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WEG NACH TIMIMOUN ist die abenteuerliche Reise zweier Jugendlicher durch das von politischen und religiösen Spannungen geprägte Algerien. Im Mittelpunkt steht Laid, der zwischen seinem modernen, europäisch geprägten Leben in der Großstadt am Meer und den Erinnerungen an seine Kindheit in einem traditionellen Oasendorf in der Sahara zerrissen zu werden droht. Mit seinem Freund Nadir macht er sich auf die spannungsvolle Fahrt in die Vergangenheit.

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Produktbeschreibung
WEG NACH TIMIMOUN ist die abenteuerliche Reise zweier Jugendlicher durch das von politischen und religiösen Spannungen geprägte Algerien. Im Mittelpunkt steht Laid, der zwischen seinem modernen, europäisch geprägten Leben in der Großstadt am Meer und den Erinnerungen an seine Kindheit in einem traditionellen Oasendorf in der Sahara zerrissen zu werden droht. Mit seinem Freund Nadir macht er sich auf die spannungsvolle Fahrt in die Vergangenheit.
Autorenporträt
Roes, MichaelMichael Roes wurde 1960 in Rhede geboren. Er ist Romancier, Dichter und Filmemacher, dessen Werke häufig Begegnungen mit nicht-europäischen Kulturen thematisieren. Roes ist viel und weit gereist - in den Jemen, nach Israel, Nordamerika, Algerien, Mali und China. Die Erfahrungen, die er auf seinen Reisen sammelt, schlagen sich auch in seiner Arbeit nieder. 1997 wurde Roes für seinen Roman Leeres Viertel der Literaturpreis der Stadt Bremen verliehen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.07.2006

Sein Algerien
Ab durch die Wüste: Michael Roes erzählt eine algerische Orestie

Die Reise vom französisch geprägten Norden über El Djelfa und El Golea zur wundersamen Wüstenstadt Timimoun gehört zum mythopoetischen Bestand der algerischen Literatur. In Rachid Boudjedras Roman "Timimoun" (1994) erscheint sie in kunstvoller Widersprüchlichkeit als Bewegung eines innerlich zerrissenen Protagonisten zu einem archaischen Ort, in die Vergangenheit einer traumatisch erlebten Kindheit, als Metapher des Entrinnens aus gesellschaftlichen Zwängen wie zugleich der blutgetränkten Geschichte Algeriens. So ist es ziemlich gewagt, daß Michael Roes, der sich schon in "Rub-al-Khali" (1996) als ethnologisch geschulter Wüstenpoet gezeigt hat, nun zwei jugendliche Helden noch einmal auf diesen beschwerlichen Weg schickt und ihnen nicht nur viele Motive Boudjedras oder Mouloud Mammeris (La Traversée, 1982) aufbürdet, sondern überdies das Gepäck der mythischen Rächer Orest und Pylades.

Laid stammt aus Timimoun, hat nach dem Tod des Vaters seine Familie verlassen und lebt nun als Fotograf in Bejaia an der Küste, das vor dem Terror eine weltläufige und heitere Stadt gewesen sein soll, nun aber nur noch "freudlose Bequemlichkeit" bietet. Sein Freund Nadir ist Arbeiter in der Raffinerie, gleichwohl liest er zum Gespött der anderen gern Bücher. Laid erhält einen Brief von seiner Schwester, in dem diese ihn bittet, zurückzukehren und den Vater zu rächen. Widerstrebend begibt er sich mit Nadir auf den Weg, der zunächst wie schon bei Boudjedra als Reise in die Kindheit wie als abenteuerliche Konfrontation mit den Konflikten Algeriens erscheint. Erzählt wird in einer wie in der Wüstenhitze flirrenden Perspektive, in der sich Laid selber zur Figur wird: "Entdecken heißt ja immer auch, selber entdeckt zu werden." Der Leica-Besitzer begreift sich als Chronist, der Anteil nimmt, ohne sich besserwisserisch einzumischen - eine Charakterisierung, die auch auf den Reiseschriftsteller Michael Roes zutrifft.

Die belesenen Freunde stoßen in der Wüste auf die Widersprüche der algerischen Wirklichkeit, aber sie gestalten sie zum Abenteuer der Erkenntnis und der Poesie: "Die Gedanken finden stolze Worte, die Worte fügen sich zu Versen, wie wir sie im Alltag nie benutzen würden, jeder Schritt erhält plötzlich einen Sinn." So inszenieren sich Laid und Nadir in komisch geschraubten Wendungen theatralisch als archaische Heroen, deren Taten in der Imagination besser aufgehoben sind als in der Wirklichkeit. Entsprechend gehen die Beschreibungen des Sichtbaren immer wieder in Traumbilder über, in denen die Mythen der Wüste in einem filmähnlichen Verfahren der Überblendung zugleich zitiert wie überschritten werden. So entwickelt sich die Reise ganz anders als in den algerischen Texten.

Was Laid und Nadir in Timimoun finden, sind nicht das zwiespältige Erbe und das Trauma der Kindheit, sondern kindliche, zweckfreie Unbeschwertheit. So entzieht Michael Roes seine jungen Helden symbolisch dem mythischen Verhängnis, den Kräften des Blutes und der Tradition - ein poetisches Plädoyer für die Selbstbestimmung des Individuums, das angesichts der Geschichte und Gegenwart Algeriens als politisch ziemlich unkorrekter Traum erscheinen könnte. Michael Roes aber ist kein exotistischer Phantast, vielmehr ein ausgezeichneter Kenner der maghrebinischen Welt. Die scheinbare Leichtigkeit, mit der er den Traum der Emanzipation durch Bildung in Szene setzt, kann der Leser als Einspruch gegen den finsteren Pragmatismus jener Experten verstehen, die in den Krisenzonen nur die Ausweglosigkeit wahrnehmen.

FRIEDMAR APEL

Michael Roes: "Weg nach Timimoun". Roman. Matthes & Seitz Verlag, Berlin 2006. 176. S., geb. 17,80 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 03.08.2006

Die Menschenpflicht der Freude
Michael Roes’ Roman „Weg nach Timimoun”
Laid lebt in der algerischen Hafenstadt Bejaia. Seit seiner Kindheit trägt der schüchterne junge Mann stets einen Fotoapparat mit sich herum. In Schnappschüssen hat er früher das dörfliche Alltagsleben festgehalten; jetzt sichern ihm langweilige Aufnahmen „von rotwangigen Hochzeitspaaren, blassen Knaben in engsitzenden schwarzen Anzügen und pausbäckigen Mädchen in blütenweißen Taftkleidern” mehr schlecht als recht den Lebensunterhalt. Als „Akt der Nichteinmischung”, als passive Art, am Leben teilzuhaben, ist das Fotografieren Laid dennoch teuer. Aus den sozialen und kulturellen Konflikten, die sein Heimatland erschüttern, will er sich heraushalten. Dann aber erhält er einen Brief seiner Schwester, die ihn auffordert, einer archaischen Pflicht nachzukommen: Er soll in den Geburtsort zurückkehren, um den Tod des Vaters zu rächen.
Der Roman geht zurück auf den Film „Timimoun”, den Michael Roes im vergangenen Jahr fertig gestellt hat. Manchmal ist dieser Ursprung in einem anderen Medium noch spürbar. Wenn Laid und sein robuster Freund Nadir am Anfang im Meer schwimmen, nähert der Erzähler sich ihnen in einer Weise, die an den Wechsel von Einstellungsgrößen erinnert: vom Panorama über die Totale zur Nah- und Großaufnahme. Und wenn das ungleiche Paar zur Reise in die Provinz aufbricht, imitiert die schnell wechselnde Schilderung ihres jeweiligen Abschieds das Verfahren der Parallelmontage. Auch der lakonische Stil hat etwas Drehbuchhaftes, lässt zugleich allerdings an Albert Camus denken. Dass Laid vor dem Einschlafen „Der Fremde” liest, ist ein deutlicher Hinweis darauf, wie sehr Roes sowohl in seiner Hauptfigur als auch in dem Bild, das er vom gnadenlos besonnten Süden entwirft, diesem großen Vorbild verpflichtet ist.
Je unaufgeregter das Buch sich gibt, desto eindrucksvoller ist es; gerade dann, wenn es um die Schilderung von Schrecknissen und Grausamkeiten geht. Störend sind die expressionistischen Lyrismen, zu denen Roes sich immer wieder hinreißen lässt: Der Mond wird als „eine taube, unter blasser Haut sich spannende Krebsgeschwulst” bezeichnet, und eine kleine Provinzstadt ist „hingestreckt wie ein vergeblich gegen den Verfall ankämpfender Frauenleib unter einem dicken, taktvollen Mann”. Ebenso wenig wäre es nötig gewesen, den Konflikt, in dem Laid steht, durch Verweise auf die „Orestie” zu beglaubigen. Überzeugend ist dagegen die Idee, die verschiedenen Möglichkeiten der Konfrontation, auf die alles zuläuft, allein in Tag- und Alpträumen durchzuspielen.
Am Ende steht keine Gewalttat, sondern die Wiederholung eines unschuldigen Kinderspiels in der Wüste, die Timimoun umgibt: „Ich gebe Nadir einen sanften Stoß, so dass er auf seinen fetten schwarzen LKW-Schlauch fällt. Dann schiebe ich ihn an. Ausgelassen jauchzend wie damals ich als Kind saust er auf diesem wunderlichen Gefährt die Düne hinunter. Ich springe auf meinen Reifen und schlittere ihm hinterher, bäuchlings den steilen Abhang hinab. Habe ich damit nicht meine Menschenpflicht erfüllt und wenigstens einen Augenblick meines Lebens in ungetrübter Freude verbracht?”CHRISTOPH HAAS
MICHAEL ROES: Weg nach Timimoun. Roman. Matthes & Seitz Verlag, Berlin 2006. 176 Seiten, 17,80 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensent Christoph Haas scheint Michael Roes? Roman über einen jungen Algerier, der sich als Fotograf verdingt, bis ihn seine Schwester auffordert, den Tod seines Vaters zu rächen, eher durchwachsen. Er sieht es dem Roman deutlich an, dass er auf einen Film von Roes zurückgeht. Das gilt seines Erachtens sowohl für filmische Elemente wie Parallelmontage, die in das Buch eingegangen sind, als auch für den nüchternen Stil des Romans, der Haas an den Stil eines Drehbuchs erinnert. Das muss allerdings nicht immer schlecht sein. Gerade bei der Schilderung von Grausamkeiten erachtet Haas die lakonische Darstellung als gelungen. Um so ungenießbarer findet er aber die immer wieder auftauchenden "expressionistischen Lyrismen". Auch die intertextuellen Verweise auf die "Orestie" erscheinen Haas überflüssig. Dagegen hat ihn Roes? Idee überzeugt, die potenziellen Szenarien der finalen Konfrontation "allein in Tag- und Alpträumen durchzuspielen".

© Perlentaucher Medien GmbH