Marktplatzangebote
3 Angebote ab € 2,09 €
Produktdetails
  • Verlag: Steidl
  • Originaltitel: Sad Bastard
  • Seitenzahl: 261
  • Deutsch
  • Abmessung: 220mm
  • Gewicht: 456g
  • ISBN-13: 9783882437737
  • ISBN-10: 3882437731
  • Artikelnr.: 09495606
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 31.08.2001

Makrele im Hügelgrab
Unordentlich: Hugo Hamilton erzählt von schlechten Verlierern
Irische Polizisten führen kein schlechtes Leben. Vor allem nicht in der Literatur. Seit Flann O’Briens „The Third Policeman” sind sie viel zu unbegreifliche Wesen, um zu Witzfiguren zu verkommen. Hugo Hamilton geht noch einen Schritt weiter: Je fremder uns Pat Coyne wird, desto näher kommt er uns. Angefangen hat Coynes Tragikomödie, die untrennbar verknüpft ist mit der Modernisierung Irlands, schon einen Roman früher, in „Dublins letzter Held” (Headbanger). Inzwischen wurde der Mann vom Dienst suspendiert und von der Ehefrau verlassen; er kämpft seine letzten Rückzugsgefechte – gegen die alten Kollegen ebenso wie gegen Dublins neue Ganoven.
Über viele Generationen hinweg war die Grüne Insel ein Land der Emigranten; auf der Suche nach einem Arbeitsplatz sind die Iren in alle Welt gezogen. Heute aber verdient der Ganove MongiO’Doherty ein Vermögen, weil er illegale Einwanderer ins Land schleust. Und dem Skipper Martin Davis bleibt kaum eine andere Möglichkeit, als ihm mit seinem Fischkutter dabei zu helfen. Pat Coyne leidet seit einem Großbrand an einem Trauma und muss sich einer psychiatrischen Behandlung unterziehen. Er will indes nicht geheilt, sondern bezahlt werden; ohne den Besuch bei der Seelenklempnerin Dunford hat er keine Aussicht auf Schadenersatz. Dass der beurlaubte Ordnungshüter doch wieder mit einem Verbrechen in Berührung kommt, hat einerseits mit seinem Sohn Jimmy zu tun, der im Rausch eine gefährliche Dummheit begeht, und andererseits mit der räumlichen Nähe zwischen Dublin und Dun Loaghaire. Dort schwimmt im Hafenbecken plötzlich die Leiche des armen Tommy Nolan, und Jimmy könnte in den Mord verwickelt sein. Als dann auch noch ein Möchtegern-Dichter mit einer Handvoll Dollar auffällt, geraten die Ereignisse außer Kontrolle und überschlagen sich.
Noch aber hat Irland nicht sämtliche alten Werte vergessen. Mitten in seinem mitunter verwegen komischen Roman hält der Autor inne und gönnt seinen Figuren eine Mittagspause: Der Reihe nach, in einer langen, dem Kino abgeschauten und rund fünfundzwanzig Seiten langen Parallelmontage, sitzen sie, jeder für sich und jeder auf seine eigene Art, beim Lunch.
Obwohl Hugo Hamilton von Verbrechern und Polizisten erzählt, geht es in „Ein schlechter Verlierer” (Sad Bastard) längst nicht mehr um kriminalistische Ermittlungen und die Aufklärung einer Straftat. Im Mittelpunkt steht das neue Irland im Zeichen des „Celtic Tiger”. Der Autor begegnet dem Wirtschaftswunder seiner Heimat mit grimmigem Witz und bissiger Ironie, aber der Vergangenheit trauert er erst recht nicht nach. „Jede Veränderung in seinem Land”, sagt Hamilton über Coynes Haltung, „jedes Anzeichen von Fortschritt, war ein Anschlag auf die eigene Person.” Die Nostalgie seines Helden, der einst aus dem Wilden Westen der Insel in die Hauptstadt gekommen war, ist kaum weniger lächerlich als der Kriminelle Mongi, der seinen Opfern mit Vorliebe tote Makrelen in den Rachen stopft. Und als in der Anchor Bar von Dun Loaghaire ausgerechnet ein russischer Seemann den uralten Emigrantensong „Danny Boy” schmettert, löst er damit fast eine Schlägerei aus.
Einmal erzählt Coyne die Geschichte vom irischen Elch, der aussterben musste, weil er sich als Platzhirsch gebärdete. Seine eigenen Konsequenzen zieht er aus dieser Parabel nur halbherzig. Am Ende klaut er aus den Vorgärten am Rande der Stadt die Steine, die sich die Eigentümer von der Küste geholt hatten. Er bringt sie zurück und schichtet sie auf zu einem Hügelgrab, unter dem eine Tasche voller Dollars endlich zur Ruhe kommt. Das Chaos zwischen Dublin und Dun Loaghaire aber bleibt. „Ein schlechter Verlierer” gehört nicht zu jener Sorte Krimis, die eine Wiederherstellung der Ordnung suggerieren.
H.G. PFLAUM
HUGO HAMILTON: Ein schlechter Verlierer. Roman. Aus dem Englischen von Georg Deggerich. Steidl Verlag, Göttingen 2001. 261 Seiten, 38 Mark.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
…mehr

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.10.2001

Feuchtes Pulver
Weltküchenliteratur: Hugo Hamilton bietet deftiges Irish Stew

Die irischen Maulhelden haben Zuwachs bekommen. Der Bursche heißt Pat Coyne, ist Polizist von Beruf und krankgeschrieben wegen eines Berufsunfalls, eines Brandes, der sich vor allem auf Pats Psyche ungünstig ausgewirkt hat. Er will nämlich nicht geheilt werden. "Chaos und Wahnsinn" empfindet der Aufschneider als schmückenden "Teil seiner Existenz". Da solches heutzutage selbst in Irland nicht mehr geduldet wird, kümmert sich eine Psychologin um ihn.

Da dies für eine gute Story noch nicht viel hergibt, verwickelt Hugo Hamilton seinen Protagonisten, dem er nach "Der letzte Held von Dublin" einen zweiten Roman auf den Leib schneidert, wie es sich für einen Bullen gehört, in ein Verbrechen. Der Mann mit der Wut im Bauch, der Tag und Nacht durch die irische Hauptstadt mäandert, kommt einer Schlepperbande auf die Spur. Das wird vor allem für seinen Sohn Jimmy lebensgefährlich, bringt aber die Eltern, die sich gerade getrennt haben, einander wieder näher.

Hamilton, 1953 als Sohn eines Iren und einer Deutschen geboren, hat Romane, Erzählungen, Stücke geschrieben. Sein Ehrgeiz ist es, das heutige Irland, das sich in rasantem Umbruch befindet, mit Witz und Sarkasmus darzustellen. Pat, der traurige Halunke - "Sad Bastard", so der Originaltitel - gießt über alles Hohn und Spott: die "Schmalspur-Psychologie" des "C.-G.-Jung-Monsters", das ihm mit "aufgesetzten flotten Phrasen" seine Kindheitstraumata bewußtmachen will; die alternativen Heilpraktiken seiner Frau, die vom "Energiefluß" und "Seine-Mitte-Finden" schwafelt und Steine bemalt; den Sport, "das Ende aller Phantasie, . . . eine Flucht vor Sex und Leidenschaft".

Das Kernstück des Romans, an dem Hamilton das neue Irland zeigen will, ist eine Darstellung der Eßgewohnheiten aller seiner Figuren quer durch die sozialen Schichten. Der Leser darf ihnen auf den Teller blicken. Die Erkenntnisse, die ihm dabei aufgetischt werden, lauten etwa: "Indisches Essen war die Pornographie der Weltküche", woran man sieht, daß Patty sein Maul ziemlich voll nimmt. Als "Vorstadtterrorist" donnert er seinem Nebenbuhler mit einem Baufahrzeug in die Glasveranda; auch als nächtlicher Telefon-Quälgeist betätigt er sich sowie als Dieb von Granitsteinen, die ihm in Vorgärten ein Dorn im Auge sind. Offenbar schwebte Hamilton eine Wiederbelebung des allen Iren lieben Mythos vom "Playboy of the Western World" vor, der auf verrückte Weise die Welt zurechtbiegt. Freilich, sehr überzeugend ist sein theatralischer Rebell nicht. Er ist aus Widersprüchen zusammengesetzt - grob und feinsinnig, gewalttätig und liebevoll, langsam im Denken, doch mit Durchblick begabt -, die Hamilton einfach behauptet. Was dem Erzähler abgeht, ist die Distanz zu seinem Helden.

Der Roman ist flott und frech geschrieben, süffig zu lesen, wenn auch die Kurzatmigkeit der auf action und Pointen berechneten Abschnitte auf Dauer ermüdet. Und auf dem Weg übers Meer ist das irische Witzpulver wohl etwas feucht geworden. Die Lachsalven, die bei der angelsächsischen Kritik gezündet haben, wollen sich in der deutschen Übersetzung, an der nichts zu bemäkeln ist, nicht recht einstellen.

RENATE SCHOSTACK

Hugo Hamilton: "Ein schlechter Verlierer". Roman. Aus dem Englischen von Georg Deggerich. Steidl Verlag, Göttingen 2001. 262 S., geb., 38,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Zwar gibt es in Hamiltons Roman einen Kommissar und Verbrecher und Verbrechen, sogar so viele, dass es bald drunter und drüber geht - ein konventioneller Kriminalroman ist "Ein schlechter Verlierer" aber nicht. Coyne, der Kommissar, nämlich kämpft "seine letzten Rückzugsgefechte", Thema des Romans ist das neue irische "Wirtschaftswunder", dem der Autor, so der Rezensent H.G. Pflaum, mit "grimmigem Witz" beizukommen versucht. Die Nostalgie seines Helden jedoch teilt der Autor nicht, der Rezensent scheint froh darüber, obwohl er sich in der kurzen Besprechung mit einer klaren Wertung zurückhält.

© Perlentaucher Medien GmbH