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"Harte Bank" ist zusammengenagelt aus Kunstbetrachtung, Philosophie, Mythologie, Geschichte, Sprachempfinden und Alltagserfahrung.Bett Bank Stuhl Tisch Mantel Hemd Hut Dach Haus Kiste Fahrzeug packen aufheben wegwerfen sitzen liegen fahren rutschen schmieren malen Kunst Anmut Schönheit Symmetrie Gleichgewicht Leichtigkeit Fastnichts Philosophie Stille Sprüche Geräusche Musik Brenda Lee Sappho Hesiod Odysseus Mythos Geschichte Natur Licht Wasser Wurzel Blätter Bäume Matisse Mies Lenin Politik Asyl Alltag Architektur Aufklärung Heiterkeit Betrübtheit klagen jubeln warten nichtstun weggehen Gruß…mehr

Produktbeschreibung
"Harte Bank" ist zusammengenagelt aus Kunstbetrachtung, Philosophie, Mythologie, Geschichte, Sprachempfinden und Alltagserfahrung.Bett Bank Stuhl Tisch Mantel Hemd Hut Dach Haus Kiste Fahrzeug packen aufheben wegwerfen sitzen liegen fahren rutschen schmieren malen Kunst Anmut Schönheit Symmetrie Gleichgewicht Leichtigkeit Fastnichts Philosophie Stille Sprüche Geräusche Musik Brenda Lee Sappho Hesiod Odysseus Mythos Geschichte Natur Licht Wasser Wurzel Blätter Bäume Matisse Mies Lenin Politik Asyl Alltag Architektur Aufklärung Heiterkeit Betrübtheit klagen jubeln warten nichtstun weggehen Gruß Abschied "Niemand kommt ohne Gepäck, auch wenn er nichts in der Hand hat."Hannes Böhringer, Professor für Philosophie an der Hochschule für Bildenden Künste Braunschweig. Gastprofessuren in Paris, Budapest und Madison (WI).
Autorenporträt
Hannes Böhringer, geboren 1948 in Hilden bei Düsseldorf, ist Professor für Philosophie an der Hochschule für Bildenden Künste Braunschweig. Gastprofessuren in Paris, Budapest und Madison (WI).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.09.2004

Mitten in der Avantgarde wedelt ein Wintermantel mit den Ärmeln
Die Erfahrung des Erfahrungsverlustes: Hannes Böhringer setzt die Kunstphilosophie auf die "Harte Bank"

Der Mensch lenkt sich gern ab. Also spielt er, geht auf Reisen, baut Häuser und zimmert Ideologien. Solange er beschäftigt ist, muß er nicht über sich nachdenken. Was aber verbindet Ruhe und Unrast, Bleiben und Reisen? Wie wird aus einer Fahrt eine Erfahrung? Welche bewegliche und doch solide Kiste brauchen wir dazu? Und ist diese nicht aus Erfahrung gemacht?

"In dieser Zirkularität ist Erfahrung krummes Holz, ganz und gar nicht zuverlässig, das Ergebnis einer im Erfolg gescheiterten Indienfahrt, einer Erfahrung, der man nicht gewachsen war, eines Zusammenstoßes von Ost und West, der indisch-bengalischen Bambushütte und des britischen Armeezeltes: ein Bungalow." Im bangla oder banggolo, berichtet Hannes Böhringer, fanden die ersten Händler und Missionare ein Nachtquartier aus Ästen und Blättern, das sich von einheimischen Trägern schnell aufschlagen ließ. Daraus wurde ein stationary tent, schließlich ein Wochenendhaus, das sich von England und Amerika aus über die Welt ausbreitete: eine Behausung, in die der Städter flieht und in die er doch alles mitschleppt, vor dem er flieht. Damit nicht genug. Die seefahrenden Briten, so Böhringer, hatten "den Bungalow kurz und knapp upturned boat genannt, ein Boot, das man an Land zieht und auf den Kopf stellt. Es ist ein gekentertes Boot für die Nacht, "das die zur Erfahrung geeigneten Fahreigenschaften gewinnt". Denn "Erfahrung ist Verlusterfahrung, die Erfahrung eines Erfahrungsverlustes. Man hatte es weder verstanden, zu Hause zu bleiben, noch etwas aus der Beute zu machen", die beim Kentern verlorenging.

In "Harte Bank", Böhringers jüngster Sammlung aus verstreuten Texten und Originalbeiträgen, versteht es dieser wieder einmal, die Beute nach Hause zu bringen, ohne die Erfahrung eines Erfahrungsverlustes zu übergehen. Was er praktiziert, ist wahrlich ästhetisches Denken. Konsequent bindet er den Gedanken an Verhältnisse, die sich anschauen lassen. Dabei trifft er auch auf die Kunst und ihre Werke; an sie gekettet ist er nicht, schon gar nicht von ihnen abhängig. Kunstwerke sind für ihn ein möglicher Anstoß, um weiterzudenken; als solcher wird Kunst ernst genommen, in ihrer Geschichte wie in ihrer Vereinzelung als Werk inmitten politischer, sozialer, historischer und anderer Zusammenhänge.

Böhringer, der an der Braunschweiger Akademie lehrt, waren das Schlichte, das Gewöhnliche und das in seiner Einfachheit sich Tarnende immer schon näher als das Hinundherschieben von Begriffen oder das Jonglieren mit jenen Kreationen, die gerade in Mode sind. Er hält sich an Begriffe für das Unbegriffliche: an das "Fastnichts" oder "das gewisse Etwas", das "Je-ne-sais-quoi". Diese wendet er nicht einfach an, er erprobt sie. Als seien sie alter Wein, der viele Aromen in sich vereint, werden sie prüfend und genießend in Geist und Gaumen bewegt. Böhringer greift sich etwas heraus - einen Wintermantel, eine Bank, den Bungalow, Arbeiten von Krzysztof Wodiczko und Santiago Sierra, so verschiedene Künstler wie Matisse und Kapielski oder so Flüchtiges und scheinbar Nebensächliches wie das Packen, das Sammeln, das Wegwerfen oder einen Tropfen Tinte.

Manchmal schmeckt, was Böhringer schreibt, nach Lehm, es riecht nach feuchter Wolle, nach Erfahrung und Meister Eckart; oder es folgt den Spuren von Sextus Empiricus und Ernst Bloch, mit denen Böhringer die Skepsis teilt, was man sehe, sei noch nicht begriffen. Bei seinen stets fein und genau gearbeiteten Stücken kommt alles auf Takt und Atmosphäre an, die beide auf das einzelne zielen, Ausnahme und Zufall in der Erkenntnis von Regeln berücksichtigen. Indem es sein Wissen wie einen Beifaden ins Betrachten einwebt, schmückt sich dieses Schauen auf die Welt im Zustand eines ungeschmälerten Alltags nicht mit Bildung. Es wird nicht mit Wissen geprotzt; dieses unterfüttert, verstärkt die provisorischen Konstruktionen - und es grüßt die Dinge, die ihm begegnen. So wie Böhringer an der Anmut deren Verbindung zu einer Gruß- und Dankesformel entdeckt und von dieser den Bogen schlägt zur modernen Kunst und zur Montage, in deren scharfem Schnitt und harter Fügung er das Weiterleben solchen Begrüßens verfolgt.

Böhringers Denken kann innerhalb der gegenwärtigen Kunstphilosophie singulär genannt werden. Es triumphiert niemals über seinen Gegenstand, sondern umkreist bewußt das Nichtwissen, ein vieldeutiges "Ich-weiß-nicht-was", das den Gegenstand einhüllt und in seiner Besonderheit schützt. In dem Aufsatz mit dem Titel "Sweet Nothing" verfolgt Böhringer die Spur des "Fastnichts" als eines Minimums an Rhetorik bis zur Abstraktion und bis zu Mies van der Rohe, für den es fast nichts ist, was Architektur von bloßer Baukunst unterscheidet.

Immer wieder richtet Böhringer den Blick auf scheinbar Vertrautes, etwa wenn er über Bänke nachdenkt, die daran erinnern, daß man nicht zwangsläufig allein herumsitzen muß. So entsteht ein Lehrstück über soziale Verhältnisse: "Die Schulbänke sind verschwunden und die Wartebänke in den Gängen der Ämter. Die Bänke in Bahnhöfen haben feste Einzelsitze bekommen, damit sich niemand auf ihnen hinlegen kann. Doch die Bänke in Biergärten und die Kirchenbänke erinnern noch daran, daß man auf einer Bank zusammenrückt. Ein Volk versammelt sich. Es steht zusammen, lagert auf dem Boden oder sitzt auf Bänken. Volksvertreter sitzen auf Bänken in alten Parlamenten. Der König thront. Er hat einen Stuhl. Auf Bänken sitzend kann man nicht auf Abstand und Fürsichsein bestehen. Kommt jemand hinzu, muß man sich schmaler machen und einrücken. Keine Armlehnen begrenzen die Plätze, höchstens die Enden der Bank. Und bewegen läßt sich eine Bank, auf der Leute sitzen, nur, wenn alle aufstehen und sie zur gleichen Zeit in die abgesprochene Richtung rücken."

Die Bank, auf die uns Böhringer hinweist, ist hart, aber nicht unbequem und vor allem nicht kalt. Das Holz, aus dem sie ursprünglich gezimmert wurde, hat seine eigene soziale Wärme: "Auf diesem von Stützen gehaltenen Brett ruhen wir aus und rücken zusammen, wenn andere hinzukommen." In solche Betrachtung des Alltäglichen und Unscheinbaren mischen sich Reflexionen über die Philosophie, ohne aufdringlich oder bloß fachbezogen zu sein. Anders als etwa Arthur C. Danto, der an einen Triumph der Philosophie über die Kunst glaubt, beobachtet Böhringer, wie das Philosophische in der Kunst weiterwuchert: "Mit Kunst kommt der Philosoph von der Säule herunter. Die Kunst erfindet Auswege im Ausweglosen. Aber sie selbst ist gerade in Schwierigkeiten. Die Menge, das Gros, hat die Avantgarde eingeholt. Die Kunst wird als Massenprodukt konsumiert. Starkult und hohe Preise können ihre Entwertung nicht aufhalten. Sie sind ihr Ausdruck. Die Kunst droht, in der Inflation von Kunst zu verschwinden. Sie rettet sich vielleicht mit ein paar Pappkartons unter anderem Etikett." Bis das fast unhörbare Flüstern des Ausrangierten an das Ohr einer anderen Zeit dringt und wir das Rauschen wieder zu hören beginnen.

THOMAS WAGNER

Hannes Böhringer: "Harte Bank". Kunst Philosophie Architektur. Merve Verlag, Berlin 2004. 128 S., Abb., br., 10,80 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"Wahrlich ästhetisches Denken" findet Rezensent Thomas Wagner bei Hannes Böhringer, von dem nun ein Band mit verstreuten Texten und Originalbeiträgen vorliegt, die um die "Erfahrung des Erfahrungsverlustes" kreisen. Als "singulär" innerhalb der gegenwärtigen Kunstphilosophie würdigt er dessen Denken. Konsequent binde Böhringer den Gedanken an Verhältnisse, die sich anschauen lassen. Niemals triumphiere er über seinen Gegenstand, sondern umkreise bewusst das Nichtwissen, ein vieldeutiges "Ich-weiß-nicht-was", das den Gegenstand einhülle und in seiner Besonderheit schütze. "Bei seinen stets fein und genau gearbeiteten Stücken", erklärt Wagner, "kommt alles auf Takt und Atmosphäre an, die beide auf das einzelne zielen, Ausnahme und Zufall in der Erkenntnis von Regeln berücksichtigen." Richtig deutlich wird Wagner in seiner Besprechung nicht, er mag es lieber abstrakt-wolkig. Oder er greift zu sinnlichen Vergleichen: "Manchmal schmeckt", so der Rezensent poetisch, "was Böhringer schreibt, nach Lehm, es riecht nach feuchter Wolle, nach Erfahrung und Meister Eckart."

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