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Es war nicht das Wohl seines Volkes, das Mao Tse-tung, dem Großen Vorsitzenden der Volksrepublik China, am Herzen lag. Es war auch nicht die kommunistische Ideologie, obwohl er ihren weltweiten Sieg anstrebte. Das Motiv von Maos Handeln war ausschließlich und zu jeder Zeit sein absoluter Wille zur Macht. Ob auf persönlicher, auf nationaler, auf internationaler Ebene - sein Machthunger war grenzenlos. Mao Tse-tung hat nicht alle, aber viele seiner Ziele erreicht, und China hat teuer dafür bezahlt: mit dem Leben von 70 Millionen Menschen.
Kein Buch über China hat je mehr Leser und Anhänger
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Produktbeschreibung
Es war nicht das Wohl seines Volkes, das Mao Tse-tung, dem Großen Vorsitzenden der Volksrepublik China, am Herzen lag. Es war auch nicht die kommunistische Ideologie, obwohl er ihren weltweiten Sieg anstrebte. Das Motiv von Maos Handeln war ausschließlich und zu jeder Zeit sein absoluter Wille zur Macht. Ob auf persönlicher, auf nationaler, auf internationaler Ebene - sein Machthunger war grenzenlos. Mao Tse-tung hat nicht alle, aber viele seiner Ziele erreicht, und China hat teuer dafür bezahlt: mit dem Leben von 70 Millionen Menschen.

Kein Buch über China hat je mehr Leser und Anhänger gefunden als Jung Changs Erinnerungsbuch WILDE SCHWÄNE, das in 30 Sprachen übersetzt und zehn Millionen Mal verkauft wurde. Jetzt erscheint ihr lang erwartetesneues Werk - eine bahnbrechende Biographie über Mao Tse-tung, den Mann, dem es gelang, sich auf vielfach gewundenen Pfaden zum Alleinherrscher über Hunderte Millionen Menschen aufzuschwingen.

Jung Chang hat die letzten zwölf Jahre damit v
Autorenporträt
Jung Chang geboren 1952 in China, verheiratet mit dem britischen Historiker Jon Halliday, lebt seit 1978 in London. Für ihr Buch WILDE SCHWÄNE, das in über 12 Ländern auf Platz 1 der Bestsellerlisten stand, errang sie zahlreiche Preise.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.10.2005

Großer Sprung und Langer Marsch
Mao Tse-tung gab den Chinesen ein neues Nationalbewußtsein und raubte siebzig Millionen Menschen das Leben / Von Petra Kolonko

Mao Tse-tung war ein Diktator - und ebenso brutal oder schlimmer noch als Hitler und Stalin. Dies wagten chinesische Intellektuelle erstmals laut während der Demokratiebewegung des Jahres 1989 zu sagen. Damals machten einige Dissidenten die großen Rechnungen auf, zählten die Opfer seiner Revolution, seiner Kampagnen, seiner Intrigen und seiner katastrophalen Wirtschaftspolitik zusammen. Über vierzig Millionen kamen zusammen. Im heutigen China des Kaderkapitalismus ist all das kein Thema mehr. Die Partei hat Mao zur Ikone stilisiert, sein Bild prangt auf Chinas Geldscheinen und über dem Tor des Himmlischen Friedens. Aufbegehren gegen das kollektive Vergessen und und staatlich geförderte Verdrängen gibt es nur noch außerhalb der Volksrepublik.

Jung Chang, die seit vielen Jahren in England lebt, hat bereits mit ihrem Roman "Wilde Schwäne" ein düsteres Bild von Chinas jüngster Geschichte gezeichnet. In ihrer detailreichen Mao-Biographie porträtiert sie - unterstützt von ihrem Ehemann, dem britischen Publizisten und Historiker Jon Halliday - jetzt den Gründer der Volksrepublik als skrupellosen Machtpolitiker, der nicht nur den Tod von Millionen bewußt in Kauf nahm, sondern auch gegenüber seiner Familie, seinen Kampfgenossen und Verbündeten eine grausame Herzlosigkeit an den Tag legte. Der Mann, dessen Leichnam noch immer in einem Mausoleum im Zentrum Pekings auf dem Platz des Himmlischen Friedens aufgebahrt ist, erscheint aus dieser Biographie als ein kalter Intrigant, der nicht einmal in seinen Beziehungen zu seinen Frauen und Kindern menschliche Anwandlungen zeigte. Weder als Revolutionär noch als Staatsmann noch als Privatperson war für ihn anderes entscheidend als die absolute Macht und ihr Erhalt.

Viele von Maos Verbrechen, die gleichzeitig die der Kommunistischen Partei sind, wurden schon dokumentiert. Auch zu Mao Tse-tung gibt es eine Reihe von Einzelstudien, die sich auf neue Quellen und Dokumentationen in China stützen. Jung Chang und ihr Ehemann und Ko-Autor Jon Halliday haben darüber hinaus in den elf Jahren der Recherchen für ihr Buch zahlreiche Interviews mit alten Kampfgenossen und Zeitzeugen in China führen können. Das gibt ihrer Dokumentation eine Lebendigkeit und Dichte, die sie von anderen Darstellungen abhebt. Der Auflistung der Opfer mußten sie am Ende dreißig Millionen hinzufügen: siebzig Millionen Menschenleben hat Maos lange Herrschaft über China gekostet.

Nachdem Mao nach dem Ende des Bürgerkrieges im Jahr 1949 die kommunistische Volksrepublik ausgerufen hatte, ging das Blutvergießen über Jahrzehnte weiter. Während der "Bodenreform" wurden Hunderttausende von Landbesitzern drangsaliert und hingerichtet. Als Repräsentanten des alten Systems galten sie als Ausbeuter, ihr Land wurde ihnen genommen und an Kollektive verteilt. Dann verfügte Mao, der von Wirtschaft nichts verstand und auf seine Berater nicht hören wollte, daß China in wenigen Jahren den Entwicklungsstand von Großbritannien erreichen sollte. Der "Große Sprung nach vorn" wurde ausgerufen, die Bauern in Kommunen gezwungen und überall im Land mußten Hochöfen gebaut werden, in denen bis zur letzten Bratpfanne alles Metall eingeschmolzen wurde. Der "Große Sprung" führte zu einer Hungersnot, in der achtunddreißig Millionen Menschen umkamen. Jung Chang zeigt, daß Mao die katastrophalen Auswirkungen seiner Politik kannte, sie bewußt in Kauf nahm. "Es kann sein, daß die Hälfte der Chinesen sterben muß", konstatierte er ungerührt.

Gerade hatte sich das Land vom "Großen Sprung" erholt, entfachte Mao die nächste Massenkampagne. Er rief zur "Großen Proletarischen Kulturrevolution" auf. Mao zettelte die landesweite Rebellion der Roten Garden an, um sich seiner Gegner in der Partei zu entledigen. Wiederum wurden Millionen getötet, in den Selbstmord getrieben, verschwanden Millionen in Arbeitslagern und Gefängnissen. Selbst hohe Parteiführer und Weggefährten Maos wie der frühere Staatspräsident Liu Shaoqi wurden zu Tode gequält. Seinem engsten Mitarbeiter und Vertrauten, dem Ministerpräsidenten Zhou Enlai, verweigerte Mao lange Zeit eine Krebsbehandlung, weil er ihn in der aktiven Politik brauchte. Zahllose Kulturgüter wurden unwiederbringlich zerstört. Die wirtschaftliche Entwicklung Chinas wurde um Jahrzehnte zurückgeworfen.

Auch Maos diplomatische Meisterleistung, die Anerkennung durch die Vereinigten Staaten zu erreichen und sie zum Verbündeten gegen die Sowjetunion zu machen, mußte die chinesische Bevölkerung teuer bezahlen. Weil Mao sich von da an als Führer der Weltrevolution fühlte, zahlte das arme China in den Jahren 1973 bis 1976 Entwicklungshilfe, teilweise an Staaten, die reicher als es selbst waren. 6,7 Prozent des Bruttosozialproduktes wurden dafür ausgegeben, während die chinesische Bevölkerung wiederum hungern mußte.

Details aus Maos Privatleben hat vor einigen Jahren schon Maos Leibarzt Li Zhisui in seinem in Amerika veröffentlichten Buch enthüllt. Auch Jung Chang kennt die Geschichten von den jungen Mädchen, die sich der alte Mao in sein Bett bringen ließ - im Buch werden sie in einer mißlungenen Übersetzung als "Freundinnen" bezeichnet. Mao wusch sich nicht und putzte sich nicht die Zähne. Er konnte nur mit Schlaftabletten schlafen und schlief dann manchmal während des Essens ein, so daß die Untergebenen ihm noch das Essen aus dem Mund holen mußten. Es gab vier Ehefrauen, die wenig Freundlichkeit erfuhren. Maos zweite Frau Yang Kaihui, deren flehentliche Liebesbriefe an Mao zu den anrührendsten Dokumenten des Buches zählen, wurde von den Truppen der Nationalisten gefaßt und hingerichtet. Jung Chang hat rekonstruiert, daß Mao seine Frau und Mutter seiner beiden Söhne hätte retten können, er war in der Nähe und hätte sie vor dem Angriff zumindest warnen können. Seine dritte Frau mußte Mao auf dem Langen Marsch folgen, sie wurde während des Zuges zweimal schwanger und mußte unterwegs zwei Neugeborene bei Bauern zurücklassen, sie fand sie nie wieder - Mao kümmerte auch das nicht. Selbst seine letzte Frau, die zeitweise mächtige Jiang Qing, wurde schließlich sein Opfer. Als Kopf der "Viererbande" wurde sie für eine Politik zum Tode verurteilt, die Mao anzulasten war.

Noch lange danach ließen sich viele auch im Westen von der chinesischen Hagiographie täuschen. In den sechziger und siebziger Jahren schwenkten Studenten in Amerika und Westeuropa die Mao-Bibel und rezitierten die Worte des Großen Vorsitzenden. Auch wenn der Maoismus in den achtziger Jahren aus der Mode kam, so blieb doch eine Verehrung für Mao. Noch immer hält sich der Mythos, daß die Bauern in ganz China die Kommunisten als Befreier begrüßten, noch immer der Mythos der Kulturrevolution als einer spontanen Revolution der Jugend. Der Lange Marsch der Kommunisten während des Bürgerkrieges gilt immer noch als militärische Meisterleistung.

Sogar diesen letzten Mythos zerstört Jung Chang. Sie hat recherchiert, daß der Lange Marsch, der die Kommunisten vor einer Niederlage im Bürgerkrieg rettete, ein großer Bluff war. In Wirklichkeit, so fand Jung Chang nach Quellenstudium und vielen Interviews heraus, ließen die Nationalisten unter Chiang Kai-shek die Kommunisten absichtlich ziehen. Chiang Kai-shek hätte während des Langen Marsches die Kommunisten vernichten können, er tat es nicht, weil sein Sohn damals eine Geisel in der Hand der Sowjets war. Eine der meistbeschriebenen Episoden der kommunistischen Geschichtsschreibung, der heldenhafte Kampf um die Überquerung des Dadu-Flusses während des Langen Marsches, hat nie stattgefunden.

Jung Changs Biographie bietet viele neue Informationen für die Geschichte von Chinas Kommunisten. Die einzelnen Kapitel stehen für sich und lassen sich trotz der Fülle des Materials gut lesen, doch fehlt eine abschließende Würdigung oder eine wegweisende Einleitung. Unterschiedliche Schreibweisen der chinesischen Namen stellen eine unnötige Irritation für den Leser dar. In der Auswertung der vielen Interviews haben die beiden Autoren nicht immer persönliche Hintergründe oder Interessenlagen berücksichtigt. So erscheint etwa Lin Biaos Sohn Lin Liguo, der ein Attentat auf Mao geplant hatte, aufgrund der neuen Befragungen nicht mehr als machthungriger Verschwörer, sondern als aufrechter Kämpfer gegen die Mao-Diktatur - was recht gut eine nachträglich angestrebte Weißwaschung vor der Geschichte sein könnte.

In der offiziellen Geschichtsschreibung der Kommunistischen Partei gilt noch immer das Verdikt, daß Mao zu 70 Prozent gut war und zu 30 Prozent Fehler gemacht hat. In zahlreichen historischen Spielfilmen wird Mao als liebevoller Großvater, genügsamer Revolutionär oder als genialer Militärstratege porträtiert. Die Partei hält sein Erbe hoch und pflegt seinen Mythos. Nach der Lektüre dieser Biographie fällt es schwer, Mao noch irgendwelche Verdienste anzurechnen - daß er China von einem gedemütigten Entwicklungsland zu einer Großmacht machte, daß er den Chinesen ein neues Nationalbewußtsein gab. Siebzig Millionen Opfer und das Verderben des politischen und moralischen Klimas in der Volksrepublik China, das bis heute nachwirkt, wiegen zu schwer.

Jung Chang/Jon Halliday: Mao. Das Leben eines Mannes. Das Schicksal eines Volkes. Aus dem Englischen von Ursel Schäfer, Heike Schlatterer und Werner Roller. Karl Blessing Verlag, München 2005. 975 S., 34,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Maos Leibarzt Li Shizui veröffentlichte vor ein paar Jahren seine Memoiren, in denen Mao Zedong als skrupelloser, zynischer und sexbesessener Potentat geschildert wurde, ruft Rezensent Tilman Spengler in Erinnerung. Das Autoren-Ehepaar Jung Chang und Jon Halliday bestätigt dieses Bild und erweitert es um die historische und die politische Dimension. Und die habe es in sich: sollten alle Fakten dieser jahrelang und lückenlos recherchierten Biografie stimmen, gibt Spengler zu beachten, dann müsse "Chinas Geschichte in entscheidenden Punkten neu erzählt werden". Die Sowjetunion, lautet eine der wichtigsten Erkenntnisse, wirkte sehr viel bestimmender auf die chinesischen Genossen ein als bisher angenommen. Deren hart umkämpfter "Langer Marsch" sei wiederum pure Propaganda gewesen, wohingegen bislang noch nicht bekannt gewesen sei, in welch erschreckender Höhe das Mao-Regime Tote und Opfer gekostet hat. Das Buch ist spannend geschrieben, auch beeindruckend dicht recherchiert, versichert Spengler, hinterlässt aber bei ihm auch einige offene Fragen. Worin nun bestand die besondere Anziehungskraft Maos, das Geheimnis seiner Macht? Das Böse muss Bestandteil der Erlösungsphantasien gewesen sein, versucht sich Spengler in der Analyse und wünscht sich mehr Erklärungen in diese Richtung. Um dann schnell zu versichern, dass sein Einwand nur als Kritik eines "auf hohem Niveau verwöhnten Betrachters" zu verstehen sei. 

© Perlentaucher Medien GmbH
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 18.10.2005

Das Böse als Teil des Heilsplans
Die neue große Biografie über Mao Zedong ist eine um Lückenlosigkeit bemühte Anklageschrift, die aber noch Fragen offen lässt
Von Tilman Spengler
Vor 100 Jahren erschienen in der freien chinesischen Presse, jener also, die in den Kolonialhäfen oder in Japan eine unstete Bleibe gefunden hatte, politische Artikel, die so begannen: „Ohweh! Ohweh! Unser China: Innen zerfressen, von außen bedroht!” Die Klage war realistisch. Die westlichen Imperialmächte und Japan stritten sich um die letzten Filetstücke des Reichs der Mitte, im Inneren balgten sich Provinzfürsten oder „Warlords” um Truppen, Steuern oder Rohstoffe. Die Bevölkerung litt unter dem Zusammenbruch der moralischen Ordnung, dem Zerfall der Gesellschaft. Sie litt unter ständigen Bürgerkriegen und der brutalen Invasion der japanischen Truppen - und genau so bitter unter dem Verlust ihrer Würde. Im Westen wurde China zur Metapher für selbstverschuldete Rückständigkeit.
Eine solche Situation muss keine politischen Lichtgestalten, keine charismatischen Führer hervorbringen, doch sie befördert den Glauben, daß es sie geben könnte. Mao Zedong schaffte es, sich zu einer solchen Figur zu erheben. Zu einer Person, in der sich Abermillionen von Anhängern vergrößert glaubten, wie durch die Projektion einer groben Linse. Manche ergaben sich dem Traum freiwillig, andere wurden in ihn hineingepresst. Entfliehen konnten ihm die wenigsten. So wurde Mao zu China und China für eine Zeit zu Mao.
Wie all dies zustande kam, ist der Stoff des Buches von Jung Chang und Jon Halliday: eine gigantische Studie über jenen Mann, der in den späten 20er Jahren antrat, sein Schicksal mit dem seines Landes so zu verketten, bis er - wie alle erfolgreichen Diktatoren - die beiden Existenzen nicht mehr auseinander halten konnte. Und da es sich um keine wohlwollende Diktatur handelte, ist das Buch auch eine schonungslos um Lückenlosigkeit bemühte Anklageschrift.
Das Autoren-Ehepaar hat mehr als ein Jahrzehnt lang Spuren verfolgt, Zeugen befragt und Archive konsultiert. Vor zehn Jahren erschütterten die Aufzeichnungen von Maos Privatarzt Li Zhisui die Anhänger des früheren Parteivorsitzenden, indem sie das Bild eines zynischen, missgünstigen, von Sex besessenen, rachsüchtigen Politikers malten.
Chang und Halliday vertiefen dieses Porträt um die historische und die politische Dimension. Sollten die Befunde stimmen, wird man die jüngere Geschichte Chinas in entscheidenden Punkten neu erzählen müssen. Das gilt für die Rolle, die die UdSSR seit der Gründung der KP Chinas für deren Entwicklung spielte, das gilt für das Verhältnis zwischen Kommunisten und Nationalisten während der Zeit des Bürgerkriegs und der japanischen Invasion, und es gilt auch für jene Veranstaltung, die als Mythos lange die chinesische Politik bestimmte: Der „Lange Marsch”, jene militärische Operation 1934/1935, die die Rote Armee unternahm, um den Truppen von Chiang Kai-shek zu entkommen.
Die Sowjetunion, insbesondere Stalin, lernen wir, wirkte sehr viel prägender auf die Geschicke der Genossen in China ein, als diese später zugeben wollten, die Beziehungen zwischen Kommunisten und Nationalisten glichen vor 1949 denen rivalisierender Gangsterbanden, mit Spionen, Überläufern, Territorialabklärungen. Und die berühmteste Schlacht des „Langen Marsches” war eine schiere Erfindung der kommunistischen Propaganda. Im Übrigen war Mao auf diesem Marsch kein gern gesehener Anführer, eher eine Last, die über weite Strecken in einer Sänfte den Truppen hinterhergetragen werden musste.
Das Detail mit der Sänfte war auch zuvor schon bekannt, nur wurde es eben anders interpretiert, als Beweis der Aufopferung, sowohl der Träger wie des Getragenen, der sich trotz aller physischen Schwäche heldenhaft den Strapazen unterzog. Historiografie und säkulare Heilsgeschichte sind in China schon immer als Geschwisterpaar aufgetreten.
Nach der Gründung der Volksrepublik wird Mao erst recht zum Monster, das in Massenkampagnen („Großer Sprung nach vorn”, „Kulturrevolution”) zur Sicherung der eigenen Macht billigend den Tod, den Ruin, die Demütigung von Millionen in Kauf nimmt. Freunde einschlägiger Statistiken können dem Buch die Botschaft entnehmen, dass Mao unter den Schlächtern des 20. Jahrhunderts um mindestens 20 Millionen Opfer die Nase vorn hat. Wobei solche Zuschreibungen der unmittelbaren Verantwortung immer schwierig sind. Nach Maos Tod und dem politischen seiner direkten Nachfolger, der „Viererbande”, erweckten alerte Parteifunktionäre den Eindruck, als sei die Volksrepublik ohnehin nur von fünf Personen regiert worden, die sämtliche Schuld an allem trügen.
Mao war kein Volkstribun, sein Chinesisch klang für viele Landsleute nicht nur unverständlich, es tönte hässlich nach Provinz. Seine theoretischen Schriften legten prahlerisch eine gedankliche Blässe an den Tag, die gebildeten Chinesen als Frechheit gelten musste. Seine politischen Initiativen führten das Land von einer Katastrophe in die nächste. Der „größte aller Steuermänner” war ein gewissenloser Intrigant, dem sein Volk schnurz war. Von den Opfern haben wir bereits geredet.
Wo aber liegt dann das Geheimnis dieser Figur und ihrer Macht? Ihr eigenartiger Zauber wirkte ja nicht nur in China. Helmut Schmidt, Henry Kissinger, Richard Nixon, die Liste der Prominenten, die vor dem Diktator bewundernd mit Räucherstäbchen winkten, beschränkt sich nicht auf Politiker. Ungezählt die Dissertationen, Traktate, Analysen, die an unseren Universitäten dem „Maoismus” ihre Reverenz erwiesen, unbeschreibbar die Bereitschaft, die grelle Aufklärung der Pop Art mit der breitspurigen Propaganda eines totalitären Regimes verschmelzen zu wollen.
Man wird sich wohl den Messias auch in China nicht ohne die ihn tragenden Heilserwartungen vorstellen können. Heilserwartungen, die aus dem Bösen mehr als nur Banales machen, die vielmehr, wie man es an Mao beobachten konnte, das Böse zu einem Teil des Heilsplans erheben. Ein erklärender Fingerzeig in diese Richtung hätte diesem höchst überfälligen, grandios recherchierten und packend geschriebenen Buch zu einem weiteren Glanzpunkt verholfen. Doch das ist, wie der Historiker Shi Diman einst schrieb, nur „die hohle Klage eines auf hohem Niveau verwöhnten Betrachters”.
Jung Chang, Jon Halliday
Mao. Das Leben eines Mannes, das Schicksal eines Volkes
Aus dem Englischen von Ursel Schäfer, Heike Schlatterer, Werner Roller.
Karl Blessing Verlag, München 2005. 976 Seiten, 34 Euro.
Mao allerwegen: Statuen des 1976 gestorbenen chinesischen Parteichefs finden sich noch überall im Land, wie hier in Tianjin, 70 Kilometer vor Peking.
Foto: AP
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"Die eigentliche Sensation des Buches liegt in der Art, wie es Stück für Stück die heroischen Mythen von Maos Weg nach oben demontiert." Die Welt