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Die unbelehrbare Sehnsucht! Die Figuren in Jennifer Egans brillant erzählten Stories verbindet die Sehnsucht nach Veränderung und die Hoffnung auf Glück. Alison reist nach Spanien, um zu vergessen. Das erfolglose Model Stacey sieht ihre Erwartungen an das Leben in der Metropole nicht eingelöst. Ellen wird in dem Moment erwachsen, als sie ihren Vater mit einer fremden Frau ertappt. Mit den überraschenden Ausgängen der Geschichten läßt Jennifer Egan Abenteuer der Seele miterleben, die in scheinbar aussichtslosen Situationen zu erstaunlicher Veränderung fähig ist.

Produktbeschreibung
Die unbelehrbare Sehnsucht! Die Figuren in Jennifer Egans brillant erzählten Stories verbindet die Sehnsucht nach Veränderung und die Hoffnung auf Glück. Alison reist nach Spanien, um zu vergessen. Das erfolglose Model Stacey sieht ihre Erwartungen an das Leben in der Metropole nicht eingelöst. Ellen wird in dem Moment erwachsen, als sie ihren Vater mit einer fremden Frau ertappt. Mit den überraschenden Ausgängen der Geschichten läßt Jennifer Egan Abenteuer der Seele miterleben, die in scheinbar aussichtslosen Situationen zu erstaunlicher Veränderung fähig ist.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.07.2001

Alltag in Technicolor
Wo Verlierer Goldstaub tragen: Jennifer Egans Erzählungen

Jennifer Egan läßt den Leser nicht lange auf den Anfang einer Geschichte warten. Wer den ersten Satz liest, ist mittendrin. Ihre Erzählungen drehen sich um Aussteiger, Models und Betrüger, um orientierungslose Kinder und enttäuschte Ehefrauen, Wall-Street-Banker und Drogendealer. Trotz der kulminierenden Handlung sind es die langen Blicke der Erzähler und Protagonisten, ihr Sammeln von Eindrücken und ihr unbeirrtes Reflektieren, das den Reiz dieser Prosa ausmacht. So unberechenbar das Leben auch ist, bei Egan wird niemand von ihm überrollt. Die Weichen werden im Innern gestellt, die Figuren wählen den Lauf der Dinge und sind bereit, dafür zu bezahlen. "Du beobachtest", sagt der heruntergekommene Vietnam-Veteran zum Scheidungskind Tally, das von seinem ersten LSD-Trip ernüchtert ist, "und das rettet dich." Tally läßt ihre Punk-Freundinnen davonziehen und gibt es auf, sich mit ihnen zu messen: "Jetzt haben sie ihre beste, ihre einzige Zeit. Sie werden untergehen."

Ein New Yorker Broker erwirbt Junk-Bonds von einem charismatischen Fremden und verliert seinen Einsatz. Er erkennt den Mann auf einem Straßenmarkt in China wieder und heftet sich an seine Fersen. Gemeinsam mit seiner Familie begleitet er Cameron auf eine Zugfahrt in die chinesische Provinz und gesteht seiner Frau in einem gottverlassenen Hotel, daß er inzwischen selbst Firmengeld veruntreut hat. Der Leser ahnt, daß die ungewöhnliche Asien-Reise des hygienisch überempfindlichen New Yorkers dem alleinigen Zweck dient, sein Alter ego zu finden. Wie durch Zauberhand verwandeln sich Frau und Töchter in Camerons Nähe aus einem nörgelnden Haufen in ein erregtes Abenteurerteam. Und der düpierte Banker lernt, sein Vorbild auf andere Weise nachzuahmen: "Er war nett", sagt seine Tochter traurig beim Abschied.

"Seit meiner Scheidung reise ich immer außerhalb der Saison", beginnt die Geschichte einer noch jungen Frau, die von ihrem Mann fallengelassen wurde. Auf seltsame Weise verbindet sich für die Mißbrauchte Liebe mit Kriminalität. In Spanien wirft sie sich den Nächstbesten an den Hals, zieht magnetisch Diebe an und tut im übrigen alles, um ihr Leben zu ruinieren. Ihre Reise ist kein zufälliger Horrortrip, sondern das Pandämonium ihrer seelischen Verstörung, aus dem sie erst herausfindet, als eine der windigen Männergestalten die Probe besteht und ihr überraschend die Treue erweist.

Wagemut, Maßlosigkeit und Hochstapelei stehen im Zentrum von "Emerald City". Dem Reigen moderner Helden begegnen die Protagonisten mit schwärmerischer Bewunderung, auch wenn sie ihren Irrtum längst durchschauen. So eifert die Schwester in "Ein richtiges Teil" dem älteren Bruder nach, der als Kind versehentlich den Tod der Mutter verschuldet hat. Kompensiert seine Ruchlosigkeit die unentschuldbare Untat, oder war es gerade das draufgängerische Naturell dieser Orest-Figur, dem die Mutter geopfert wurde? Die Erzählungen leben aus solchen Ambivalenzen. So spiegeln sich Egans Frauenfiguren oft mit neidischem Verlangen in schönen und erfolgreichen Geschlechtsgenossinnen, auch wenn sie selbst weder arm noch häßlich sind. Eine noch junge Stylistin verbringt bei einem exotischen Shooting die Nacht mit dem Fotografen. Sie vermag die sexuelle Begegnung nicht zu genießen, weil sie davon besessen ist, daß der Mann das kindliche Model begehrt, das sie den Tag über betreut hat.

Egans vielleicht beste Erzählung handelt von Lucy, die den Urlaub mit ihrem vermögenden Mann auf Bora Bora verbringt. In ihren Gedanken konkurriert der Entschluß, einer Jugendfreundin zu schreiben, mit der Faszination, die eine anmutige junge Frau am Strand auf sie ausübt. Sie erscheint ihr als der Inbegriff des Glücks, das Reichtum und Schönheit versprechen. Nach Jahren glaubt Lucy die Fremde in einer Kellnerin wiederzuerkennen. Und sie begreift, daß es nicht die mutmaßliche Luxusexistenz der anderen war, die sie so angezogen hat, sondern ihre Nähe zum Dolce-vita-Tagtraum, den sie einst mit ihrer Freundin Josephine in schäbigen Imbißstuben träumte. Darauf beginnt sie, ihr eigenes Leben für Josephines hungrige Ohren zu erzählen: "Und einen Moment lang fängt die Welt Feuer, prächtig lodert und leuchtet es um sie herum, und jedes Detail stimmt."

Jennifer Egan berührt mit ihren Texten einen uramerikanischen Nerv, wie er, musikalisch gewendet, auch in der Working-class-Romantik Bruce Springsteens wehmütig aufheult. "Emerald City" kreist um die unbegrenzten Möglichkeiten der Phantasie, die sich ihre Figuren durch die Prosa des Alltags nicht kaputtmachen lassen. Ihre Lebensentwürfe sind "traumhaft, Technicolor", nach dem Vorbild eines Hitchcock-Thrillers gebaut, in dem "selbst das Klackern von Absätzen bedeutungsvoll war". Ihre unbelehrbare Sehnsucht gilt dem Moment, in dem die Erinnerung verblaßt, weil die Fülle der Gegenwart sie überwältigt. Depressionen führen daher nie zu Lethargie, sondern zu fieberhaften Ausbruchsversuchen. Egans Prosa beweist, daß diese Gemeinde der Suchenden Hitchcocks würdig ist. "An einer Seite wird der Himmel hell", heißt es am Morgen nach Tallys LSD-Trip, "als wenn ein Deckel hochgehoben würde." Die Autorin interessiert sich für Sünder, vom Seil Gefallene und Schuldbeladene, die im Dunkel nach dem Wege suchen. Und doch scheint auf den Wangen der Protagonisten manchmal Silberstaub zu liegen, und in ihren Augen blitzt es wie Gold. Das Amerika von "Emerald City" ist eine gläserne Stadt, in der das Abenteuer der Seele jedem eine elementare Rolle gibt und in der jedes Detail stimmt. 

INGEBORG HARMS

Jennifer Egan: "Emerald City". Stories. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Sigrid Ruschmeier. Verlag Schöffling & Co., Frankfurt am Main 2000. 229 S., geb., 36,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Ingeborg Harms zeigt sich sehr einverstanden mit den Stories von Jennifer Egan, die von Aussteigern und Models, enttäuschten Ehefrauen und orientierungslosen Kindern erzählen. Trotz kulminierender Handlungen, so Harms, sind es geduldig genaue Blicke sowohl der Figuren wie der Erzähler, die Egans Prosa hohen Reiz verleihen. Egans Erzählungen, so die Rezensentin, leben vor allem aus Ambivalenzen, die sie ihren Figuren zueignet. In der Geschichte, die Harms für die beste des Buches hält, beschäftigt sich eine Frau, die Urlaub auf Bora Bora macht, mit der irritierenden Faszination, die eine junge Frau am Strand auf sie ausübt. Wie die Gründe für ihre Faszination der Protagonistin allmählich klar werden, wird detailliert geschildert. Sie liegen in der Übereinstimmung der Erscheinung der fremden Frau mit eigenen Jugend-Träumen vom besseren Leben, an die die Protagonistin sich wieder erinnert. Mit ihren Texten, schreibt die Rezensentin, berühre Egan den amerikanischen Traum von der Allmacht der Phantasie, die sich ihre Figuren von der Prosa des Alltags nicht zerstören lassen wolle. Egans Amerika, freut sie sich, sei eine "gläserne Stadt, in der das Abenteuer der Seele jedem eine elementare Rolle gibt und in der jedes Detail stimmt."

© Perlentaucher Medien GmbH
"Jennifer Egan beherrscht mit verblüffender Reife die grundlegenden Voraussetzungen zum Schreiben von short stories: Knappheit, Direktheit, Atmosphäre, das Schaffen einer bestimmten Stimmung. Sie schreibt eine Prosa in der Sprache von heute: klar, präzise, lakonisch und meistens schockierend." (Ruth Rendell)