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Wenn das Leben zum Verrücktwerden ist, kann man sich genauso gut hineinstürzen. Genau das tut Sissi Labreche, Protagonistin und Autorin dieses wilden, verzweifelten Debütromans. Von klein auf rennt Sissi los, angetrieben von der Sucht nach Nähe und dem Bedürfnis, sich geliebt zu fühlen. Immer mit ihrer Fantasie-Bazooka bewaffnet, denn überall lauern die Monster. Etwa in Gestalt der liebevollen Mutter mit dem glasig-abwesenden Blick oder der Großmutter, die den Alltag mit eiserner Hand ins Gleis zwingt und Sissi, nur zu ihrem Besten, unermüdlich vor Serienkillern, Kinderschändern, der geschlossenen Psychiatrie und dem Sozialamt warnt.…mehr

Produktbeschreibung
Wenn das Leben zum Verrücktwerden ist, kann man sich genauso gut hineinstürzen. Genau das tut Sissi Labreche, Protagonistin und Autorin dieses wilden, verzweifelten Debütromans. Von klein auf rennt Sissi los, angetrieben von der Sucht nach Nähe und dem Bedürfnis, sich geliebt zu fühlen. Immer mit ihrer Fantasie-Bazooka bewaffnet, denn überall lauern die Monster. Etwa in Gestalt der liebevollen Mutter mit dem glasig-abwesenden Blick oder der Großmutter, die den Alltag mit eiserner Hand ins Gleis zwingt und Sissi, nur zu ihrem Besten, unermüdlich vor Serienkillern, Kinderschändern, der geschlossenen Psychiatrie und dem Sozialamt warnt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.10.2002

Grenzproblem mit Schafsaugen
Cinderella flieht: Marie-Sissi Labrèches Psychogramm einer Störung

Als sie Érics Hand wieder zwischen ihren Beinen spürt, überkommt Sissi die plötzliche Lust, das triste, billige, beschämend traurige Hotelzimmer kurz und klein zu schlagen. Das "Walroß", wie sie ihn nennt, hatte eben mit ihr geschlafen, und Sissi war, als würde sie jetzt "innerlich zerreißen"; Sissi hatte Éric kein einziges Mal geküßt. Als er unvermutet nachgibt und das Zimmer verläßt, um etwas zu Essen zu holen, weint sie ihre letzten Tränen und macht sich davon. Sissi ist eine Cinderella auf endloser Flucht, sie entkommt mühelos allen Grenzen der eigenen Identität.

Sissi, die vierundzwanzigjährige Erzählerin dieses schlanken Debütromans der jungen kanadischen Autorin Marie-Sissi Labrèche, leidet an einer Persönlichkeitsstörung: "Meine Persönlichkeit", sagt sie, "hat Krebs: Eine Kugel, die in mir drin sitzt und sich von meinen Zellen ernährt, seit ich ganz klein bin. Ich bin borderline. Ich habe ein Problem mit Grenzen." Labrèches Roman hat dieses Problem leider auch. Er spinnt sich entlang der feinen Linie zwischen Neurose und Psychose, welche der Borderlinestörung ursprünglich ihren Namen gab, entfaltet sich aber zusehends zu einem Spektrum traumatischer Erlebnisse, die den Leser ebenso wie die Erzählerin in eine instabile Welt zwischen Wahn und Wirklichkeit zu stürzen drohen. "Borderline" ist ein aggressiver Roman, sprachlich hat er wenig zu bieten. Die angespannte Prosa wirkt in ihrer zur Schau gestellten Emotionalität nach einer Weile ermüdend: Wut und Verzweiflung sind hier von dem rasenden Tempo eines Schnellzugs, der seine Passagiere behutsam in den Schlaf schaukelt.

Denn der Verlauf von Sissis Persönlichkeitsstörung, der eiserne Weg, dem Labrèches Roman folgt, bietet keine Überraschungen. Vom frühen sexuellen Mißbrauch durch den Stiefvater ist die Rede, vom Selbstmord der gehaßten Mutter. Sissis Angst vor dem Verlassenwerden, vor dem Tod der Großmutter, bei der sie aufwächst, ist ebenso Teil dieser lehrbuchhaften Deklination der Borderlinestörung wie Sissis chronisches Gefühl von Leere und ihr obsessives Bemühen, Freundschaften zu knüpfen und Beziehungen aufzubauen. Als Éric sie schließlich mit seinen hungrigen Schafsaugen anschaut, ergreift sie wieder die Sehnsucht nach Liebe, das trügerische Gefühl, wenigstens gebraucht zu werden.

Was an sich eine seltene und daher interessante Geschichte erzählt, leidet vor allem an der Distanzlosigkeit, mit der die Erzählerin sich selbst reflektiert. Wo beispielsweise ein auktorialer Erzähler die Figur der Sissi im Kontext eines stabilen Panoramas hätte verankern und beobachten können, wo ein personaler Erzähler mit ihr in einen Dialog getreten wäre, in dem die Persönlichkeit der Borderlinerin an Profil gewonnen hätte, bleibt das Bewußtsein der von Marie-Sissi Labrèche gewählten Erzählerin ein allzu eindimensionaler und nur wenig verläßlicher Ort für die Romanhandlung. "Borderline" ist wie ein wildes Rauschen, unnachgiebig, undurchdringlich.

THOMAS DAVID

Marie-Sissi Labrèche: "Borderline". Roman. Aus dem Französischen übersetzt von Hinrich Schmidt-Henkel. Verlag Antje Kunstmann, München 2002. 160 S., geb., 16,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Besonders französischsprachige Autorinnen - Despentes, Angot und Millet - haben sich in letzter Zeit in den Augen von Thomas Laux mit ihrer "narzisstischen Nabelschau" besonders hervorgetan - will heißen, sie haben ihm missfallen. Mit Marie-Sissi Labreche, die allerdings aus dem französischsprachigen Kanada, dem Quebec, kommt, geht es ihm nicht anders. Ihr Roman heißt bzw. behauptet von sich, einfach "Borderline" zu sein, doch was das Borderline-Phänomen als pathologische Störung eigentlich ausmacht, erfahre man nicht, kritisiert Laux. Für ihn soll diese Behauptung Authentizität vortäuschen, in Wirklichkeit würden stattdessen massenhaft Klischees verbreitet, stöhnt Laux: böse Großmutter, fehlende Mutter, erste lesbische Liebe usw. Für Laux setzt Labreche "mit machistischem Aplomb" auf Schockwirkung, was plump und eher peinlich wirke. Auch die Verquickung von Sexualität und psychischer Störung findet er sprachlich misslungen und zitiert einen kurzen Auszug, den wir den Leserinnen nicht vorenthalten wollen: "Hektoliter von Traurigkeit ... fließen zwischen meinen Beinen heraus. Ich fliehe durch meine Vagina." Der Rezensent hat sich in ein überraschend schnelles Ende seiner Kritik geflüchtet.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Ein Buch wie ein Blitzschlag." (Elle)