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Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 10.10.2001

Frauen im Niemandsland
MILBRY POLK; MARY TIEGREEN: Frauen erkunden die Welt. Entdecken – Forschen – Berichten, Frederking und Thaler Verlag, München 2001. 256 Seiten, 80 Mark.
Sie sind durch brodelnden Schleim in Höhlen getaucht und haben im Himalaya mit den Mönchen gebetet; sie haben Kontinente zu Fuß durchquert und die Spur des Menschen bis in die Steinzeit verfolgt; sie haben mit Kannibalen gelebt und mit Gorillas gespielt, Löwen und Fotos geschossen, Ozeane und Raupen vermessen. Wenn „Frauen die Welt entdecken”, so zeigen Milbry Polk und Mary Tiegreen in ihrem Bildband, schreckt sie weder Mühe noch Gefahr. Vierundachtzig kaltblütige Entdeckerinnen stellen die Autorinnen in biographischen Skizzen vor, darunter Freye Stark, die den Nahen Osten bereiste, weil sie schon 1921 wusste: „Die interessantesten Dinge der Welt werden in der Nähe von Öl passieren”, und Forscherinnen wie Margeret Mead, Jane Goodall und Dian Fossey.
Aber wir lernen auch unbekannte Heldinnen kennen wie Unn, die Tiefsinnige, Tochter von Ketill-Flachnase, dem Wikingerkönig, oder die Dame Sarashina, die Anfang des 11. Jahrhunderts durch Japan wallfahrte.
Frauen forschen anders, behaupten Polk und Tiegreen, denn „ignoriert von Institutionen mussten Frauen keine wohlhabenden Förderer befriedigen”. Da sie von vornherein nicht mit im Rennen waren, bemerkten sie häufig, was anderen entging. Das klingt plausibel, und gewiss unterschieden sich die reisenden Damen nicht nur durch das Alter – die meisten brachen erst in der Mitte des Lebens auf –, und die Motive, die angesichts erstickender Konventionen oft rein eskapistisch waren: „Ich würde lieber bis zum Hals im Schlamm waten, als das Leben einer Dame der Londoner Gesellschaft zu führen”, schrieb Mary Kingsley nach Jahren in Afrika. Ob Frauen aber tatsächlich die sensibleren Reisenden sind, wie die Autorinnen durch allerlei Beispiele enthusiastischer Anpassung nahelegen, das mag dahin gestellt bleiben. Unser Bild zeigt die Filmemacherin Osa Johnson auf einem Krokodil.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.01.2002

Unbeschreiblich weiblich: forsche Frauen

Frauenforschung tut not. Daß sie noch immer in den Anfängen steckt, beweist ein Band wie "Frauen erkunden die Welt" - das Ergebnis zweier forschender Frauen über forschende Frauen in den vergangenen zweitausend Jahren. Er stellt vierundachtzig Damen vor, von denen die wenigsten der Ruhm erreicht hat, den ihre Arbeit verdient, und deren Namen selbst in Fachkreisen auf ein Stirnrunzeln treffen. Daß jenseits der üppigen Bebilderung die biographischen Ausführungen knapp bleiben und teils recht naiv formuliert sind, Analysen zudem gänzlich fehlen, liegt allerdings keineswegs an einem Mangel von Material. Milbry Polk und Mary Tiegreen haben sich schlicht übernommen. So ist ihr Band weniger Nachschlagewerk als Appetitmacher; was sich dankenswerterweise in einer umfangreichen Literaturliste niederschlägt. Was nun das genuin Weibliche an den Abenteuern und wissenschaftlichen Expeditionen zwischen Tiefsee und Weltall angeht, halten sich die Autorinnen bedeckt. Denn hätte sich nicht auch ein Mann in Venezuela als erster Mensch den Weg durch den Dschungel zum Fuß des Salto Angel schlagen können, des höchsten Wasserfalls der Welt? Sicher. Hat aber keiner! So war es die Fotografin Ruth Robertson (unsere Abbildung); im Jahr 1949.

F.L.

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"Frauen erkunden die Welt" von Milbry Polk und Mary Tiegreen. Frederking & Thaler Verlag, München 2001. 256 Seiten, zahlreiche Abbildungen. Gebunden, 40 Euro. ISBN 3-89405-431-X.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Ein wunderbares Buch! Obwohl, ein bisschen scheint sie sich schon zu schämen, Renee Zucker: Coffeetablebooks rühren wir ja eigentlich nicht an. Doch natürlich gibt es Ausnahmen. Plötzlich hat man "allen Grund zum Schwelgen - und kann eine Menge lernen", und viele "wunderbare Bilder" gucken, von exotischen Tieren und Pflanzen etwa. Wundern kann man sich allerdings auch. Wieso diese Art Buch in den USA viel häufiger vorkommt als in Europa, oder warum unter den 80 beschrieben Power-Frauen in diesem Band gerade mal vier aus Deutschland zu finden sind (darunter die unvermeidliche Leni Riefenstahl). Hm. Liegt es vielleicht an Frauen wie Rita Süßmuth? Wie auch immer, denkt Zucker und freut sich jedenfalls über die exzellenten Literaturhinweise zu den einzelnen Pionierinnen und Entdeckerinnen - eine Riesenhilfe, wenn man Genaueres über die Damen wissen will.

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