seinem Buch "Die Ausnahme" ausführlich und anhand neu erschlossener Quellen. Rezensent Reinhard Wolff trägt zunächst einmal viele Kritikpunkte zusammen, die vor allem der innerdänischen Diskussion entspringen, ob die Dänen nun wirklich in so positivem Licht gesehen werden können. Wolff verweist auf problematische Aspekte der "Friedensokkupation" und will nicht ganz gelten lassen, dass Dänemark sich als "humanistische Nation" konstituiert habe. Dennoch findet er das Buch lesenswert, die Schilderung bewegend und die aufgeworfenen Fragen allesamt wichtig.

© Perlentaucher Medien GmbH