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Weiners Buch behandelt das umstrittenste Problem in der Debatte um Richard Wagner: die Frage, inwieweit sich antisemitische Ideen in Wagners Opernwerken nachweisen lassen. Bis jetzt wurde Wagners Antisemitismus zwar nicht geleugnet, aber hinsichtlich seiner Bühnenwerke als nicht existent oder irrelevant erklärt. Marc A. Weiner widerlegt zum ersten Mal diese traditionelle Auffassung. Systematisch stellt er in seiner Untersuchung eine direkte Verbindung zwischen Wagners antisemitischen Äußerungen, seinen rassistischen Essays und seinen Bühnenwerken her. Im Anschluss an die Veröffentlichung der…mehr

Produktbeschreibung
Weiners Buch behandelt das umstrittenste Problem in der Debatte um Richard Wagner: die Frage, inwieweit sich antisemitische Ideen in Wagners Opernwerken nachweisen lassen. Bis jetzt wurde Wagners Antisemitismus zwar nicht geleugnet, aber hinsichtlich seiner Bühnenwerke als nicht existent oder irrelevant erklärt. Marc A. Weiner widerlegt zum ersten Mal diese traditionelle Auffassung. Systematisch stellt er in seiner Untersuchung eine direkte Verbindung zwischen Wagners antisemitischen Äußerungen, seinen rassistischen Essays und seinen Bühnenwerken her. Im Anschluss an die Veröffentlichung der amerikanischen Originalausgabe hat sich in Deutschland eine intensive Debatte um Weiners Thesen entwickelt, wobei für manche nichts weniger auf dem Spiel zu stehen scheint, als diese Werke für den deutschen Bühnenkanon zu erhalten. Weiners Untersuchung erscheint nun in deutscher Übersetzung bei Henschel, um einer breiten Öffentlichkeit die Teilnahme an dieser zentralen Debatte zu ermöglichen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.11.2000

Ich weiß ein übles Geschlecht
Marc A. Weiners plakative Antisemitismus-Vorwürfe gegen Richard Wagner

Natürlich habe Schwefel auch etwas mit dem Teufel zu tun. Aber wenn die Rheintöchter Alberich als "Schwefelgezwerg" bezeichnen, stelle Wagner sich klar in die Tradition der deutschen Kultur, die Gestank ausdrücklich mit Juden in Beziehung bringt. Immer wieder wurde zumal der Knoblauchgeruch beklagt. Natürlich könne man, wenn die Nibelungen der Dunkelheit zugeordnet werden, an den Gegensatz von Lichtalben und Schwarzalben denken, den Wagner schon in den nordischen Sagen vorfand. Doch zeichneten solche positivistischen, philologisch ermittelten Zusammenhänge nur einen Teil der kulturellen Implikationen des Motivs nach. Es gehe um die Wahrnehmung der Juden als schwarz. Daß Schwarzen und Juden identische Züge zugeschrieben wurden, war Teil des kulturellen Vokabulars. Und wenn im "Parsifal" Bilder der Kastration bemerkenswert in den Vordergrund treten, lasse sich das ohne weiteres mit dem ikonographischen Sonderstatus des verweichlichten und verweiblichten Juden vergleichen. Selbstverstümmelung wurde seit dem Mittelalter mit den Juden in Verbindung gebracht; die sich nicht schließende Wunde nehme offenbar Bezug auf die ikonische Tradition des menstruierenden männlichen Juden.

Marc A. Weiner stützt sich auf die Studien von Sander Gilman. In Aussehen, Stimme, Geruch, Sexualität werde der Körper des Juden abgrenzend als das andere des Eigenen kodiert. Wagner schöpfte in der Konstruktion seiner bösen Gestalten aus dem Thesaurus dieser Codierungen. Um das zu belegen, wird die Darstellung - durchaus auch die musikalische - der Figuren von Beckmesser, Alberich, Mime, Loge, Melot, Hagen, Kundry, Klingsor materialreich in antisemitische Assoziationsfelder hineingestellt.

Daß Knoblauch nicht nach Schwefel riecht und ein Höhlenbewohner nicht auf die Dauer zum Schwarzen wird, wäre demgegenüber kein rechter Einwand. Im Zwischenreich der kollektiven Bilder geht es kaum logisch zu, hat alles mit allem zu tun. Unbefriedigend ist vielmehr, daß Weiner sich so wenig Gedanken macht, was damit nun eigentlich gesagt ist. Seine ganze theoretische Energie verwendet er auf die Absicherungsstrategien. Es sei gleichgültig, ob Wagner das auch gemeint habe. Viele andere Traditionen gingen in die Gestalten ein. Die Opern könnten trotzdem Genuß bereiten. Ich weiß gar nicht, warum ihr euch so aufregt.

In Wahrheit handelt es sich um ganz konventionellen Enthüllungs-Antisemitismus. Von der "bemerkenswerten Einheitlichkeit und Schlüssigkeit in Wagners Assoziationsmustern" ist die Rede. Davon, daß "Wagner seine Repräsentanten des Bösen aus einem weitverbreiteten Repertoire antisemitischer Stereotype zusammenfügte", daß die Körperbilder "seinen metaphorischen Darstellungen des Juden als Gegenbild zum Deutschen bei seinen Zeitgenossen Glaubwürdigkeit verliehen" und daß die Juden "Verkörperung", "zentraler Bestandteil" von Wagners "ideologischem Programm" waren.

Wenn Weiner zeigte, daß Wagners Figuren teilhaben an der allgemeinen Verdichtung eines Netzes antisemitischer Stereotype, wäre die Sache ganz in Ordnung. In dem Augenblick, in dem es um ein Programm geht, stellt sich die Frage, warum der ja durchaus gesprächige Wagner keinerlei Hinweis auf eine antisemitische Auslegung gegeben hat, warum er im Gegenteil etwa insistierte, daß Mime nicht zur Karikatur werden dürfe, warum er Cosima gegenüber bekannte, einst völlige Sympathie mit Alberich gehabt zu haben. Die antisemitischen Stereotype sind Material. Es kann ein besonderes Interesse geben, gerade diese Materialschicht aufzudecken. Doch wer meint, Beckmessers Gesangsstil diene dazu, die judaisierte Kultur als oberflächlich hinzustellen, verhält sich methodisch nicht intelligenter als eine Germanistik, die Goethes Frauengestalten dingfest machen wollte. Abgesehen davon, daß Wagner gegen Koloraturen wohl kaum nur deshalb etwas hatte, weil sie ihn an die Melismen der jüdischen religiösen Gesänge erinnerten.

Und selbst gesetzt, Alberich wäre Jude, müßte noch seine Stellung im Gefüge des "Rings" interpretiert werden und was es für den Antisemitismus bedeutet, daß alles Positive scheitert. Doch wieso interpretieren? Weiner betont zwar seinen Genuß an Wagners "unglaublich schönen" Werken, aber wenn man "die für den Gesamtentwurf so zentrale Komponente des Antisemitismus" nicht erkenne, sei der "Ring" doch einfach nur eine mythische Parabel vom Kampf um Gut und Böse, Habgier und Liebe.

GUSTAV FALKE

Marc A. Weiner: "Antisemitische Fantasien". Die Musikdramen Richard Wagners. Aus dem Amerikanischen von Henning Thies. Henschel Verlag, Berlin 2000. 478 S., 26 Abb., 33 Notenbeisp., geb., 68,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

"Seit Jahren wird heftig gestritten um die ideologische Erblast der Wagnerschen Musik: auf Symposien, durch Vorträge und Bücher, die wiederum die Vorträge der Symposien beinhalten bzw. ausbauen. Etwas "schulmeisterlich" kommt Albert von Schirnding die Art und Weise vor, wie diese Debatte von manchen Wissenschaftlern geführt wird. Von Schirnding stellt drei Bücher vor, die Beiträge zum Thema "Richard Wagner und der Antisemitismus" versammeln. 1) Dieter Borchmeyer, Ami Maayani, Susanne Vill (Hrsg.): "Richard Wagner und die Juden"Sieben israelische Wissenschaftler nahmen 1998 an der Tagung "Richard Wagner und die Juden" teil, die nicht irgendwo auf neutralem Gebiet, sondern in Bayreuth selbst stattfand. Aber selbst die schärfsten Kritiker, so von Schirnding, hätten sich im Ton zurückgehalten - auch wenn sich im nachhinein mancher von der Veranstaltung distanziert hat.2)Saul Friedländer, Jörn Rüsen (Hrsg): "Richard Wagner im Dritten Reich"Ein Jahr später gab es wieder ein Symposium, berichtet der Rezensent, diesmal in Schloss Elmau. Dass diese zweite Tagung nun, wie Marc A. Weiner in seinem Beitrag behauptet, von der Atmosphäre her offener gewesen sei, findet Albert von Schirnding nach vergleichender Lektüre der beiden vorliegenden Dokumentationen nicht gerechtfertigt. Allein die Tatsache, dass sieben Redner in Bayreuth wie Elmau dabei waren, spreche dagegen, so von Schirnding. Beide Bände enthielten aufschlussreiche Untersuchungen über die "Beziehung von Ideologie und Ästhetik, Prophetie und Erfüllung, ... das Hitler-in-Wagner und Wagner-in-Hitler-Syndrom". Der dezidierte Anti-Wagnerianer Zelinsky durfte allerdings nur, bemerkt von Schirnding nicht allzutraurig an, bei der Elmauer Tagung sprechen.3) Marc A. Weiner: "Antisemitische Fantasien. Die Musikdramen Richard Wagners""Wagner-Hass macht nicht nur blind, sondern vor allem taub", schreibt Albert von Schirnding. Marc A. Weiner müsste demnach zumindest auf einem Auge blind und mit einem Ohr taub sein. Der Autor benennt das Verhältnis von Kunst und Politik als den wesentlichen Punkt der Debatte, so von Schirnding, wobei Weiner der Fehler unterlaufe, Politik mit Ideologie gleichzusetzen. Von Schirnding führt Brecht als Beispiel dafür an, dass der Dichter den Dogmatiker überwinden kann und man die ästhetische Komplexität eines Kunstwerks nicht unterschätzen sollte. Eine Reduzierung der Wagnerschen Musik auf "antisemitische Fantasien" erscheint ihm in der Fragestellung zu kurz gegriffen. Dennoch: stellenweise entwickele der Autor durchaus "produktiven Scharfsinn". Etwas verblüfft äußert sich von Schirnding dann über das Bekenntnis des Autors, dass gerade die antisemitischen Dimensionen im Werk Wagners eine große Faszinationskraft auf ihn ausüben. "Was will uns der Dichter damit sagen?", fragt der Rezensent konsterniert.

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