Marktplatzangebote
3 Angebote ab € 15,00 €
  • Gebundenes Buch

Mit sprachlicher Brillanz beleuchtet Hans Wollschläger in vier Essays das Verhältnis des Menschen zu seinen »Mitgeschöpfen«. Seine Ausführungen gipfeln in einer radikal-pessimistischen Weltsicht.Maul- und Klauenseuche, Rinderwahn, Schweinepest - die Meldungen über die Katastrophen in der industrialisierten Landwirtschaft haben in den letzten Jahren immer wieder auch grelle Schlaglichter auf die lebenverachtenden Umstände geworfen, unter denen Tiere als Nahrungsquelle unserer Gesellschaft gehalten werden. In vier Essays, allen voran dem Großessay »Tiere sehen dich an«, setzt sich Hans…mehr

Produktbeschreibung
Mit sprachlicher Brillanz beleuchtet Hans Wollschläger in vier Essays das Verhältnis des Menschen zu seinen »Mitgeschöpfen«. Seine Ausführungen gipfeln in einer radikal-pessimistischen Weltsicht.Maul- und Klauenseuche, Rinderwahn, Schweinepest - die Meldungen über die Katastrophen in der industrialisierten Landwirtschaft haben in den letzten Jahren immer wieder auch grelle Schlaglichter auf die lebenverachtenden Umstände geworfen, unter denen Tiere als Nahrungsquelle unserer Gesellschaft gehalten werden. In vier Essays, allen voran dem Großessay »Tiere sehen dich an«, setzt sich Hans Wollschläger mit dem Verhältnis des Menschen zu seinen »Mitgeschöpfen«, wie sie das Tierschutzgesetz der Bundesrepublik weihevoll nennt, auseinander - »Mitgeschöpfe«, die jährlich zu Millionen gemästet, geschlachtet oder im Namen der Wissenschaft in Labors zu Tode gequält werden. Dabei bilden seine entlarvenden Kommentierungen des Tierschutzgesetzes, stilistisch und methodisch im Geiste Karl Kraus' verfaßt, nur den - schauerlichen - Rahmen für die Entwicklung einer verallgemeinerten radikalpessimistischen Weltsicht: Die Quälerei der Tiere in Wissenschaft und Wirtschaft wird aus Sicht der Psychoanalyse zum Muster eines universellen Zerstörungszusammenhangs der Menschheit, deren gesamte Geschichte sich als Schlachtbank darstellt - ein einziges Kontinuum von der NS-Menschenquälerei (dem »Potential Mengele«) über die Tierquälerei in Schlachthöfen und Labors bis hin zur mechanistischen Lebensfeindlichkeit der Apparate- und Präparatemedizin, der Wollschläger ein eigenes ausführliches Kapitel widmet.
Autorenporträt
Hans Wollschläger (1935-2007) war Übersetzer (u. a. James Joyce »Ulysses«), Schriftsteller, Historiker, Religionskritiker, Rhetor, Essayist und Literaturhistoriker. Er erhielt neben vielen anderen Auszeichnungen 1982 den erstmals vergebenen Arno-Schmidt-Preis. Posthum wurde ihm 2007 der August-Graf-von-Platen-Preis der Stadt Ansbach verliehen.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.01.2003

Tritt vor den Spiegel und öffne Dein Gebiss
So gut geahnt und so schlecht gesprochen: Hans Wollschlägers berühmter Essay für die Tiere ist von tragischer Unzulänglichkeit
Es ist immer schmerzlich, eine gute Sache schlecht vertreten zu finden. Und so bedeutet der Band „Tiere sehen dich an” von Hans Wollschläger eine schmerzliche Lektüre, nicht obwohl, sondern weil er recht hat. Er will die Tiere in Schutz nehmen gegen alles, was Menschen ihnen antun, gegen die Tierversuche der Forschung, gegen die grauenhaften Zustände der Massenviehhaltung, gegen die Hölle der Schlachthäuser. Wer hier seine Aufgabe sieht, und als Einzelner gar, der tut gut daran, viel Kraft mitzubringen und sie sorgsam einzuteilen, um seinem Entsetzen Gestalt und seiner Empörung Wirksamkeit zu verleihen. An beidem jedoch, an der Kraft und ihrer Ökonomie, aber fehlt es Wollschläger.
„,Tiere sehen dich an‘ oder das Potential Mengele” ist ein langer Essay, den er schon einmal vor fünfzehn Jahren publiziert hat und den nun, zusammen mit einigen kleineren Stücken ähnlichen Inhalts, der Wallstein-Verlag neu herausgibt. Klarheit wäre die erste Forderung gewesen, die man an ein derartiges Werk zu stellen hätte, Klarheit des Denkens und der Syntax. Stattdessen trifft man auf Schritt und Tritt Gebilde wie dieses: „Die Einführung des Vegetarismus hat schon vor knapp 140 Jahren, als es zur Bewegung wurde, alles Mögliche für sich gehabt, nicht zuletzt auch den mampfenden Hohn der Idioten, deren Taschenbacken sich unfehlbar zum Feixen verziehen, wenn eine der primitiven Ideologien, von deren Ertrag sie sich mästen, ins Wackeln gebracht wird.” Wie viel wird diesem armen Satz auf die Schultern gepackt, und wie schief kommt die Last zu liegen! Gemeint ist natürlich, der Hohn der Idioten sei mit seiner abstoßenden Physiognomie schon für sich ein Grund, am Verhöhnten festzuhalten; man muss diesen Grundgedanken mehr erraten, als dass er sich offenbarte.
So holterdipolter geht es leider weiter, mit Stilblüten wie den „abgenagten Skeletten von Flora und Fauna, die in der Sonne bleichen”, mit tragikomischen Selbstvereitelungen, wie dass etwas „ohne weiteres zuletzt ein Skandal” sei, mit dem ganzen Bildungsgeröll von „ut aliquid fiat” und „iatrogenem Exitus”. Warum muss das so sein? Die Antwort muss lauten: weil er sich zwei Lehrmeister gewählt hat, die ihm unerreichbar bleiben müssen. In seinem ganzen Habitus eifert er zwei Autoren nach, von denen lernen zu wollen große Gefahren birgt, Karl Kraus und Arthur Schopenhauer. Beide haben nachdrücklich die Partei des Tiers gegen seine Quäler ergriffen, beide sind Genies des Zorns, und beide haben für das, was sie und wie sie es zu sagen wünschen, nur ein einziges Werkzeug zur Hand: die Kunst des Satzbaus. Der Satz ist ihnen alles, die Verbindung der Sätze zu größeren Gestalten fast nichts. Wer jemals versucht hat, bei Kraus oder Schopenhauer eine bestimmte Stelle wiederzufinden und daran gescheitert ist, weil er im Ganzen des Werks keine helfende Ordnung hat finden können, weiß, was das heißen soll. Sie bauen ihre Sätze wie Gewölbe, in denen ein Stein sich an den anderen fügt und den Nachbarn am Platz hält und worin alles zusammen plötzlich, kraft einer wunderbaren Vollendung, schwebt; anderes bauen sie nicht.
Dieses Vermögen der völligen Präsenz im Satz steht Wollschläger nicht zu Gebote. Darum verwechselt er Satzbau mit Länge und Architektur mit Komplikation. Seine Sätze gleichen vollgestopften Koffern, die sich nicht mehr schließen lassen, so dass sich Socken und Zahnpasta zwischen die Zähne des Reißverschlusses klemmen. Ihr physiognomisches Abzeichen, der Inbegriff eines Zerrens, das nicht vom Fleck kommt, ist „–:”, der Gedankenstrich gefolgt vom Doppelpunkt. Mit aller Gewalt soll die syntaktische Artikulation über die Satzgrenze hinübergezwungen werden, damit der eine Satz, der Über-Satz niemals ende; es ist das Bild eines ausgerenkten Gelenks, das Trittsiegel eines hinkenden Diskurses.
Und auf die Medizin geht es los, auf die arroganten Halbgötter in Weiß, die ja letzten Endes hinter den meisten Tierversuchen stecken. Und auf die Medien mit ihrer so panischen wie vergesslichen Erregung über BSE. Und aufs Militär. Das alles hat seine Berechtigung; aber hier gilt nicht viel Feind’, viel Ehr’, sondern viel Verzettelung, viel Ermüdung. Und so viele verwickelte Fahrlässigkeiten, die dem Mangel an Konzentration entspringen! Darf man, wenn man dem Leben der Tiere einen absoluten ethischen Wert zuspricht, seinen Mitmenschen die Einschränkung des Fleischverzehrs mit dem Argument empfehlen, es sei so viel Fleisch auch gar nicht gut für die Cholesterinwerte? Und was soll der sterile Hochmut nützen, der die Zuschauer von Sat1 als Pöbel verachtet, ja als „in faece Romuli” (beim Abschaum des Romulus), auf Latein, damit die Gemeinten bloß ja nichts verstehen? Sie sind Menschen so gut, wie die Tiere Tiere sind, und sie dafür zu verabscheuen, birgt in sich den Keim hysterischer Gewalt.
Eines besonders möchte ich anmerken, weil es ein fundamentales Missverständnis bedeutet: Alle die furchtbaren, massenhaften Tierquälereien sind selbstverständlich nicht dem „Sadismus” entsprungen. Hätten wir es bloß mit Sadismus zu tun, so wäre die Sache leicht und klein, die Täter schnell gefasst und als die räudigen Privatiers, die sie dann wären, schnell abgestraft. Ein ganzes System kann niemals als sadistisches funktionieren. Sadismus ist ein Handwerk wie die Goldschmiedekunst; niemals würden seine hübschen Einzelanfertigungen dem Massenbedürfnis nach einer Legebatterie mit 250 000 Hennen genügen.
Wollschläger, so müde und resigniert er sich immer wieder gibt, unterschätzt dabei doch zuletzt das Ausmaß der Gegnerschaft, auf die er sich einlässt. Er will nicht sehen, welch böses Erbteil in unserer Lust nach Fleisch steckt und dass er es nicht nur mit einer Gesellschaftsform zu tun hat (was an sich schon mehr als genug wäre), sondern mit der Menschheit, wie sie nun einmal ist. Er schmäht das Fleischfressen als widernatürlich; er ist niemals an einen Spiegel getreten, hat den Mund geöffnet und sein eigenes Gebiss betrachtet, das schwache aber typische Gebiss eines Allesfressers, der Fleisch nimmt, wenn er es kriegen kann.
Zahnformeln gehören zu den konservativsten Bestandteilen der Anatomie, sie spielen daher eine wichtige Rolle bei der Klassifikation der Säugetiere. Das Fleisch der Kuh will Gras. Das Fleisch des Menschen will Fleisch – soweit der grauenhafte Naturzustand. Und nun denke man sich das Ganze noch unter den Produktionsbedingungen des Kapitalismus vollzogen. Der Kapitalismus hat, in unserer Weltgegend jedenfalls, den menschlichen Hunger auf breitester Front besiegt und Apfel und Ei so billig gemacht, wie sie es, als das Sprichwort entstand, nie waren, und das Schnitzel dazu. Den Preis dafür haben die vormaligen Haustiere bezahlt, indem sie in Werkstücke verwandelt wurden. Wollschläger hat ganz recht: Humanismus ist nicht alles; Humanismus kann Barbarei sein.
Es ist unmöglich, Wollschläger mit all seinen Fehlern, Schwächen und literarischen Eitelkeiten die Achtung zu verweigern. Er weiß und sagt es: „Man kann die horrende Kausalität des Nichtwerdens nicht aufbrechen, unterbrechen gar; aber man kann ihr schwierig machen, was sie allzu einfach hat; ist sie in Ewigkeit, so soll sie, trotzdem, hier und jetzt nicht sein. Was irgendwann mit Sicherheit kommt, soll nach aller Möglichkeit doch hier und jetzt nicht kommen -: das Leben selber, jenes durchaus ,höhere‘, das die Moral vertritt, ist nie mehr als dieser ungewisse Aufschub des gewissen Tods. Wird er verdrängt aber, als die bleibende perspektivische Totale, so ist dieser Aufschub verspielt und er selbst ganz nahe.” Er weiß und sagt, dass Menschen und Tiere ihr Leben lassen und sterben müssen, dass dies sie einander tiefer verbindet, als alle Feilscherei um Vernunft und Sprache sie je trennen könnte, und dass deshalb alle Misshandlung des Tiers durch den Menschen etwas unsäglich Trauriges hat.
BURKHARD MÜLLER
HANS WOLLSCHLÄGER: „Tiere sehen dich an”. Essays, Reden. Wallstein Verlag, Göttingen 2002. 331 Seiten, 28 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

"Man schon sehr in die Rangordnung der Lebewesen vernarrt sein oder ein Herz ein Stein haben, um bei der Lektüre ruhig zu bleiben," meint der hellauf begeisterte Hans-Joachim Böhlk über Hans Wollschlägers drastische Texte zum Thema Tierschutz, wobei sich Böhlks Rezension nicht so liest, als hätte er erst noch überzeugt werden müssen. Vor allem zum Thema Fleischernährung hat er durchaus selbst einiges beizutragen. Aber gut. Über die Essays erfahren wir, dass Wollschläger sich in ihnen erbittert der Menschheit ihre Amoralität vorwirft. So nehme sie für sich eine moralische Überlegenheit gegenüber der Kreatur in Anspruch, einzig um die Qual von Tieren zu rechtfertigen. Auch das Tierschutzgesetz werde von Wollschläger als heuchlerisches Tiernichtschutzgesetz gehörig auseinandergenommen, lobt Böhlk.

© Perlentaucher Medien GmbH