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Verdienen wir die Politiker, die wir haben?
Jürgen Leinemann zählt zu den besten Kennern der deutschen Politik und ihrer wichtigsten und tonangebenden Vertreter - seine SPIEGEL-Geschichten aus dem Innenleben der politischen Klasse sind legendär. Er hat die parteipolitische Machtszenerie jahrzehntelang aus nächster Nähe betrachtet und sich seinen analytischen und gleichzeitig leidenschaftlich wertenden Blick weder von politischen Interessen noch von persönlichen Vorlieben trüben lassen. Sein Befund, das Fazit seiner Beobachtungen und Erkenntnisse, ist alarmierend.
Noch nie war
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Produktbeschreibung
Verdienen wir die Politiker, die wir haben?

Jürgen Leinemann zählt zu den besten Kennern der deutschen Politik und ihrer wichtigsten und tonangebenden Vertreter - seine SPIEGEL-Geschichten aus dem Innenleben der politischen Klasse sind legendär. Er hat die parteipolitische Machtszenerie jahrzehntelang aus nächster Nähe betrachtet und sich seinen analytischen und gleichzeitig leidenschaftlich wertenden Blick weder von politischen Interessen noch von persönlichen Vorlieben trüben lassen. Sein Befund, das Fazit seiner Beobachtungen und Erkenntnisse, ist alarmierend.

Noch nie war Politikverdrossenheit derart weit verbreitet, noch nie war das Ansehen der Politiker so katastrophal: Wo leben die eigentlich? Wissen die noch, wie es zugeht in der alltäglichen Welt, oder haben sie den Kontakt zur Wirklichkeit verloren?
Fast 40 Jahre lang hat Jürgen Leinemann in Washington, Bonn und Berlin beobachtet, wie die Politiker von Generation zu Generation schicksalsärmer, farbloser und austauschba
Autorenporträt
Jürgen Leinemann, geboren 1937 in Celle, Studium der Geschichte, Germanistik und Philosophie. Beginn der journalistischen Karriere bei der dpa in Berlin, Hamburg und Washington. Seit 1972 tätig für den SPIEGEL; er war Reporter und Büroleiter in Washington und Bonn, zog 1990 nach dem Fall der Mauer nach Berlin und dort bis 2001 Leitung des Ressorts Deutsche Politik; seit 2002 SPIEGEL-Autor im Berliner Büro.
Zahlreiche Veröffentlichungen, ausgezeichnet mit dem Egon-Erwin-Kisch-Preis.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 18.09.2004

Die Droge Macht
Politiker und Journalisten sind nicht besser als das Volk, das sie vertreten - ein Buch von Jürgen Leinemann
Es gibt, wie im richtigen Leben, für die Fortsetzung dieses Artikels zwei Möglichkeiten. Zum einen könnte man über das Buch Höhenrausch - die wirklichkeitsferne Welt der Politiker, das in diesen Tagen erscheint, eine Kurzkritik verfassen: Jürgen Leinemanns Beobachtungen der handelnden Personen aus den vergangenen 40 Jahren der Bonner und Berliner Republik sind seit Arnulf Barings Der Machtwechsel das wichtigste Buch über die politisch Mächtigen in Deutschland. Vor allem die Generation X plusminus Golf, die eigenen Angaben zufolge alles anders machen will, muss es eher zweimal lesen, damit sie nicht so handelt wie jene, die sie zum Teufel und/oder in den Ruhestand wünscht. Dass der Spiegel-Reporter außerdem glänzend schreibt, nie - deutsch nach Sinn suchend - langweilt auf den 468 Seiten seines Alterswerks, ist selbstverständlich. Leinemann eben.
So weit die Kurzkritik. Nun zur Alternative.
Weil Leinemanns Buch über Politiker ebenso viel aussagt wie über Journalisten, den Berufsstand, der die Nähe der Mächtigen sucht und deren Sehnsucht teilt, bedeutend zu sein oder zumindest dafür gehalten zu werden, weil diese ebenso wie die anderen Süchtigen leiden, wenn ihnen die Droge Macht entzogen wird, steht dieser Text auf der Medienseite. Denn was für viele gewählte Politiker gilt, trifft auch auf viele politische Journalisten zu. Sie sind nicht besser als das Volk, das sie vertreten, für das sie schreiben und senden.
Es gibt grundsätzliche Ausnahmen, auf beiden Seiten, es gibt auch grundlegende Unterschiede. Der Chefredakteur eines wichtigen Blattes verdient doppelt so viel wie der Bundeskanzler, wird nicht abgewählt, sondern abgefunden. Der Sturz von ganz oben aber ist für die Protagonisten gleichermaßen schmerzlich, sie brauchen eine Entziehungskur. Manche sind anschließend clean, manche nie.
Da die Macht ein seltenes Gut ist, wird um sie erbarmungslos gekämpft. Das nötige wölfische Verhalten prägt fürs Leben. Einer wie Leinemann, 67, dessen Politikerprofile deshalb immer so gut waren, weil er seiner Sympathie eher nicht traute und sich die lieber vom Leibe schrieb, hat auf die Frage der Filmemacherin Herlinde Koelbl, ob er sich je als Teil der Macht gefühlt habe, deshalb mit „Nein” antworten können. Spitzenpolitiker fürchten sich heute nicht mehr vor den sie beschreibenden Beobachtern, sondern vor jenen Medienmanagern (Print oder TV), die ihnen eine Wirklichkeit inszenieren, in der sie auftreten und sich für wirklich halten dürfen. Man nennt so etwas Mediendemokratie.
Der Spiegel-Chronist abgelaufener und laufender Ereignisse schreibt offen sogar über die Phasen seiner Laufbahn, in denen er besoffen war von der eigenen Bedeutung oder denen zu nahe kam, die er aus distanzierter Nähe beobachten sollte. Das gilt zum Beispiel für Gerhard Schröder, über den Leinemann dann Jahre lang nicht mehr geschrieben hat, nachdem sich zwischen beiden eine Art Du-Freundschaft entwickelt hat, beginnend in jenen Zeiten, da der heutige Bundeskanzler noch ein junger Wilder aus Niedersachsen war. „Eine Weile glaubte ich mich in meiner Beobachterposition auf der sicheren Seite - bis ich merkte, dass ich als Journalist keineswegs nur Zuschauer war, der auf der Tribüne des Geschehens saß und cool protokollierte, sondern auch Zeitgenosse und Mitspieler in der politischen Klasse.”
Die denunziert er nicht wie heute üblich, da der Ton zwischen der „plappernden Zunft” (Joschka Fischer) und der mit dem Image eines Staubsaugervertreters rauer, aggressiver, unversöhnlicher geworden ist. Der „Hunger nach Anerkennung und Bestätigung” gilt für beide Spezies. So wie Leinemann einen Auftritt von Ex-König Kurt Biedenkopf beschreibt, unfreiwillig befreit von allen Insignien der Macht - Dienstwagen, Bodyguards, Höflinge - , könnte man auch die Medienfürsten von einst beschreiben, die sich auf Podien dieser und jener Akademie über die Leistungen der heutigen Medienmanager auslassen, als ob es auf ihre Einschätzung noch ankomme, denn die Nachfolger, wo auch immer, sind so gut und so schlecht wie sie auch waren und deren Nachfolger wiederum scharren auch schon mit den Hufen. Wieder eine Parallele zwischen Politik und Medien.
Leinemann hat sich in diesem Circus Maximus keinen Logenplatz gesichert, er blieb stets in der Nähe des Ausgangs. Von dort hatte er den besseren Überblick. Viele zogen geschlagen an ihm vorbei. Viele sah er in Schwindel erregenden Höhen. Manche bestanden eine Luftnummer nach der anderen. Manche schafften den dreifachen Salto. Manche stürzten ab. Er beschrieb den Aufschwung und er beschrieb den Fall. Auch nichts Neues. Wolfgang Koeppen in seinem Roman Das Treibhaus, der in jener kleinen Stadt am Rhein spielt, wo Leinemann aus dem Bonner Büro des Spiegel heraus seine Streifzüge begann: „An jeder Entscheidung hängen tausendfache Für und Wider, Lianen gleich, Lianen des Urwalds, ein Dschungel war die praktische Politik, Raubtiere begegneten einem, man konnte mutig sein, man konnte die Taube gegen den Löwen verteidigen, aber hinterrücks biß einen die Schlange.”
Anfangs fielen nach der unerhofften Einheit die Artisten aus dem Osten noch aus dem Rahmen. Sie waren anders. Unverbraucht. Am schnellsten assimilierte sich Angela Merkel. Sie hat das Spiel der Männer früh durchschaut und sich deren Riten zu Eigen gemacht. Meist steht hinter Politikern aus dem Osten, die bundesweit auffallen, aber immer noch in Klammern OST gedruckt, vor allem dann, wenn sie besser sind als die aus dem Westen - Platzeck, Althaus, Tiefensee - , als sei genau dies das Wunder. Bei den Journalisten ist es ebenso: Die gleich begabte Frau aus dem Osten hat es im Polit-TV schwerer als die aus dem Westen. Maybrit Illner ist eine Ausnahme wie Angela Merkel, aber es gibt in Wirklichkeit - und der Osten ist keine mehr zu leugnende - nicht nur die eine.
Journalisten sind mehr noch als im Treibhaus Bonn, wo sie in der Kneipe und Sauna die Objekte ihrer Begierde treffen konnten, in der Berliner Republik zu Mitspielern geworden. Ein Zwischenrufer von der ersten Reihe dort hält sich für ebenso wichtig wie die Akteure auf der Bühne. Die jagende Meute und die gejagte Bande spielen aber auch über Bande, je nach Laune. Der Sucht sind sie fast alle verfallen. Darum fallen sie tief ins Loch, wenn sie auf Entzug gesetzt werden, wenn ihre einzige Sehnsucht stirbt.
Insofern ist Jürgen Leinemanns dramaturgisch meisterhaft gesponnenes Buch ein Spiegelbild der Mediengesellschaft - und wenn deren Stars hämisch auf die Stars der Politbühne zeigen, sehen sie gleichzeitig sich im Spiegel. Da wie dort gilt: Nur wer schwarze Ringe unter den Augen hat, nur wer 18-Stunden-Tage für nötig hält, verbreitet die Aura von Macht - und verliert im Höhenrausch die Bodenhaftung. So wie die Unterschiede zwischen den sog. Volksparteien kaum noch auszumachen sind, gibt es in den heute real existierenden Medien nicht mehr die einst natürlich gewachsenen Gegnerschaften. Von wegen Hamburger Feindpresse, zu der Altkanzler Helmut Kohl aus der Gnade-der-späten-Geburt-Generation den Spiegel und den Stern zählte.
„Der Eintritt in die Politik ist der Abschied vom Leben, der Kuss des Todes”, urteilte Hans Magnus Enzensberger. Leinemann zitiert ihn. Egal, in welcher Generation der Nachkriegspolitiker: Immer dann, wenn von Männerfreundschaft die Rede war, hatte der Konflikt der Alphatiere begonnen - siehe Wehner/Brandt und Kohl/Strauß und Schröder/Lafontaine. Jeder Erfolgreiche hat auf dem Weg nach oben Feinde hinterlassen; das gilt für Politiker wie für Journalisten. Die Folgen bei den eigentlich Mächtigen sind gravierender. Wer da die Leichen im Keller des Rivalen kennt, hat was in der Hinterhand. „Helmut, Du musst die Namen der Spender nennen”, forderte in einer CDU-Präsidiumssitzung nach Aufdeckung des Schwarzgeldskandals durch investigative Journalisten (!) der amtierende Vorsitzende Wolfgang Schäuble den Ex-Kanzler auf - und Helmut Kohl antwortete nach Angaben von Ohrenzeugen sinngemäß: „Sei Du bloß ruhig, Du hast viel größere Leichen im Keller.”
Das tägliche Sosein ändert immerhin das Bewusstsein. Aus dem „Hannoverschen Hallodri” (Leinemann) wurde nach der Entscheidung, deutsche Soldaten in den Kosovo und nach Afghanistan zu schicken, ein veritabler Kanzler. Das war der „Bruch in seinem Leben”, weiß Schröders Frau Doris. Andere haben den Bruch selbst inszeniert. Es hat deshalb einen gewissen Reiz des Schamlosen, wenn Oskar Lafontaine, eben nicht durch Zufall frei, als Rächer der Entrechteten ausgerechnet im nahen Osten, der ihm stets ein fremder war, den Volkstribunen gibt.
Manche stürzen ab für immer im Drogenrausch „Macht”. Barschel. Möllemann. Ihnen widmet Leinemann eine behutsame Nachrede. Seine spürbare Verachtung gilt den Guidospaßmobilen, doch er urteilt nie pauschal über die „Politische Klasse”, denunziert nicht, sondern stellt sie vor und hin und bloß. Vergisst nie, dass Politiker nicht schlechter sind als das Volk, das sie vertreten, weil er weiß: Auch Journalisten gehören zum Volk.
MICHAEL JÜRGS
Angela Merkel kam aus dem Osten und hat schnell die Riten der Politiker aus Bonn erkannt - dazu gehören trickreiche PR-Spiele mit Journalisten.
Foto: Kumm/dpa
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Zwar lang, aber kein bisschen langweilig findet der Rezensent Jürgen Busche den Rückblick des politischen Journalisten Jürgen Leinemann auf vierzig Jahre Berufspraxis im Umfeld politischer Größen. Dabei ist eine ganze Galerie von Porträts entstanden, lobt Busche, die man nicht nur "mit angehaltenem Atem" liest, sondern die so manche gefasste Meinung über den einen oder anderen Politiker revidieren lässt. Auch wenn Leinemanns Sympathien spürbar eher den Sozialdemokraten gelten, so wirke doch die Einteilung in Generationen bei ihm stärker als die in Fraktionen. Doch Leinemann erzähle noch eine andere Geschichte in seinem Buch, die nämlich der formenden und verzerrenden Kräfte des politischen Amtes, das die Welt des Politikers zunehmend seiner Wirklichkeit beraube. Leinemanns großzügig kredenzten Journalistenweisheiten allerdings kann der Rezensent nicht viel abgewinnen, zumal der Autor dabei Unpassendes ausklammert, etwa, dass der dauerhaft beobachtende Blick des Reporters den Politiker in seinem Selbstbild mitgestaltet. Und so möchte der Rezensent - der angesichts dieses spannenden Buches nicht meckern will - zumindest erwähnt wissen: Die von Leinemann gepredigte politikernahe Berichterstattung ist nicht die einzige Spielart des politischen Journalismus.

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