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Nach zwei Jahrzehnten Ehe hat Resi - die nun auf ihrem eleganteren Doppelnamen Marie-Therese besteht - den Gatten Franz verlassen und den Sohn mitgenommen. Zuvor war der Herr Gemahl gekündigt worden, hatte für die Familie eigenhändig ein Eigenheim errichtet.

Produktbeschreibung
Nach zwei Jahrzehnten Ehe hat Resi - die nun auf ihrem eleganteren Doppelnamen Marie-Therese besteht - den Gatten Franz verlassen und den Sohn mitgenommen. Zuvor war der Herr Gemahl gekündigt worden, hatte für die Familie eigenhändig ein Eigenheim errichtet.
Autorenporträt
Margit Schreiner wurde 1953 in Linz geboren. Nach langeren Aufenthalten in Tokio, Paris, Berlin, Italien und dann wieder in Linz lebt sie heute mit ihrem Mann in Gmünd, Niederosterreich. Sie erhielt für ihre Bücher zahlreiche Stipendien und Preise, u. a. den Oberosterreichischen Landeskulturpreis und den Österreichischen Würdigungspreis für Literatur. 2015 wurde sie mit dem Johann-Beer-Literaturpreis und dem Heinrich-Gleißner-Preis ausgezeichnet, zuletzt erhielt sie den Anton-Wildgans-Preis (2016). Mit Kein Platz mehr war sie 2018 für den Österreichischen Buchpreis nominiert.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.03.2004

Haus, Frauen, Sex
Margit Schreiners Lesung im Hessischen Literaturforum

"Es ist ein heller, stechender Schmerz, der mit der oberen Holzsäule des Treppengeländers in Linz verbunden ist." Eine Tochter erinnert sich an den Vater ihrer Kindheit, an den kurzen Abschied, als sie für einige Tage in einem Kinderheim untergebracht wird, weil der Vater auf Reisen geht. Eine von vielen Erinnerungen im Laufe des langen und endgültigen Abschieds von einem Alzheimerkranken, der schon längst zum unerreichbaren Fremden geworden ist. Der Kontrast zwischen intensivem Kindheitserleben und der unsentimentalen, nüchternen Darstellung einer Erwachsenen ist deutlich. Am Anfang steht die detaillierte Beschreibung der Beerdigung, ein drei Seiten langer Satz, atemlos, ohne Punkt bis zu der Stelle, an der die Mutter der Ich-Erzählerin "etwas Hartes, Spitzes, Glattes" in die Hand drückt: das Gebiß des Verstorbenen.

Fast teilnahmslos und mit leichtem österreichischem Akzent liest Margit Schreiner zunächst aus "Nackte Väter", dem Roman, der ihre thematische Triologie von Liebe und Abschied vervollständigt und der in diesem Jahr bei Schöffling & Co neu erschienen ist. Immer geht es um die engsten Bezugspersonen: den Vater, die Mutter, den Ehepartner. Die alltäglichen Mißverständnisse, die Unfähigkeit, den anderen wahrzunehmen und zu lieben, sind Themen, die unter die Haut gehen und durch intime Darstellung die Grenzen der Peinlichkeit überschreiten: an manchen Stellen möchte man wegsehen, nicht dabeisein. Doch gerade an diesen Winkeln scheint der Autorin gelegen.

"Am Ende bringen wir unsere Mütter um, weil wir nicht mehr lügen wollen." Dieser Satz steht zu Beginn der Auseinandersetzung einer Tochter, diesmal mit ihrer Mutter. Wieder geht es um den Abschied, den Tod, aber auch den Anfang einer neuen Liebe und ganz am Ende um eine schmerzhafte Geburt. In dem autobiographisch gefärbten Buch "Heißt Liebe" setzt sich die Tochter mit der Lüge, der Selbstbehauptung, der falschen Wahrnehmung und der unmöglichen Liebe auseinander und tut dies stellvertretend für alle Töchter, indem sie zwischen "ich" und "wir" wechselt.

Diese Tochterrolle verläßt Schreiner in "Haus, Frauen, Sex", indem sie die Position des Technikers Franz einnimmt, der nach langer Ehe von Frau und Sohn verlassen wird. In einem Monolog rechnet er mit den Frauen, insbesondere seiner Exgattin, ab. Erschreckend wirkt hier die Einseitigkeit der Wahrnehmung, beschrieben mit einer illusionslosen Komik: So wettert Franz über die Frigidität seiner Verflossenen, sieht sich als Opfer von Quotenfrauen; kein Verständnis hat er für studierende Ehefrauen, und angesichts der mangelnden weiblichen Sensibilität steht er fassungslos vorm Herd, den er außerdem viel besser putzen kann als all diese Frauen. "Hast du schon einmal eine Frau gesehen, die sich zu Tode säuft, weil ihr Mann stirbt oder weil er sie verlassen hat? Ich nicht."

BIRTE LEMITZ

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Franz Haas ruft die Stunde des schwachen Mannes aus! Im österreichischen Frauenministerium gebe es jetzt eigens eine Männerunterabteilung. Und die Literatur beziehungsweise eine gewiefte Autorin nimmt sich "in listiger Umkehrung der Perspektive" ebenfalls des weinerlichen, lächerlichen, erbärmlichen Mannes an, dem die Frau aus dem selbsterbauten Haus weggelaufen ist und der nun gegen das andere Geschlecht hetzt, jammert, grübelt. Gott sei Dank, findet Haas, sei das Männerbild von Schreiner nicht schwarzweiß, der feministische Unterton nicht kämpferisch oder aggressiv. Denn das männliche Geplapper zeitigt auch Träume, Kindheitserinnerungen und Naturphantasien, die den Rezensenten berührt haben; irgendetwas "zwischen Suff und Poesie". Haas kann dem Roman oder vielmehr dieser Rollenprosa sogar regelrecht komische Seiten abgewinnen.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 07.05.2002

Rache an Resi
Margit Schreiners Monolog-
Roman „Haus, Frauen, Sex”
Er ist unzufrieden. Darum wird er eine Erfindung machen. Er hat schon den automatischen Schuhanzieher konstruiert, der allerdings nicht so recht funktionierte. Das macht aber nichts.
„Er” ist eine tragikomische Größe: ein Mann, ein Rechthaber, ein Arbeitsloser, ein Säufer, der sich Seiten lang über einen Wasserflecken auf dem Herd ergehen kann, den seine Resi vor Jahren nicht weggeputzt hat. Jetzt gießt er gerade, im Wintermantel in der Küche sitzend, Schnaps über dem Herd aus und spricht mit ihm. Nebenbei schreibt er einen 200 Seiten langen Brief an die Resi, denn sie ist mit dem Sohn weg.
Der Brief ist eine Frechheit. Wie jeder Monolog, der mit jemandem zu sprechen vorgibt. Denn er lässt diesem Jemand keine Chance. Literarische Monologe, wie Margit Schreiners neuer Roman „Haus, Frauen, Sex”, sind jedoch auch für Monologisierende gefährlich: Der Leser wird zum Gegenüber-Ersatz und damit auch zur Monolog-Jury. So gesehen ist der Monolog eines ungehaltenen Mannes, der ohne Pause über „Euch”, die Frauen, redet, geschrieben von einer Frau namens Margit Schreiner, eine schöne Gelegenheit zur Blamage. Nicht nur für die Figur des Monologisierenden. Auch für die Autorin selbst: Nichts langweiliger als die absehbare, 200 Seiten lange Selbstdemontage eines Kerls.
Margit Schreiner weiß das auch. Ihr betrunkener Stänkerer darf immer mal wieder Recht haben. Etwa in der Beschreibung der Unsicherheit, der Depressivitiät seiner Frau, ihres, wie er sagt, „a-sozialen Verhaltens”. Bis vor kurzem, und es gibt keinen Grund, ihm hier nicht zu glauben, habe die Resi nicht den Mut gehabt, ihre Meinung zu sagen oder sich auch nur für einen Einkauf zu entschließen. Sie, die vor der Heirat Supermarktverkäuferin war, die sich erst vor kurzem selbständig gemacht hat mit ihrer Schneiderei, die damit jetzt Erfolg hat. Auf seine Initiative hin, wie sie ja alles durch ihn gelernt habe, der einmal beruflich „Aussenlifte” konstruiert hat, die heute keiner mehr will. Auch dass der Mann sagt, dass es ihm gefalle, wenn seine Frau anderen gefalle, verhilft ihm zu einigen Punkten. Da verhält er sich, sprachlich, so wie man/frau das heute erwartet. Aber dann liest man, manchmal noch auf der selben Seite, auch unfreiwillige Erklärungen für das so charakteristisch unsichere Resi-Verhalten. In diesen Selbstdeutungen wider willen zeigt sich die analytische Absicht des Buches.
Schlappe Person, kranke Lunge
Alle hätten ja, so der Ich-Erzähler, gemeint, dass er ein Macho sei, der Monologe halte und seine Frau nicht zu Wort kommen lasse. „Weil das haben die Menschen ja nicht gewusst, daß du sowieso nichts gesagt hättest. Bis vor einem Jahr jedenfalls nicht. Seit ungefähr einem Jahr hast du manchmal etwas sagen wollen, das gebe ich ja zu, aber da war ich schon so gewöhnt, daß immer nur ich rede, da habe ich vielleicht das eine oder andere Mal übersehen, daß du auch etwas hättest sagen wollen. Ich gebe es zu. Resi, weil ich nicht so bin wie du, daß ich nichts zugeben würde.”
Für Margit Schreiners Schreiben spricht, dass auch diese Selbstdenunziation in einer verzwickten, gelungen schillernden Textpassage aufgehoben ist. Es kommt, so merkt man in diesem Buch immer wieder, nicht allein auf die Ideologie der Rede an, sondern vor allem auf die Geschliffenheit ihrer Formulierung, die ein Changieren der Bedeutungen, ein Nachdenken der Leser über das Gesagte und das darin verschwiegene ermöglicht. Verdruckst, sagt der Betrunkene, sei die Resi immer gewesen. Sie habe sich immer so unangreifbar still geärgert.
Zu den gemeinsten Bosheiten des Mannes gehören das Lob anderer Frauen (was die Elfi für einen „sexuellen Mund” gehabt habe; „weh getan” habe es der auch nie, und erst ihre „Lebenslust!”) sowie das Baden in den Wunden der depressiven Resi: Nur einer derart „schlappen” Person könne nicht aufgefallen sein, dass sie eine Lungenentzündung habe. Nur so sei verstehbar, dass die dann verschleppt worden sei, sie krank gemacht habe.
Margit Schreiner will wissen, warum das so häufig passiert: dass eine Frau, von der man das nie erwartet hätte, weggeht, so wie sie selbst es zweimal getan habe. Wie weit darf man, wie weit soll man das Ergebnis einer solchen Befragung überhaupt mit der literarischen Tradition vergleichen? Hat es Sinn, der Autorin vorzuhalten, dass Arthur Schnitzler und andere schon ähnliche Monologe geschrieben haben? Allenfalls dann, wenn, wie geschehen, Margit Schreiners Text umstandslos mit Schnitzlers „Fräulein Elses” und der Molly Bloom-Passage am Schluss von James Joyce- „Ulysses” verglichen wurde. Solche Vergleiche zeigen nämlich vor allem, wie viel diesem handwerklich guten Prosatext, in dem die Autorin beherzt über die Geschlechtergrenze springt, zu einem großen Text noch fehlt.
Denn nicht nur, weil Schreiners Roman länger ist als „Fräulein Else” und die Rede der Molly Bloom zusammen, stellt sich allmählich Monotonie ein. Das liegt auch an der Monotonie des Text- und Figurenkonzepts. In der erkennbaren Absicht, einen „Typ” zu erfassen, hat sich Schreiner zu viele Verrücktheiten, zu viele Extravaganzen der Wünsche verboten. So wirkt der Roman, trotz vieler schöner Stellen, trotz des unverkennbaren Willens, genau dies zu vermeiden, letztlich leider nur zu bekannt.
HANS-PETER KUNISCH
MARGIT SCHREINER: Haus, Frauen, Sex. Roman. Haffmans-Verlag. Zürich 2001. 208 Seiten, 14,82 Euro.
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»Kühl und kühn inszeniert, Fesselungs- und Verführungsträume, mörderische Begegnungen: eine feine Mischung, (...) mit einem Touch Roald Dahl, öfter an Robert Gernhardt gemahnend - ins Österreichische gewendet.« Volker Hage, Die Zeit »Ein furioses Stück Rollenprosa (...), wie es ein Mann, politisch domestiziert und emotional verbogen, wohl nie hätte schreiben können.« Der Spiegel »Ein raffiniertes Stück Rollenprosa, in der sich der Redner mit viriler Geschwätzigkeit selbst entblösst, nachdem ihm seine Frau davongelaufen ist - ein gewitzter Eheroman (...).« Neue Zürcher Zeitung »Ein intelligentes Buch, sehr überzeugend, eine kunstvolle Sprache - ich finde die Autorin hoch beachtlich.« Marcel Reich-Ranicki im 'Literarischen Quartett'