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Die Politisierung Europas hat erst begonnen. In seiner klugen Analyse zeigt der Journalist Gunter Hofmann, welche Chancen in diesem Projekt der Moderne liegen.

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Produktbeschreibung
Die Politisierung Europas hat erst begonnen. In seiner klugen Analyse zeigt der Journalist Gunter Hofmann, welche Chancen in diesem Projekt der Moderne liegen.
Autorenporträt
Gunter Hofmann, Jahrgang 1942, hat Politische Wissenschaften, Philosophie und Soziologie studiert, zunächst für die "Stuttgarter Zeitung", seit 1977 für die "Zeit" als Korrespondent in Bonn gearbeitet, dann viele Jahre das Berliner Büro der "Zeit" geleitet. Für sein Buch "Abschiede, Anfänge - Die Bundesrepublik, eine Anatomie" (Kunstmann 2002) erhielt er den Preis der Friedrich-Ebert-Stiftung für das Politische Buch des Jahres.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 12.06.2006

Erfolgsprojekt Europa
Eine Würdigung des unterschätzten alten Kontinents, der in den vergangenen Jahrzehnten alle Krisen weitgehend meisterte
Der Journalist und Autor Gunter Hofmann verlässt die ausgetretenen Pfade und schaut mit Verve auf Europa. Er tut das aus örtlicher Distanz, aus dem „Center for European Studies” der Harvard Universität in Massachusetts. Sein Buch ist ein leidenschaftlicher Appell, die Europäische Union als das zu sehen, was sie ist - eine unglaubliche Erfolgsgeschichte.
Außenstehenden falle es meist leichter, das Projekt Europa zu würdigen, meint Hofmann. Das gelte für Intellektuelle aus der ganzen Welt, die USA eingeschlossen. Allerdings schenke man den negativen Stimmen, besonders hierzulande, weit mehr Beachtung. Welche Aufregung habe etwa der amerikanische Politikberater Robert Kagan verursacht, als der den Mars-Venus-Vergleich für Amerika und Europa ins Spiel brachte und zu dem Schluss gelangte, Europa würde neben einem starken Amerika dauerhaft schwach bleiben, weil es nicht bereit und fähig sei, Krieg zu führen. Andere empfinden Europa gerade wegen seiner Zurückhaltung als machtvoll und wirksam. Und gelegentlich kommen sie mitten aus der EU, wie der junge britische (!) Autor Mark Leonhard, der glaubt, Europa werde das 21. Jahrhundert dirigieren.
Hofmann analysiert den Ist-Zustand, wozu er selbstverständlich auch auf die Geschichte zurückgeht. Dabei zeigt er, dass selbst Turbulenzen und Krisen die insgesamt positive Entwicklung nicht aufhalten konnten. Beispiel Polen: Das Land, dem die Geschichte so übel mitgespielt hat wie keiner anderen Nation auf dem Kontinent, sei nun nach Europa zurückgekehrt. Einen Taumel der Begeisterung habe das freilich nicht hervorgerufen. Es sei, als halte man bewusst ein Fernglas falsch herum. Wie erkläre es sich sonst, dass die Vereinigung von Ost- und West-Europa auf friedliche und demokratische Weise nicht als unerhörtes historisches Ereignis wahrgenommen werde? Auch die Zahlen bewiesen, wie erfolgreich die EU-Erweiterung sei. Die Angst, „Billiglöhner” würden den Westen überschwemmen, habe sich als unbegründet erwiesen.
Einen Seitenblick wirft der Autor auf die USA, zu denen Europas „Familienbande” bekanntlich reichen. Er entdeckt bei vielerlei Kritikwürdigem genug, was man von Amerika lernen könne. Dieses sei schließlich als „das neue Europa” entstanden und habe sich mit der Kraft einer liberalen Gesellschaft in erster Linie durch Assimilation ein Miteinander erstritten.
Auch Hofmann hat an „Brüssel” eine Menge zu kritisieren. Er vermisst wie viele Transparenz, er bemängelt zu viel Bürokratie und wünscht mehr Demokratie, wohl wissend, dass gerade die letzte Forderung schwer zu erfüllen ist. Ausgerechnet die von Franzosen und Niederländern abgelehnte Verfassung sollte ja gerade dazu beitragen. Gleich, ob das Non und Nee wirklich der Verfassung galt, von der so herzlich wenig in die Köpfe der Wähler gedrungen sei (auch ein Versäumnis der Journalisten, wie der Autor selbstkritisch anmerkt), oder ob die Mehrheit in beiden Ländern damit signalisiert habe: nicht so! Faktum sei eine ungeliebte Union, deren rasantes Wachstum verängstige.
Bulgarien und Rumänien stehen vor der Tür, und dann kommt die Türkei, der umstrittenste Kandidat. Der Autor plädiert dafür, ihr die Tür nicht vor der Nase zuzuschlagen. Wenn die Türkei alle demokratischen Forderungen erfüllt haben werde, spreche seiner Ansicht weit mehr für ihre Aufnahme als dagegen. Voraussetzung sei, dass die EU-Politiker in ihren jeweiligen Ländern die Dimension dieser schwierigen Eingliederung offen zur Sprache brächten.
Zweifellos bedeute die Ablehnung der Verfassung einen Rückschritt, denn mit ihrer Annahme hätte Europa begonnen, sich als Gesamtheit zu begreifen, die global mitspielen wolle - auch politisch. Doch gebe es selbst hier einen positiven Effekt. Nun seien die Politiker gezwungen, Versäumtes nachzuholen, und klar darüber zu sprechen, was auf die Menschen zukomme. Das betrifft in erster Linie die Westeuropäer, die sich vor einer Verschlechterung ihrer wirtschaftlichen Situation fürchten. Und in der Tat werde es eine Angleichung nach unten geben. Die Löhne würden sinken, die Sicherheiten schwinden. Im Osten hingegen würden sich die Einkommen allmählich nach oben bewegen. Europa, so Gunter Hofmann, müsse lernen, mit weniger glücklich zu bleiben oder zu werden.
Aber hat Europa nicht schon ganz andere Schwierigkeiten überwunden? Etwa die Zäsur von 1989. Damals habe Europa eine politische Dimension gewonnen, ohne dass diese richtig erkannt worden sei. Es sei nicht mehr um ein lupenreines Binnenmarkteuropa gegangen, sondern darum, Verantwortung für den gemeinsamen Kontinent zu übernehmen. Ganz zu schweigen von der Krise um den Irak-Krieg. Hofmann erkennt auch hier das Positive: „Man macht sich auch nicht blind für die Fehler und Versäumnisse, wenn man sagt, die Linie der Irak-Politik, zwischen Emanzipation und Westbindung, war prinzipiell richtig und alles andere als ein deutscher Sonderweg.” Und das Beste: Das Prinzip Europa funktionierte. Trotz der tief gehenden Kontroverse im Streit um den damals bevorstehenden Irak-Krieg sei man selbst in dieser Phase bereit zur Kooperation gewesen.
ELKE NICOLINI
GUNTER HOFMANN: Familienbande. Die Politisierung Europas. Verlag Antje Kunstmann, München 2005. 265 Seiten, 19,90 Euro.
Ein historisches Ereignis, das zu wenig gewürdigt wird: die friedliche Vereinigung Ost- und Westeuropas.
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Der Journalist Gunter Hofmann berichtet aus Brüssel von der alltäglichen Arbeit der EU-Institutionen - und macht sich in diesem Band Gedanken über den aktuellen Status der Union. Der Rezensent Willy Zeller lobt das Buch als "lebhaft geschrieben" und stellt fest, dass Hofmann sich in seinen Schilderungen vor allem für "Überraschendes", auch "Widersprüchliches" interessiert. So wird, zum Beispiel, einerseits das Fehlen einer instituierten öffentlichen Diskussion beklagt, andererseits aber doch eine Art "Identitätsgefühl" beschworen, das sich beim Widerstand gegen den Irak-Krieg gezeigt habe - und sogar in der Debatte um die "Verfassungskrise". Zeller sieht diese Widersprüche nicht unbedingt als Mangel und hat auch sonst nichts Kritisches über den so "anschaulichen" wie "gut dokumentierten" Band zu sagen.

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