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7 Kundenbewertungen

Am Ende geht es um den Moment. Wie das Mondlicht durch die Ritze der Jalousie auf den Parkettfußboden fällt. Wie das Auto unten vorbeifährt. Wie es wieder still wird. Du atmest. Ich sitze an deinem Bett. Es ist dieser Moment, den Anna wahrnimmt, um Ludwig, mit dem sie seit acht Monaten zusammen ist, ohne dass jemand davon weiß, zu sagen, was sie ihm nie gesagt hat. Von den Brüchen in ihrem Leben hat sie nicht gesprochen, nicht von dem Selbstmord des Vaters, nicht von der depressiven Mutter im Altersheim, nicht von Südafrika, wo sie lange gelebt hat, den Drogen, den Partys, der Gewalt, dem…mehr

Produktbeschreibung
Am Ende geht es um den Moment. Wie das Mondlicht durch die Ritze der Jalousie auf den Parkettfußboden fällt. Wie das Auto unten vorbeifährt. Wie es wieder still wird. Du atmest. Ich sitze an deinem Bett. Es ist dieser Moment, den Anna wahrnimmt, um Ludwig, mit dem sie seit acht Monaten zusammen ist, ohne dass jemand davon weiß, zu sagen, was sie ihm nie gesagt hat. Von den Brüchen in ihrem Leben hat sie nicht gesprochen, nicht von dem Selbstmord des Vaters, nicht von der depressiven Mutter im Altersheim, nicht von Südafrika, wo sie lange gelebt hat, den Drogen, den Partys, der Gewalt, dem Schmerz. Das alles passte nicht in Ludwigs Welt, die sich um Macht und Erfolg, um den richtigen Style und die angesagte Musik drehte und aus der alles ausgeblendet wurde, was den schönen Schein der Oberfläche stört. Aber jetzt ist auch in Ludwigs System etwas aus dem Ruder gelaufen und er, der Überflieger, Redakteur für besondere Aufgaben bei einem Hamburger Gesellschaftsmagazin, der immer eine Antwort hat, der einsam, verschroben, fleißig und elitär ist, hat Schlaftabletten genommen, vielleicht eine Überdosis, Anna weiß es nicht. Sie sitzt wie Scheherazade an seinem Bett und erzählt. Hört er es?
Autorenporträt
Weitholz, ArezuArezu Weitholz wurde 1968 in Niedersachsen geboren und lebt heute in Berlin. Sie arbeitet als Journalistin, Illustratorin und als Textdichterin u.a. für Herbert Grönemeyer, Die Toten Hosen, Udo Lindenberg, 2raumwohnung und Madsen. Zuletzt erschien von ihr Ein Fisch wird kommen (Kunstmann 2013).
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Laut Andrea Diener sind die 90er aber nun wirklich vorbei, etwas ist passiert, das alle rausgerissen hat aus ihrer Egomanie - wirklich? So kommt es der Rezensentin vor beim Lesen des Debütromans von Arezu Weitholz. Damals war alles Oberfläche, stellt Diener fest - und heute? Dass Weitholz sich "von Satz zu Satz singt" erklärt sich Diener mit der früheren Arbeit der Autorin als Texterin für die "Toten Hosen" (!). Sprachlich und inhaltlich, meint die Rezensentin, schlägt sich das nieder in diesem, wie sie findet, angenehm ironiefreien Abgesang auf eine Epoche.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 12.02.2013

Im Hipster-
Haifischbecken
Arezu Weitholz und ihr Roman
„Wenn die Nacht am stillsten ist“
Es gab eine Zeit, da wollten junge Männer so sein wie Hunter S. Thompson oder Tom Wolfe: im Sportwagen durch die Gegend fahren und Geschichten über das schreiben, was ihnen gefiel, über Popstars, Politiker und andere Prominente. Manchmal trafen sie diese Celebrities tatsächlich, manchmal auch nicht. Dann dachten sie sich aus, was sie mit ihnen hätten erleben können, wenn sie ihnen denn begegnet wären. Man kann sich das heute kaum mehr vorstellen – aber diese glamourösen, temporeichen Zeiten sind noch gar nicht so lange vorbei.
  Es kommt einem dennoch schon ein wenig historisch vor, was Arezu Weitholz in ihrem ersten Roman „Wenn die Nacht am stillsten ist“ erzählt. Ihr Buch beginnt mit dem nächtlichen Monolog einer verlassenen Frau, die am Bett ihres Ex-Freundes sitzt. Ludwig heißt er, und er ist so ein New-Journalism-Epigone und intellektueller Überflieger, der ehrfurchtgebietende Bücher verfasst. Blöd, dass der Kisch-Preisträger als journalistischer Borderliner auffliegt und nach einer Überdosis Schlaftabletten möglicherweise seinem Nachruf entgegendämmert. Die in Gegenwart ihres Geliebten immer etwas unsichere Ich-Erzählerin nutzt die Gunst der Stunde und wird endlich los, was sie Ludwig nie zuvor zu sagen wagte. Sie erzählt also von sich. Von ihrer Zeit in Südafrika, wo sie als DJane arbeitete und ein paar Freunde im Drogenrausch verloren hat. Vom Selbstmord ihres Vaters. Von der in einem Altersheim dahinsiechenden Mutter. Sie spricht zu diesem neurotischen, arroganten, unzugänglichen Mann, von dem sie fasziniert ist, wie zu einem Unbekannten, dem sie sich endlich als ein eigenständiges Ich vorstellen will. Sie nutzt seine Schwäche, um selbst endlich Stärke zeigen zu können.
  Als man schon vermuten muss, dass hier eine endlose Suada am Sterbebett beginnt, setzt die Geschichte noch einmal ein, diesmal aus personaler Perspektive. Nun erfahren wir, was vor dieser Nacht geschehen ist. Und wir hören mehr von Anna, die nach ihrer Rückkehr aus Südafrika bei einem angesagten Hamburger Szene-Magazin gelandet und unter die Popjournalisten geraten ist. Kein einfaches Los: Sie kommt in diesem Hipster-Haifischbecken ganz schön ins Strampeln, attackiert von maßloser männlicher Eitelkeit. Gut, dass zu Hause ihr Goldfisch im Aquarium wartet; ihm kann sie sich anvertrauen.
  Ludwig ist ihr Chef, bewundert und gefürchtet und undurchschaubar, gebildet und unfehlbar, was ihn für die haltlose Anna ziemlich reizvoll macht. Die beiden werden ein Paar, bis Ludwig ihr eines Morgens ohne Vorwarnung den Laufpass gibt. Am Ende dieses Tages sind wir wieder am Anfang des Buches angekommen – „wenn die Nacht am stillsten ist“.
  Arezu Weitholz, 1968 geboren, hat als Textdichterin für Herbert Grönemeyer und Campino gearbeitet, zudem zwei Bände mit skurril-lustigen Fischgedichten veröffentlicht. Sie hat wie Anna in Südafrika Platten aufgelegt, und wenn sie in ihrem Buch von einem Interview mit Madonna erzählt, dann dürfte die Autorin dem Star tatsächlich begegnet sein. Ihre Sprache ist den Coolness-Riten einer bestimmten Szene abgeschaut, ihr Buch hat Drive und Witz – Weitholz möchte ihre Leser auf keinen Fall langweilen.
  Was dazu führt, dass sie keinen Bogen um Slogans und knallige Popsongzeilen macht und häufig erzählt wie eine Feuilletonistin, die ungern auf eine originelle Wendung verzichtet. „Hätte war der kleine Bruder von feige“, kalauert sie. Oder: „Die Band war wie Science-Fiction-ELO, und sie war eine urbane Alice im Technowunderland.“ Und schon der Titel spielt auf ein Lied von Ton Steine Scherben an. Viel schöner, weil nicht unter dem Diktat einer vorgeformten, hippen Sprache stehend, sind die Passagen über den Besuch bei Annas Mutter im Heim, die das Verlorensein im eigenen Milieu kontrastieren und von der Einsamkeit des Alters erzählen.
  Trotz gelegentlicher Bemühtheiten in der sprachlichen Überhöhung eines Lebensgefühls ist dieses Debüt lesenswert – gerade, weil es auch vom Misslingen urbaner Lebensentwürfe handelt. Davon, wie es sich anfühlt, wenn die Nadel in der Auslaufrille der Platte hängenbleibt und keiner mehr in der Lage scheint, einen neuen Song aufzulegen. Arezu Weitholz hat den Roman einer schon an ihren Voraussetzungen zerschellenden Liebe geschrieben. Aber nicht nur eine Liebe wird hier wohl beerdigt, sondern auch eine bestimmte Form des Journalismus.
ULRICH RÜDENAUER
Arezu Weitholz: Wenn die Nacht am stillsten ist. Roman. Kunstmann Verlag, München 2012. 224 Seiten, 17,95 Euro.
Gut, dass zu Hause der Goldfisch
im Aquarium wartet
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.10.2012

Madonnas Vorhänge
Arezu Weitholz hat ihren ersten Roman geschrieben

Natürlich kann es nicht so gewesen sein, aber irgendwie erinnert man die späten Neunziger und die Jahrtausendwende als eine Zeit der Oberflächen, Posen und Geschmacksfragen. Überhaupt ist Pop nicht dazu geeignet, Katastrophen zu erklären, wie eine depressive Mutter in der Geschlossenen, die mit Büchern nach Pflegern wirft.

In diesem Zwiespalt steckt Anna, die nach Jahren als DJ in Südafrika eine Stelle bei einem Magazin in Hamburg angeboten bekommt. Sie kennt sich mit Musik aus, sie kann schreiben, hat Drogen genommen und einiges gesehen, wovon man in den besseren Hamburger Kreisen nichts ahnt. Ihr Leben besteht aus mehr Abgründen, als ihr lieb ist. Das alles kann man eigentlich keinem erzählen an einem Arbeitsplatz und in einem Beruf, der von einem verlangt, mit Madonna über Vorhänge zu reden.

Auch Ludwig kann sie nicht von ihrer Mutter erzählen, dem Chefredakteur, mit dem sie ein Verhältnis hat, von dem keiner wissen darf, es wäre ihm nicht recht. Ludwig, diese wandelnde Oberfläche, der Einzelgänger, der behauptet, nicht fähig zur Liebe zu sein, und der doch nicht so souverän ist, wie er gern wäre. Irgendetwas stimmt nicht mit ihm, weshalb Anna zu Anfang des Buches an seinem Bett sitzt und er darauf liegt, bewusstlos mit einer Überdosis Tabletten im Magen. Und Anna erzählt, redet mit ihm, redet zu ihm, der nichts hört: "Ich könnte Musik anmachen, ich könnte gehen. Meinen Mantel anziehen, raus, nach Hause, ein paar Stunden nicht an dich denken, einschlafen, dann morgen anrufen und sehen, ob du die Kurve gekriegt hast. Auch jetzt wäre es nur ein Telefonat - du musst es nur sagen, dann rufe ich einen Notarzt. Aber darüber haben wir nie gesprochen. Notfälle kamen in deiner Welt nie vor."

Notfälle kommen aber in Annas Welt vor, viel zu viele davon, angefangen mit ihrem Vater, der sich umbrachte, als sie ein kleines Mädchen war. Ein Mann, der Verzweiflung ansammelte und dem jeder Moment unerträglich wurde. Und darin genau das Gegenteil von Ludwig war, dem immer alles so wichtig schien, jede Kleinigkeit, der Wert legte auf Dinge, wenn schon nicht so sehr auf Menschen, so schien es zumindest, wenn man ihn von außen betrachtete. Und der mit Anna noch am Morgen Schluss gemacht hatte: "Es ist aus", sagte er über das Vierminutenei hinweg. Und der in Bedrängnis gekommen war, kleine Risse in seiner perfekten Welt, kleine Kratzer auf der Oberfläche, aber das ist vielleicht für einen wie ihn schon zu viel. Zuviel für einen Menschen, dessen Welterklärungsmodell nicht dafür geeignet ist, mit Katastrophen umzugehen.

Arezu Weitholz hat bisher als Journalistin, Illustratorin und Lyrikerin gearbeitet, und sie schrieb Texte für Bands wie 2raumwohnung, die Toten Hosen und Udo Lindenberg. Man merkt die Nähe zur Musik auch ihrem ersten Roman an, nicht nur inhaltlich, auch sprachlich. Sie singt sich von Satz zu Satz, Anna singt ein Trauerlied für Ludwig, dann wechselt die Perspektive, die Erzählstimme holt Luft, nimmt sich zurück, spannt den Bogen weiter und versucht, neben Anna und Ludwig und ihrer komplizierten Geschichte auch diese seltsame Zeit einzufangen, diese späten neunziger Jahre und die Jahrtausendwende, als es um Oberflächen und Posen und Geschmacksfragen ging. Und das ist dann kein Trauerlied mehr, sondern ein Abgesang auf eine Epoche, die anscheinend arm an Katastrophen war, aber das täuscht, wenn man nur genau genug hinschaut, was damals keiner so gerne tat. Weitholz tut es jetzt, mit einigem Abstand, ganz ohne Ironie.

Und es fällt einem auf, wie weit in die Ferne diese Zeit auf einmal rückt und wie beschränkt das Denken war, bei aller Behauptung von Weltläufigkeit, wie sehr alle um sich selbst kreisten und wie unabwendbar es war, dass irgendetwas passieren musste.

ANDREA DIENER

Arezu Weitholz: "Wenn die Nacht am stillsten ist".

Roman.

Kunstmann Verlag, München 2012. 224 S., geb., 17,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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