Marktplatzangebote
4 Angebote ab € 8,00 €
  • Broschiertes Buch

Höchst sensibel hat die Mode auf all die Umwälzungen des 20. Jahrhunderts reagiert: auf die Veränderungen des Frauenbewußtseins und der gesellschaftlichen Verhältnisse, auf die Entwicklungen in Kunst und Technik und auf die neuen Marktbedingungen. Modeexperte Francois Baudot folgt den ästhetischen Verästelungen der Mode, von 1900 über die Kriegs- und Zwischenkriegsjahre und die Swinging Sixties bis heute. Mit einem historischen Überblick eröffnet er jedes dieser Modekapitel, stellt zahlreiche Modeschöpfer einzeln vor, zeigt "Leute" wie Jackie Kennedy, die Beatles, Björk und Boy George, die…mehr

Produktbeschreibung
Höchst sensibel hat die Mode auf all die Umwälzungen des 20. Jahrhunderts reagiert: auf die Veränderungen des Frauenbewußtseins und der gesellschaftlichen Verhältnisse, auf die Entwicklungen in Kunst und Technik und auf die neuen Marktbedingungen. Modeexperte Francois Baudot folgt den ästhetischen Verästelungen der Mode, von 1900 über die Kriegs- und Zwischenkriegsjahre und die Swinging Sixties bis heute. Mit einem historischen Überblick eröffnet er jedes dieser Modekapitel, stellt zahlreiche Modeschöpfer einzeln vor, zeigt "Leute" wie Jackie Kennedy, die Beatles, Björk und Boy George, die Mode getragen und übertragen haben, wirft einen Blick auf das Outfit der Männer und greift zentrale Aspekte heraus: die Wirkung des Kinos in den dreißiger Jahren, den Schritt von der Couture zur Konfektion in den Fünfzigern, die Anti-Mode der Sechziger, den Show-Effekt der Achtziger sowie die Bedeutung von Photographen, Models, Werbung und Marken in den Neunzigern. Dieses Handbuch zur Mode des 20. Jahrhunderts erfaßt die Mode als Ausdruck der Entwicklungen, die dieses Jahrhundert zwischen den Jahren 1900 und 2000 durchlaufen hat.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.04.2000

Wer für die Komm-wie-du-bist-Party gerüstet sein wollte, schrubbte den Boden in einem Modell von Dior
Für Hausfrauen war es eine Lust, im zwanzigsten Jahrhundert zu leben: Zwei Bücher schicken das verblichene Jahrhundert noch einmal auf den Laufsteg

Das graue Jahrhundert hat eines in Fülle hervorgebracht: Moden und Kleiderstile. Es trug das Bunte und Grelle oft trotzig zur Schau und glich darin der aufgebahrten Leiche, die man im bäuerlichen Russland zum letzten Kirchgang aufwendig schminkte. Das Spiel mit der Vergänglichkeit hat meist ernste Hintergründe. Kleidung, die Eindruck macht, verbirgt oft ein Problem. Klassen- und Geschlechtskonflikte wurden ebenso auf dem Körper ausgetragen wie Kriege und Wohlstandskrisen. Im letzten Jahrzehnt ist die Mode auch zum Schauplatz des interkulturellen Dialogs geworden. Was Japan möglicherweise am Westen auszusetzen hatte, fand man nicht in Zeitungen oder den Kommuniqués der Weltgipfelkonferenzen, sondern auf dem Pariser Laufsteg, wo Yohji Yamamoto und Rei Kawakubo den Westen Bescheidenheit und Askese lehrten. Anne Demeulemeester machte im kleinen Belgien vor, wie die Frau modisch ihre Unabhängigkeit wahrte, und ihr Antwerpener Kollege Dries van Noten zeigte, wie man mit dem Exotischen und ethnisch Fernen auf europäische Weise umging. Amerikanische Schwarze zogen Pelzmäntel an und setzten Panamahüte auf, um ihre Würde zu demonstrieren, Hippieknaben wählten weite Hosen und wallende Hemden zum Ausdruck ihrer femininen Seite, Punks begannen an der Konfektionsware herumzuschnippeln und mit Sicherheitsnadeln neu zusammenzustecken, was in bürgerlicher Form die Würde für sie verloren hatte.

Während Gruppenbildungen einst Kleidungsstile hervorbrachten, schaffen Kleider heute Gruppen. Sie kommen den politischen Diskursen nicht nur zuvor, sondern beginnen sie zu ersetzen. Modemarken verwandeln sich in Ideologeme für Menschen, die sonst wenig gemeinsam haben. Das ist in einer Zeit nicht weiter erstaunlich, die der verbalen Kommunikation die visuelle vorzieht. Das expressive Selbstdesign ist zur Sinnbörse geworden. An ihr wird ein Überschuss erwirtschaftet, den die argumentative Sprache für viele nicht mehr hergibt.

Ulf Poschardt nahm die Mode in seinem vor zwei Jahren erschienenen Buch "Anpassen" als Austragungsort sozialer Konflikte ernst. Seine Geschichtsschreibung begann mit der Konstitution des Bürgertums im achtzehnten Jahrhundert und versucht, das Hin und Wider europäischer Bekleidung dialektisch zu erfassen. Die Erfindung bürgerlicher Identität auch im Habit ruft im zwanzigsten Jahrhundert eine Reihe von Gegenkonstrukten hervor, die in eine seltsame Synthese münden: "Die neue Idee war, Zerstörung und Verweigerung als Konsumgut in den Kapitalismus einzuführen." Es verblüffte, dass der Autor trotz des akuten Bewusstseins für die soziohistorischen Motivationen von Mode an einem emphatischen Schönheitsbegriff festhielt. Letztlich, gab Poschardt zu bedenken, lebe das Kleid ja doch von der mitbildenden Kraft des Trägers.

"Anpassen" war reich an verlockenden Beschreibungen und originellen Denkansätzen, die der Mode einen Platz unter den Künsten einzuräumen versuchen. Weniger ambitioniert, aber von derselben Leidenschaft für den Gegenstand ergriffen ist jetzt François Baudots Geschichte der Mode im zwanzigsten Jahrhundert. Der Autor bekennt sich freimütig zum Diskurs des "voreingenommenen Blicks". Seine opulent bebilderte Promenade durch die jüngere Kostümgeschichte orientiert sich an einflussreichen Namen und Tendenzen. Mit großem Sachverstand und liebevoller Melancholie lässt er die Künstler des Schnitts Revue passieren, erinnert an Reformen, die zu ihrer Zeit wahre Erdbeben waren, und verliert nie das Bewusstsein für Marktmechanismen und historische Zusammenhänge, die über das Schicksal einer Couture-Adresse ohne Rücksicht auf die Schaffenskraft individueller Designer entschieden. 1967 melden sich zweiundzwanzig von neununddreißig eingeschriebenen Modehäusern bei der Pariser Haute-Couture-Kammer ab. Baudot zufolge hat sich die Hauptstadt der Mode von den Erschütterungen durch den Carnebie-Street-Stil nie erholt. Die amerikanische Erfindung der Konfektion und die jugendlichen Antimoden eröffneten der Kleiderfrage ein demokratisches Spielfeld, auf dem nicht länger Kunst und Raffinesse zählten, sondern Schock und Irritation. Die heute erfolgreichen Marken haben die kreative Intensität vom auratischen Einzelstück auf die Imagearbeit verlegt. Was massenhaft hergestellt wird, erhält durch Werbung und eine kluge Produktlinienplanung den Nimbus des Genuinen.

Baudot ist ein wortgewandter Verfechter der Vielfalt, der die Ablehnung des Huts in den sechziger Jahren für einen irreparablen Fauxpas hält. Seine Hoffnung setzt er in eine junge Generation von Modeschöpfern, die mit begrenzten finanziellen Mitteln zur Maßanfertigung zurückgekehrt sind. Die Geschichte lehrt, dass es in der Mode keine unwiderruflichen Siege gibt. Nach zwei Weltkriegen schien die Mode erwachsen zu werden: Alle Reminiszenzen der Belle Époque waren ihr gründlich ausgetrieben. Und doch verloren die aus der Not geborenen Erfindungen einer nüchternen Modernität schnell ihre Überzeugungskraft: "Eine ganze Gesellschaft, die in den dreißiger Jahren dem Fortschritt anhing, misstraut ihm nun." Christian Diors restaurative Opulenz betört in den fünfziger Jahren weltweit die Frauenherzen: "Wie konnte seine Mode", fragt Baudot entgeistert, "die eine Weiblichkeit im traditionellsten Sinne feierte, nicht nur die gesellschaftliche Eleganz Europas, sondern geradezu eine Internationale der Hausfrauen erobern, die darauf versessen waren, seinen Models zu ähneln?"

Die von Gerda Buxbaum herausgegebene Modegeschichte des letzten Jahrhunderts mit Beiträgen namhafter internationaler Fachleute entfaltet in loser Chronologie einen Stichwortkatalog, der nicht nur den "Kultmodels", der "Disco-Mode" und dem "High-Tech-Chic" eine historische Position gibt, sondern auch der "Bewegten Frau", "Keil und Dreieck", den "Looks der Folklore" und dem "Street Style". Auf diese Weise entsteht ein reizvolles Kaleidoskop der Perspektiven, allerdings auf Kosten der argumentativen Linie. Das Verfahren kann überraschend informativ, an anderen Stellen impressionistisch und allzu reduktiv ausfallen. So beschränkt sich der Essay zum Thema "Falten" auf drei Designer und schildert ihre Drappierkunst. Unter dem Titel "Oversized" wird man unnötigerweise darüber aufgeklärt, dass Körperform- oder Konturveränderungen "einerseits durch Gymnastik, Bodybuilding oder Schlankheitskuren, andererseits durch die Mittel der plastischen Chirurgie oder durch verformende Kleidung zu bewerkstelligen" seien. Große Gegenstände wie die Haute Couture werden auf schmalem Raum nur anerzählt, um unter anderem Stichwort - wie dem überflüssigen "Fee-Couture" - wieder aufzutauchen. Fehlende Zitatnachweise, fahrige Satzstrukturen und ein unübersichtliches Layout behindern die Lektüre.

Auf Daten lässt sich diese Modegeschichte selten ein, so dass vieles im Ungefähren bleibt. Dass Elsa Schiaparelli sich von Coco Chanel ausgerechnet durch ihren "mit allen Traditionen brechenden Stil" unterscheide, ist angesichts des radikalen Neuanfangs, den Chanel für die Mode bedeutet, schlechthin absurd. Die sich durch den Band ziehende Vorliebe für Funktionalität und sportliche Kleidung urteilt gelegentlich allzu rigide über Kleider- und Umgangsformen, die sich diesem Ideal entziehen. Ein Cocktailkleid erweckt durchaus nicht sofort die Vorstellung einer "aus heutiger Sicht sogar spießigen" Situation. Fraglich ist auch, ob die Frauen, die sich nach Ende des Zweiten Weltkriegs "mit Modeschmuck behängten", damit "die neuerliche Bereitschaft, die Rolle als Gefährtin und Mutter zu übernehmen", signalisierten. Verwunderung muss bei allen philosophisch interessierten Gemütern nicht zuletzt die Behauptung erregen, ausgerechnet die Dekonstruktivisten verstünden "ihr Kreieren von Mode als Prozess der Sinnsuche und des immer neuen Schaffens von Sinn". Vielleicht hätte man das Redigat besser Jacques Derrida überlassen.

INGEBORG HARMS

François Baudot: "Die Mode im 20. Jahrhundert". Aus dem Französischen von Sabine Herting. Verlag Schirmer/Mosel, München 1999. 400 S., 300 Farb- u. S/W-Abb., geb., 58,- DM.

"Mode!" Das 20. Jahrhundert. Herausgegeben von Gerda Buxbaum. Prestel Verlag, München 1999. 192 S., 500 Farb- u. S/W-Abb., geb., 49,80 DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

In einer Doppelrezension bespricht Ingeborg Harms zwei Bände zum Thema Mode im 20. Jahrhundert.
1) Francois Baudot "