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Albrecht Schöne spürt die »verborgene Theologie« in der hermeneutischen Dichtung Celans auf.Keine Dichtung des 20. Jahrhunderts, von Franz Kafkas Werken vielleicht abgesehen, widersetzt sich so hartnäckig dem Verständnis der Leser wie die Gedichte Paul Celans. Es erweist sich daher als ergiebig, daß Albrecht Schöne in diesem Vortrag an einem Gedicht die Züge einer »verborgenen Theologie« hervorhebt, deren Verborgenheit notwendige Eigenart des Textes selber ist. Das Verborgene, die Dunkelheit, so macht Schöne deutlich, läßt sich nicht erhellen und verständlich machen. Allerdings läßt sich das…mehr

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Produktbeschreibung
Albrecht Schöne spürt die »verborgene Theologie« in der hermeneutischen Dichtung Celans auf.Keine Dichtung des 20. Jahrhunderts, von Franz Kafkas Werken vielleicht abgesehen, widersetzt sich so hartnäckig dem Verständnis der Leser wie die Gedichte Paul Celans. Es erweist sich daher als ergiebig, daß Albrecht Schöne in diesem Vortrag an einem Gedicht die Züge einer »verborgenen Theologie« hervorhebt, deren Verborgenheit notwendige Eigenart des Textes selber ist. Das Verborgene, die Dunkelheit, so macht Schöne deutlich, läßt sich nicht erhellen und verständlich machen. Allerdings läßt sich das Verborgene aufweisen, ohne seine Verborgenheit anzutasten. »Der in Celan verborgene Paul Pessach Antschel läßt den Autor des Gedichts mit den Worten, die er seiner als Ich bezeichneten dichterischen Figur zu sprechen gibt, hier bis an die Grenze der Sprache gehen, die nach Wittgensteins bekanntem Diktum auch die Grenzen unserer Welt bedeuten.«Zur Reihe:Anknüpfend an die literarische und ästhetische Tradition der Aufklärung erscheinen seit 1990 im Wallstein Verlag die »Göttinger Sudelblätter«. Herausgeber dieser Buchreihe in Heftform ist der Literaturkritiker und Schriftsteller Heinz Ludwig Arnold, der 1999 mit dem Niedersachsenpreis ausgezeichnet wurde.Die Reihe ist zeitgenössischer Prosa und kritischer Essayistik vorbehalten und erscheint in lockerer Folge von ca. drei Heften im Jahr.
Autorenporträt
Albrecht Schöne, geb. 1925, ist einer der bekanntesten Germanisten. Bis zu seiner Emeritierung 1990 lehrte er an der Georg-August-Universität Göttingen. Seine Publikationen zur deutschen Dichtung der Gegenwart, ebenso zur Barock-Literatur, zu Lichtenberg, vor allem zu Goethes »Faust« und zu Goethe als Briefschreiber haben weit über die Grenzen der Fachwissenschaft hinaus gewirkt.Im Wallstein Verlag erschienen: Dichtung als verborgene Theologie. Versuch einer Exegese von Paul Celans Gedicht »Einem, der vor der Tür stand« (2000); Keine Gesänge aus dem Elfenbeinturm. Sechs Kleinigkeiten, eine Reverenz und das Schriftenverzeichnis, hrsg. von Ulrich Joost und Thedel v. Wallmoden (2015); Erinnerungen (2020).
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 01.12.2000

Celan ohne Jargon
„Einem, der vor der Tür stand” Schritt für Schritt sich nähernd: Wie Albrecht Schöne den schwierigen Dichter liest
Wer in der Literaturwissenschaft theoretisch oder methodisch auf sich hält, sollte sich einmal an Paul Celans Dichtung versucht haben. In ihr findet er eine Eiger-Wortwand, an der sich zeigen lässt, was die Ausrüstung taugt. Im Licht professioneller Textdeutung erscheinen Celans Gedichte längst nicht mehr als individuelle Kunstgebilde, sondern fast nur noch als Exempel und Paradigmen: für Exklusion, Obstruktion, Dekonstruktion. So einer Philologie ist der Dichter mitsamt seinem Werk im Grunde nur noch Symptom. Auch will und kann sie keinem gewöhnlichen Leser mehr nützlich sein. Sie leidet am Dichterwitwen-Syndrom und muss die Rechte an ihrem Liebesobjekt ganz für sich alleine haben. Im Fall Celan heißt das: Er wird dazu in eine leserabweisende Fremdheit eingesperrt – weit größer noch als jene, die seiner Lyrik eh innewohnt.
Eine seltene und daher lobenswerte Ausnahme bildet ein Büchlein, das zum achtzigsten Geburtstag, den Celan am 23. November hätte begehen können, erschienen ist. Es enthält eine Rede des emeritierten Göttinger Germanisten Albrecht Schöne, eines Barock-Kenners und Goethe-Entzifferers. Schöne wendet sich einem einzigen Gedicht Celans zu, „Einem, der vor der Tür stand” (aus dem Band Die Niemandsrose von 1963), und gewährt doch einen Blick in den gesamten Celan-Kosmos. Sätze wie den folgenden braucht man bei ihm nicht zu fürchten: „Celan hat jede Ausflucht in Exteriorität verbaut und so dem Grundsatz der Heautonomie am konsequentesten Rechnung getragen. ” Statt dessen findet sich bei Albrecht Schöne eingelöst, was er selbst auf dem Weltkongress der Germanistik 1985 von seiner Zunft forderte: Verzicht auf „Imponiergehabe” und „rücksichtslosen Spezialjargon”.
Er macht Mut, Celan zu lesen, nicht zuletzt, weil er gut und lesbar schreibt. Dabei ist keineswegs entscheidend, dass man seiner Lesart Schritt für Schritt folgt, sondern dass man nach dem Vorbild seiner „Exegese” auch andere Celan-Texte aufschließen kann. Celan war überzeugt, dass seine Gedichte hartnäckiger Lektüre grundsätzlich offen stünden. Dennoch, mehr als ein „entferntes Verstehen” hielt er bei einer Dichtung, in deren Bannkreis Dichter und Leser wie durch Gitterstäbe voneinander getrennt seien, nicht für möglich; auch Schöne respektiert diese Entfernung.
Trotzdem rückt er dem Gedicht recht erfolgreich auf den Sprachleib, und zwar mit einfachen, nie geheimnistuerischen Mitteln. Durch einen Blick ins Wörterbuch bringt er erstes Licht ins Dunkel: Was ist ein „Kielkropf”, was bedeutet „halbschürig”? Kulturhistorische Lexika geben ihm sodann Aufschluss, wer der „Rabbi Löw” des Gedichts war. Schwierigste Textstellen werden mit entlegeneren Textstellen in Briefen, Reden oder Interviews von Celan verglichen, damit sie dort vielleicht Erhellung finden. Auch ein Blick auf Versgestalt, Wortstellung und Zeilenbruch ist nötig, grade weil dieses Gedicht auf den ersten Blick wie „verworrene Prosa” aussieht. Unentbehrlich sind ebenso biografische und zeitgeschichtliche Details, denn Celan war ein Dichter mit scharfem Geschichtsbewusstsein.
Der Verlust des Bibelwissens
Verstehen à la Schöne ist mühsame Millimeterarbeit, ohne dass die Ferne zum Gedicht je ganz überwunden würde. Freilich, auch wer die hier zu übenden Grundgriffe erlernt hat, besitzt damit noch lange nicht Schönes Lesekunst. Doch er wird beim Nähertreten belohnt durch das Gefühl, der Geburt einer einmaligen poetischen Sondersprache beizuwohnen, einer Sprache, die anders gar nicht ausfallen konnte, weil sie durch die „tausend Finsternisse todbringender Rede” gegangen ist, wie Celan in seiner Büchnerpreisrede sagte.
Ein Hindernis für Celan-Leser ist also gar nicht so sehr Celan selbst, vor allem dann nicht, wenn diese Leser an der Hand des richtigen Scouts in seine Texte eintreten. Und doch taucht da am Horizont ein Hindernis auf, das Schöne mit Blick auf Celans Lesbarkeit Sorge bereitet: der schleichende Verlust des einst weit verbreiteten Bibelwissens. Celans Dichtung ist voller Anspielungen auf das Alte und Neue Testament. Jüdisches wird bei ihm oft in Christlichem gespiegelt und umgekehrt. Ohne Psalmenkenntnis etwa liest sich Celan schwerer. Aber nicht nur er.
Albrecht Schöne sieht durch den Verlust landläufigen Bibelwissens eine ganze Kultur in Gefahr, unlesbar zu werden: „Da werden wir wahrhaftig Zeitzeugen einer Kulturrevolution. Was damit wegbricht auch im kulturellen Fundament, was damit verlorengeht an kollektiven, die Generationen übergreifenden Verstehensfähigkeiten und Verständigungsgrundlagen, was es etwa auch für die vielberedete Identität eines auf monetäre, wirtschaftliche und politische Einigungen gegründeten Europas bedeuten mag, wenn die religiösen Energiequellen seiner Kultur versiegen, das lässt sich kaum ermessen. ”
KURT OESTERLE
ALBRECHT SCHÖNE: Dichtung als verborgene Theologie. Versuch einer Exegese von Paul Celans „Einem, der vor der Tür stand”. Göttinger Sudelblätter, hrsg. von H. L. Arnold. Wallstein Verlag, Göttingen 2000. 46 Seiten, 28 Mark.
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"Albrecht Schöne, nicht zuletzt aufgrund seiner Faust-Edition einer der wichtigsten Germanisten, legt mit seinem Band "Dichtung als verborgene Theologie" eine behutsame Interpretation vor, die einen Spruch Lichtenbergs zum Anlass nimmt, eine Dimension Celanscher Dichtung zu erhellen, ohne sich an deren Evidenz zu vergreifen."
(Dresdner)

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Mit großer Begeisterung bespricht Kurt Oesterle diesen Band, den er für eine "lobenswerte Ausnahme" im Betrieb der Literaturwissenschaft hält. Denn professionelle Textinterpretation läuft seiner Ansicht nach viel zu oft in eine "leserabweisende Fremdheit" hinaus. Nicht so bei Schöne, der zwar nur ein einziges Gedicht Celans vorstellt, aber dem Leser dennoch auch das Handwerkszeug vermittelt, andere Texte des Dichters besser analysieren zu können. Schöne ist hier, wie Oesterle betont, seiner eigenen Forderung nach Verzicht auf `Imponiergehabe` und `rücksichtslosen Spezialjargon` in der Germanistenzunft gerecht geworden. So werde mit Hilfe kulturhistorischer Lexika zunächst einmal rätselhafter Begriffe wie `Kielkropf` oder auch `Rabbi Löw` nachgegangen, Textstellen mit Passagen aus Briefen oder Reden Celans verglichen oder auch "biografisch und zeitgeschichtliche Details" untersucht, die bei Celans Dichtung eine große Rolle spielen. Oesterle nennt Schöne einen "Scout", der dem Leser die Geheimnisse des Gedichts erschließt, ohne dabei jedoch einen gewissen Abstand zu überschreiten. Nicht zuletzt weist der Rezensent darauf hin, dass Schöne den allgemeinen Verlust des Bibelwissens bei der Bevölkerung beklagt, denn diese Kenntnisse sind für ihn nicht nur bei der Interpretation von Celans Werken unabdingbar, sondern bilden für ihn eine "übergreifende Verstehensfähigkeit und Verständigungsgrundlage", die nicht durch wirtschaftliche oder politische Gemeinsamkeiten ersetzt werden könnten.

© Perlentaucher Medien GmbH
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