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Eine Erörterung der Bedingungen, Erscheinungsformen und Faktoren der Nationenbildung in West-, und Osteuropa vom 18. Jahrhundert bis zum Ersten Weltkrieg.Ernest Renans Frage »Was ist eine Nation?« von 1882 hat nichts von ihrer Aktualität eingebüßt: Die Nation als Bezugsgröße europäischer Gesellschaften erlebt zur Zeit eine unverhoffte Renaissance. Konzentriert sich die Diskussion in Westeuropa darauf, welche Rolle der Nation im Zeichen supranationaler Integration überhaupt noch zukommt, so ist es in Osteuropa gerade das Paradigma des Nationalstaates, das nach dem Ende des Kalten Krieges…mehr

Produktbeschreibung
Eine Erörterung der Bedingungen, Erscheinungsformen und Faktoren der Nationenbildung in West-, und Osteuropa vom 18. Jahrhundert bis zum Ersten Weltkrieg.Ernest Renans Frage »Was ist eine Nation?« von 1882 hat nichts von ihrer Aktualität eingebüßt: Die Nation als Bezugsgröße europäischer Gesellschaften erlebt zur Zeit eine unverhoffte Renaissance. Konzentriert sich die Diskussion in Westeuropa darauf, welche Rolle der Nation im Zeichen supranationaler Integration überhaupt noch zukommt, so ist es in Osteuropa gerade das Paradigma des Nationalstaates, das nach dem Ende des Kalten Krieges Orientierung verheißt. In keinem Fall kommt die Diskussion ohne den Rückgriff auf die historischen Wurzeln von Nation, Nationalstaat und Nationalismus aus.Die Beiträger des Bandes fragen nach Bedingungen, Erscheinungsformen und Faktoren der Nationenbildung in den ganz unterschiedlichen Kontexten West-, Ostmittel- und Osteuropas. Dabei wird ein weiter Bogen vom Ende des 18. bis zum frühen 20. Jahrhundert gespannt. Gehörten »Partizipationsverheißung und Gewaltbereitschaft« (Dieter Langewiesche) immer und überall zum Doppelgesicht des Nationalismus? Wie setzte er sich gegenüber regionalen, lokalen und konfessionellen Orientierungen durch? Folgte die Inszenierung der Nation im Westen und Osten ähnlichen Mechanismen, bediente sie sich vergleichbarer Mittel und Wege? Wie veränderten sich nationale Selbstbilder und Feindbilder? Welche Unterschiede lassen sich zwischen verschiedenen Empires, welche zwischen »großen« und »kleinen« Nationen beobachten? Dies sind einige der Fragen, die in diesem Band anhand von 18 länderspezifischen und komparativen Beiträgen aufgegriffen werden.Mit Beiträgen von Dieter Langewiesche, Robert J. W. Evans, Adrian Lyttelton, Andreas Suter, Stefan Berger, Jifii Koralka, Robert Tombs, Miles Taylor u.a.
Autorenporträt
Jörn Leonhard, geb. 1967, ist Professor für Geschichte des Romanischen Westeuropas am Historischen Seminar der Universität Freiburg.

Ulrike v. Hirschhausen, geb. 1964, ist Dozentin für Neuere Geschichte an der Lettischen Universität Riga und Stipendiatin der Alexander-von-Humboldt Stiftung.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.05.2002

Grenzen überwinden
Versuch eines West-Ost-Vergleichs über Nationalismen in Europa

Ulrike von Hirschhausen/Jörn Leonhard (Herausgeber): Nationalismen in Europa. West- und Osteuropa im Vergleich. Wallstein Verlag, Göttingen 2001. 452 Seiten, 34,- Euro.

"Nationalismen in Europa": Hier muß man sich vor Augen halten, daß die deutschen Historiker - von der Vereinigung des Jahres 1990 überrascht und durch "Historiker-Streite" entzweit - über das Thema "Nation" immer noch erheblich verunsichert sind. In dieser Situation haben die Herausgeber mit einem "Katalog von Kriterien und Leitfragen" die aktiven Nationsforscher herausgefordert. Unter den 18 von ihnen engagierten Autoren sind zehn jünger als 40 Jahre alt. Breit gestreut ist die nationale Herkunft der Autoren, unverkennbar jedoch ein britischer Schwerpunkt.

Was hat diese mutige Aktion erbracht? Wohl nicht das, was die Herausgeber sich ursprünglich erhofften. In einer umfangreichen Einführung geben sie einen Überblick über die heute in der Forschung relevanten Fragen, um dann einen systematischen West-Ost-Vergleich durchführen zu können. Am Ende aber müssen sie einräumen, daß der intendierte Vergleich "weitgehend nur symptomatisch, nicht aber systematisch erfolgen" konnte. Die Beiträge zu West- und Osteuropa stehen in der Tat als zwei Blöcke nebeneinander; auch dort, wo Autoren die gleiche Thematik behandeln, vermißt man Verweis und Diskurs. In einer solchen Situation kommt es darauf an, den Blick offenzuhalten.

Durch die Beteiligung zahlreicher auswärtiger Historiker kommen unterschiedliche Positionen zu Wort, während die Herausgeber dem heute in Deutschland vorherrschenden ideologiegeschichtlich-dekonstruktivistischen Ansatz verpflichtet sind. So kann man erleben, wieviel konkreter und direkter britische Autoren mit Nationen und deren Nationalismen als politische Realitäten umgehen. Bei den deutschen Autoren hingegen stehen methodische und konzeptionelle Fragen im Vordergrund. Das ist ihr situationsbedingter Vorteil, die selbstkritische Reflexion, die bis auf den Begriffsgebrauch durchschlägt: Die Nation wird lediglich als ein "Deutungsmuster" bezeichnet, ist nicht mehr terminus classicus für das moderne Staatsvolk, und Nationalismus fungiert als summarischer Oberbegriff für alles, was in diesem Buch behandelt wird: von Frühformen der Nationsbildung in Galizien bis zum Kriegsnationalismus im Weltkrieg.

Es ist das "lange" 19. Jahrhundert, das Jahrhundert der Nationalbewegungen, der Nationalstaaten und des Nationalismus, dem alle Beiträge gewidmet sind. Dabei fällt auf, daß dessen erste Hälfte den Ländern West- und Mitteleuropas vorbehalten ist, die Länder des Ostens hingegen nur in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts behandelt werden, in dem Nationalismus bekanntlich anders in Erscheinung tritt. Werden damit nicht bestimmte Thesen eines West-Ost-Vergleichs bereits vorweggenommen?

Für West- und Mitteleuropa werden eine Reihe nationaler Überblicke vorgelegt, von denen die These von Robert Tombs, den nationalen Diskurs in Frankreich in seinem permanenten Rückbezug auf die Revolution und Napoleon als eine culture of defeat zu verstehen, besonders in Erinnerung bleibt. Einen eigenen Schwerpunkt bilden - leider nur für Osteuropa - die "Übergangsräume", das heißt Regionen, in denen mehrere Völker beziehungsweise Volksgruppen beieinander lebten. Deren Verhalten in Zeiten intensivierter Nationsbildung untersuchen Ulrike von Hirschhausen in Riga und Philip Ther in Oberschlesien.

Auch die aktuell erfolgreichste Richtung der Nationalismusforschung, die Analyse der Nationalkulturen, ist mit den Studien von Manuel Borutta über politische Feste und Helke Rausch über Denkmäler vertreten. Hier wird bewußt, in welchem Maße die Nationen heute von ihrer Ideologie her verstanden werden und zentrale Dimensionen wie die Politik- und Sozialgeschichte in den Hintergrund getreten sind - und damit auch der Blick auf den Basis-Prozeß: die politische Durchsetzung sich emanzipierender Gesellschaftsklassen als Nationen.

Hervorzuheben ist schließlich die Rolle des methodisch durchgeführten Vergleichs in diesem Band; in mindestens sechs Beiträgen steht er im Vordergrund. Das zeigt, welche Bedeutung die komparative Methode in der jüngeren Nationsforschung gewonnen hat - in der Tat ein Fortschritt. Es fällt auf, daß allein westliche Länder miteinander verglichen werden; in keinem Beitrag wird eine westeuropäische Nation konkret einer osteuropäischen gegenübergestellt. Sind sie inkommensurabel, oder wirken hier noch immer die akademischen Disziplingrenzen aus der Zeit nach, in der die osteuropäischen Länder eine fremde Welt darstellten, für die eigene Institute errichtet wurden? Es ist an der Zeit, diese Grenzen zu überwinden - das ist der besondere Appell dieses anregenden Bandes.

OTTO DANN

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Edgar Wolfrum stellt einen "interessanten Sammelband" vor, der exemplarisch untersucht, wie Nationen in West- und Osteuropa entstanden sind. Der Band umspannt den Zeitraum vom Ende des 18. bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts, dabei liegt der Schwerpunkt aber auf dem 19. Jahrhundert, was der Rezensent bedauert: Ihm fehlt die Betrachtung der "Rückkehr der Nation nach 1989", wofür er den Autoren des Bandes "Scheu vor der Zeitgeschichte" bescheinigt. Ansonsten lobt Wolfrum jedoch die differenzierten Beiträge, die den Schluss nahe legten, dass sich der Begriff Nationalismus einer eindeutigen Definition versage. Dies sei historisch und gesellschaftlich begründet, das Resultat der Begriffsbestimmung ist eine "neue Unübersichtlichkeit", urteilt der Rezensent: "Alte Gewissheiten" hätten sich aufgelöst.

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