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Aus dem allgemeinen Geplauder, mit dem Bridget alle um den Finger wickelt, wird plötzlich Ernst, als sie erzählt, dass sie ihr halbjüdisches Kind vor den Fängen der Nazis aus Wien retten will. 24 Stunden im Leben dieser drei Menschen: Sie speisen und diskutieren, sie besuchen eine Party, sie plaudern miteinander und träumen aneinander vorbei. Und sie gehen wieder auseinander, denn Bridget hat längst einen Weg gefunden, den nur sie beschreiten kann, um ihr Kind zu retten. Isabel Boltons Roman ist so bildhaft und rasant wie ein Schwarzweißfilm aus den 40er Jahren. Leser und Literaturkritiker in…mehr

Produktbeschreibung
Aus dem allgemeinen Geplauder, mit dem Bridget alle um den Finger wickelt, wird plötzlich Ernst, als sie erzählt, dass sie ihr halbjüdisches Kind vor den Fängen der Nazis aus Wien retten will.
24 Stunden im Leben dieser drei Menschen: Sie speisen und diskutieren, sie besuchen eine Party, sie plaudern miteinander und träumen aneinander vorbei. Und sie gehen wieder auseinander, denn Bridget hat längst einen Weg gefunden, den nur sie beschreiten kann, um ihr Kind zu retten.
Isabel Boltons Roman ist so bildhaft und rasant wie ein Schwarzweißfilm aus den 40er Jahren. Leser und Literaturkritiker in Amerika überboten sich in ihrem Enthusiasmus, als er 1946 erschien. Und auch heute, nach seiner Wiederentdeckung, wird er als vollkommener Gesellschaftsroman, als literarisches Meisterwerk gefeiert.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 30.05.2000

Mrs. Dalloways Schwester
Isabel Boltons großer Roman „Wach ich oder schlaf ich”
„Gewöhnt man sich jemals an New York, fragte sie sich, während sie die Avenue hinunterging – die Energie, die Kühnheit – die Überraschung? Die Stadt verzauberte einen einfach. Manchmal bewunderte man sie so, liebte sie so; dann wiederum konnte man sie nicht genug hassen oder fürchten; man konnte sich nicht auf sie verlassen. Immer erschien sie einem unwirklich, unfassbar. ”
Die da traumverloren und wach zugleich durch New York geht, ist Millicent, eine Frau Mitte dreißig, „der nichts entgeht”, deren scharfsinnigen Einsichten nie die richtigen Schlüsse folgen, die Probleme hat, welchen Hut sie zu einer Party tragen soll. Millicent, die in ihrer sensiblen Wahrnehmungsfähigkeit der Autorin Isabel Bolton ganz nahe zu kommen scheint. Sie ist eine der drei Figuren, die eigentlich das ganze Personal dieses kurzen Romans ausmachen. Abgesehen von der allerdings hochkarätig besetzten Statisterie am turbulenten Ende des Romans, einer folgenreichen Cocktailparty, und abgesehen von New York natürlich, das weitaus mehr als nur Hintergrund – das die allgegenwärtige, in tausend Facetten vibrierende Hauptperson ist.
Die zweite Figur ist die faszinierende schöne Bridget, eine gebildete Abenteuerin, die, kunstsinnig, Kluges über Proust sagt, eine geübte Realistin, die „alle Fäden in der Hand hält”, der natürliche Mittelpunkt jeder gesellschaftlichen Szene – also auch der am Anfang des Romans im französischen Pavillon der New Yorker Weltausstellung im Jahr 1939.
Der Dritte im Spiel ist Percy – Perceval – Jones, der Erfolgsschriftsteller, der seine immer unglücklichen Liebesleidenschaften in immer mehr Martinis ertränkt, der ihr hingebungsvoll lauscht, nur allzu bereit, sich ihr, mit allem was er hat, zur Verfügung zu stellen, ihr und der unglücklichen „kleinen Beatrice”, ihrem Kind, das in Wien zurückgeblieben und von Hitlers Rassenwahn bedroht ist. Ein Gesprächsgegenstand, der in Bridgets aufregender Biografie – die sie zwischen Vorspeise und Dessert lässig entwickelt – einmal erwähnt und dann von ihr gemieden, von Percy mit der ganzen Inbrunst seines Helfenwollens hartnäckig verfolgt wird.
Ein kühnes spätes Debüt
Der zeitliche Hintergrund wird knapp und genau mitgeteilt: Es ist der letzte Frühling vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs. Hitler hat Österreich besetzt, er ist in die Tschechoslowakei eingedrungen, Chamberlain hat einen zerbrechlichen Frieden erwirkt. Man freut sich – verunsichert, verängstigt, nichts Gutes ahnend – hektisch des Lebens. Nicht nur die Präzision und sinnliche Vielfalt ist erstaunlich mit denen – reflektiert vor allem in den inneren Notaten Millicents, der insgeheim übergreifenden Figur – sich vierundzwanzig Stunden im Treiben der New Yorker Beau Monde entwickeln.
Erstaunlich ist eigentlich alles an Isabel Bolton und ihrem Roman. Bei uns hatte vor Kurzem noch niemand von ihr gehört, auch nicht unter ihrem bürgerlichen Namen Mary Britton Miller. Als der Roman 1946 erschien, war die Autorin, die bislang Gedichte und Geschichten für Kinder veröffentlicht hatte, dreiundsechzig Jahre alt. Ein kühnes Debüt. Der Literaturkritiker Edmund Wilson, „dem nichts entging” in der modernen – nicht nur der amerikanischen – Literaturszene, spendete ihr höchstes Lob und verglich sie mit Virginia Woolf. Die bekannte Rezensentin Diana Trilling hielt Schlaf ich oder wach” ich für den besten Roman der frühen Nachkriegsjahre. Auch als 1997 – gute fünfzig Jahre nach der Erstpublikation – dieser Roman, zusammen mit zwei weiteren, die bis 1952 folgten, in einem Band neu aufgelegt wurde, feierte die amerikanische Kritik dies als „Rückkehr einer bedeutenden ,verlorenen‘ Schriftstellerin”.
Literarisch am interessantesten ist der Hinweis auf Virginia Woolf. Ihr bekanntester, 1925 erschienener Roman Mrs. Dalloway” (der Arbeitstitel hieß „The Hours”) verknüpft im Ablauf eines Tages – in Vor- und Rückgriffen, Assoziationen und Reflexionen – das Leben einer Dame der Gesellschaft mit dem Schicksal eines vom Krieg zerstörten Poeten. Die um ein Jahr jüngere Isabel Bolton bedient sich dieses Mittels, Zeit zu dehnen und dramatisch zu konzentrieren mit großer perzeptiver Intensität, durchaus selbständig und souverän. Von „Nachahmung”, von „Plagiat” gar, kann nicht die Rede sein. Es gibt Koinzidenzen. Eine weitere ist, dass die Szene ihres Romans zeitlich übereinstimmt mit der des letzten Romans von Virginia Woolf Zwischen den Akten?”, den sie 1941 abschloss, kurz vor ihrem Entschluss, sich das Leben zu nehmen: Es sind die nervösen letzten Tage vor dem Krieg in New York, es ist die unmittelbare Kriegsbedrohung in England. Die gleichen politischen Ereignisse bilden den Hintergrund, auch wenn sie einmal (bei Bolton) benannt und bei Virginia Woolf ausgespart werden.
Es soll hier kein Talent- und „Größen”-Vergleich angestellt werden. Es gibt hinreichend Unterschiede. Isabel Bolton hinterließ nur wenige Bücher, sie lebte vorwiegend in New York, ihre Europaerfahrung beschränkte sich auf die übliche Bildungstour eines Mädchens aus gutem Hause. Dennoch befähigten sie diese Eindrücke am Ende ihres Romans zu einer visionären Gegenüberstellung von Amerika und Europa. Virginia Woolf starb mit 59 Jahren und hinterließ nicht nur ein reiches Œuvre, sondern in Tagebüchern und Briefen ausführliche und sehr persönliche Mitteilungen zu sich selbst und ihrer menschlichen Umwelt. Von Isabel Bolton, die 92 Jahre alt wurde und – wie die um zehn Jahre jüngere Djuna Barnes – in Greenwich Village wohnte, weiß man bislang so gut wie nichts. Sie gehörte offenbar zu den großen Diskreten, denen es genügt, sich über ihre literarischen Figuren mitzuteilen. Und da erfährt man einiges.
Für den Übersetzer ist der Text von Wach ich oder schlaf ich” keine kleine Aufgabe. Hannah Harders hat den nachdenklichen Ton des inneren Monologs, die Spannung des Romans, der aus der inneren Gespanntheit der Personen kommt, schön getroffen und durchgehalten. Es gibt vorzügliche Passagen. Vielleicht wäre sie dem deutschen Leser entgegengekommen – ohne die Originalität des Originaltons zu beschädigen! – wenn sie von der, im Englischen geläufigeren Form, der indirekten Rede im Deutschen einen etwas geschmeidigeren Gebrauch gemacht hätte.
Man kann Edmund Wilson nur zustimmen: ein großer Roman von „wunderbarer Vollkommenheit”, ein Lesevergnügen der besonderen Art ist zu empfehlen, ein weiteres vielleicht im Herbst zu erwarten, für den der Schöffling Verlag das autobiografische Prosastück zu Kindheit und Jugend der Autorin, „Mary und Grace”, plant.
KYRA STROMBERG
ISABEL BOLTON: Wach ich oder schlaf ich. Roman. Aus dem Amerikanischen von Hannah Harders. Schöffling & Co. Verlag, Frankfurt/M. 224 S. , 36 Mark.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Sie gehörte zur Generation von Virginia Woolf und Djuna Barnes, und sie gehörte wie jene zur schriftstellerischen Avantgarde ihrer Zeit: Isabel Bolton, die 1946, mit 63 Jahren, nach etlichen Gedichtbänden und Kinderbüchern ihren ersten Roman herausbrachte. Kein Wunder also, dass die Barnes-Biografin und Übersetzerin Kyra Stromberg mit dieser Rezension betraut wurde. Stromberg sieht viele Ähnlichkeiten mit Woolf. Wie diese habe sich Bolton in ihrem New York-Roman, der im letzten Frühling vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs spielt, von der Technik des inneren Monologs leiten lassen und bediene sich des Mittels der zeitlichen Komprimierung und Dehnung über ein zeitliches Raster, das 24 Stunden im Leben dreier Figuren aus der New Yorker Reichenwelt umfaßt. Stromberg geht sowohl auf die Gemeinsamkeiten wie die Unterschiede zwischen der Amerikanerin Bolton und der Engländerin Woolf ein, hält Bolton aber durchaus Woolf für ebenbürtig. Die Übersetzung von Hannah Harders findet insgesamt lobende Erwähnung.

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