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Produktdetails
  • Verlag: iudicium
  • Seitenzahl: 147
  • Abmessung: 210mm
  • Gewicht: 203g
  • ISBN-13: 9783891298015
  • ISBN-10: 3891298013
  • Artikelnr.: 12569938
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Steffen Gnam lobt dieses Buch von Antje Landmann als "schlüssig aufgebaute Studie". Sie setzt, so erfährt man, an dem Problem an, dass Roland Barthes' Buch "Das Reich der Zeichen" (1970) einen "schmalen Grat" abschreite; zwischen, einerseits, "dem Versuch, die eurozentrische Perspektive" auf Japan "mittels der Fremderfahrung zu durchbrechen" und, auf der anderen Seite, dem dabei immer "lauernden Rückfall in den Orientalismus", der den Osten "für Selbstkritik und Selbsterfahrung instrumentalisiert". Die Autorin zeigt dabei, so Gnam, wie die Japan-Erfahrung den Textbegriff und die Rezeptionstheorie Barthes´ und seiner Schüler inspirierte. Am interessantesten fand der Rezensent aber offenbar, dass Landmann immer wieder einen "Rückfall in die Hermeneutik" auszumachen vermag - insofern nämlich etwa die "Sinnentleerung durch Dezentrierung", die Barthes immer wieder vorführe, und auch in der fragmentarischen Struktur seines Buches zu verwirklichen suche, "paradoxerweise gerade dem westlichen Leser sinnvoll" erscheine.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.02.2004

Tokio als Ideogramm
Antje Landmann über Roland Barthes' orientalistische Fallgruben

Der Semiologe Roland Barthes, der sich 1966/67 zu mehreren Vortragsreisen in Japan aufhielt, beschrieb in seinem Buch "Das Reich der Zeichen" (1970) Japan als exemplarisches "Land der Schrift", als Symbolsystem, in dem er eine "Arbeit des Zeichens" angetroffen hätte, die seinen theoretischen Idealen am nächsten kam. Barthes liest Japan in seinem kurzen Brevier wie einen "kulturellen Text", erkennt in den Gesten, Gärten und Gesichtern einen "Vorrat von Zügen", die er zu einem System destilliert, das er "Japan" nennt - das manche Kritiker aber mit dem realen Japan verwechselten. Von seiner Analyse der japanischen Zeichenleere, die er vordergründig auf den Zen-Buddhismus zurückführt, erhofft er sich eine "Umwälzung der alten Lektüren, eine Erschütterung des Sinns".

Das in Marokko verfaßte Japan-Buch Barthes' wurde gleich in mehrere Richtungen mißverstanden. Angesiedelt zwischen Reisebericht, Tagebuch und wissenschaftlichem Diskurs, entzieht es sich schon stilistisch einer eindeutigen Genrebestimmung. Berauscht von der betörenden Ästhetik exotischer Zeichenreiche, schreitet der Text den schmalen Grat ab zwischen dem Versuch, die eurozentrische Perspektive mittels der Fremderfahrung zu durchbrechen, und dem lauernden Rückfall in den Orientalismus, der den Osten für Selbstkritik und Selbstfindung instrumentalisiert.

In diesem Zwischenraum zwischen Innenschau des Westens und Essentialisierung des Orients setzt Antje Landmanns Studie ein. Sie zeigt, wie der Flaneur in Fernost in der japanischen Stadtplanung, Unterhaltungsindustrie oder Sprache, deren Syntax das Ich vermeidet, seine postmodernen Postulate vom Tod des Autors, vom Spiel der Signifikanten oder der Dezentrierung verwirklicht sah. So liest er Tokio als Ideogramm, dessen unzugänglicher Kaiserpalast anders als die westlichen Zentren des Kommerzes und der Macht den Verkehr über Umwege und Rückwege um ein leeres Subjekt zirkulieren läßt.

Aber Barthes beschränkt sich nicht auf die schöngeistige Betrachtung folkloristischer Phänomene. Der Autor der "Mythen des Alltags" (1957) war sich der Unhintergehbarkeit der ideologischen Sprechweise durchaus bewußt. Bei dem Versuch, die Deutungsmacht des Abendlandes zu brechen, betrügt er laut Landmann dennoch die dominanten Diskurse, indem er sie erst nachahmt, dann umdeutet und ins Leere laufen läßt: So führt er bei seiner semiologischen Deutung von Nippons Codes der Höflichkeit, der Schenkkultur und Verpackungskunst aus, wie das Signifikat von Hülle zu Hülle flieht und die Erwartungen des Europäers in die Irre geleitet werden.

Schließlich bringt die Autorin das von Roland Barthes in der japanischen Ästhetik ausgemachte "Reich der Zwischenräume" mit Gadamers "Horizontverschmelzung", Michail Bachtins hybridem "fremden Wort" und Homi K. Bhabhas postkolonialer Theorie vom "dritten Raum", welche in Anlehnung an Barthes das Zentrum "von den Rändern her" neu einzuschreiben suchte, in Verbindung.

Auch wenn die Japan-Erfahrung also den Textbegriff und die Rezeptionstheorie Barthes' und seiner Schüler inspirierte, so erkennt Landmann in ihrer schlüssig aufgebauten Studie immer wieder einen "Rückfall in die Hermeneutik": Die Sinnentleerung durch Dezentrierung, die Barthes auch in der fragmentarischen Struktur seines Buches zu verwirklichen sucht, erscheint paradoxerweise gerade dem westlichen Leser sinnvoll.

STEFFEN GNAM

Antje Landmann: "Zeichenleere". Roland Barthes' interkultureller Dialog in Japan. Iudicium Verlag, München 2003. 147 S., br., 15,- [Euro].

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