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Er nannte sich selbst »Sonntagsphilosoph«,schuf eine epochale Hegel-Interpretation, dieauf das Werk von Bataille, Breton, Lacan undDerrida ausstrahlte, spionierte wahrscheinlichfür den KGB und war Co-Architekt des europäischenWirtschaftsraums: Kaum ein Denker des20. Jahrhunderts griff so lustvoll und verschiedentlichin die Geschichte ein wie AlexandreKojève. Dass schon dem achtzehnjährigenKojève ein anderes Leben als pure Zumutungerschienen wäre, zeigt sein »Tagebuch einesPhilosophen«, das Erinnerungen, Refl exionenund Gedichte des gerade nach Westeuropaaufgebrochenen Studenten versammelt.

Produktbeschreibung
Er nannte sich selbst »Sonntagsphilosoph«,schuf eine epochale Hegel-Interpretation, dieauf das Werk von Bataille, Breton, Lacan undDerrida ausstrahlte, spionierte wahrscheinlichfür den KGB und war Co-Architekt des europäischenWirtschaftsraums: Kaum ein Denker des20. Jahrhunderts griff so lustvoll und verschiedentlichin die Geschichte ein wie AlexandreKojève. Dass schon dem achtzehnjährigenKojève ein anderes Leben als pure Zumutungerschienen wäre, zeigt sein »Tagebuch einesPhilosophen«, das Erinnerungen, Refl exionenund Gedichte des gerade nach Westeuropaaufgebrochenen Studenten versammelt.
Autorenporträt
Kojève, AlexandreAlexandre Kojève, geboren 1902 in Moskau, gilt bis heute als einer der wichtigsten, aber auch mysteriösesten französischen Denker des 20. Jahrhunderts. Mit seinen Vorlesungen und Schriften über Hegel hatte er wesentlichen Anteil an dessen Wiederentdeckung in Frankreich und übte großen Einfluss auf Schriftsteller und Philosophen wie Georges Bataille, Raymond Queneau und Jaques Lacan aus. Er starb 1968 in Brüssel.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.03.2015

Am Sonntag des Lebens
Frühe Aufzeichnungen von Alexandre Kojève

Im Sommer 1920 verlässt ein junger Russe aus gutbürgerlicher Moskauer Familie die Sowjetunion und geht nach Deutschland. Er widmet sich dem Studium der Philosophie und fernöstlicher Sprachen und Weisheitslehren, promoviert 1926 bei Karl Jaspers in Heidelberg und lässt sich später in Paris nieder. Dort übernimmt er 1933 von einem russischen Freund, den er in Jaspers' Seminar kennengelernt hatte, dessen Vorlesungen an der renommierten École des Hautes Études. Er widmet sie über Jahre hinweg einer höchst idiosynkratischen Auslegung von Hegels "Phänomenologie des Geistes".

Eine Interpretation, die bei den Zuhörern verfängt, und weil unter ihnen spätere Zelebritäten der französischen intellektuellen Szene fast aufeinandersitzen, wird Alexandre Kojève - vormals Alexander Koschwenikoff - zu einer einflussreichen Figur. Und nach dem Krieg zu einer bereits halbwegs legendären Gestalt - denn er trifft eine Entscheidung, die sich als Konsequenz seiner mit Hegel demonstrierten These vom Ende der Geschichte im emphatischen Sinn ansehen ließ: Er wird zum höheren Beamten im französischen Wirtschaftsministerium, widmet sich der europäischen Zusammenarbeit und verfasst lediglich als "Sonntagsphilosoph" noch drei Bände über die antike griechische Philosophie, von denen zwei erst nach seinem Tod im Jahr 1968 erscheinen.

Viel ist über Kojève geschrieben worden, aber jetzt erst liegen auf Deutsch seine frühen Aufzeichnungen vor, verfasst unmittelbar nach der Ankunft in Deutschland, aber bis ins Jahr 1918 zurückreichend - weil ihm seine Notizbücher bei der Emigration abhandenkamen und er die früheren Eintragungen aus dem Gedächtnis nachschrieb. Man beginnt deshalb in diesem "Tagebuch eines Philosophen", wie sein Verfasser es nennt, bei einem Sechzehnjährigen, der über Religion, Philosophie, Kunst und die Liebe räsoniert.

Natürlich kommt da manche Pose und Tiefsinnigkeit ins Spiel. Aber jedenfalls ist an ihnen zu sehen, dass Kojèves späte Äußerungen, ihn interessierten nur noch die Weisen - neben den Wirtschaftsweisen nämlich -, auf ein früh schon gelegtes Fundament verweisen. Marco Filoni, Kojèves italienischer Biograph, hat ein bündiges Nachwort beigesteuert, das sich bei der Ausdeutung früher Vorentscheidungen für den späteren intellektuellen Weg angenehm zurückhält. Und als Frankfurter Zeitung halten wir noch fest, dass die Aufzeichnung zum Großteil in Höchst am Main niedergeschrieben wurde, wo Kojève offenbar die ersten Monate in Deutschland wohnte. Die Kritischen Theoretiker werden also damit leben müssen: Frankfurt war eine Etappe auf dem Weg in die Posthistoire.

hmay

Alexandre Kojève: "Tagebuch eines Philosophen". Aus dem Russischen und Italienischen von Simon Missal. Nachwort von Marco Filoni. Matthes & Seitz, Berlin 2015. 173 S., br., 15,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Rezensent Felix Philipp Ingold kann nur staunen über so viel Frühreife, Unabhängigkeit, gedankliche Souveränität, aber auch Selbstmystifizierung im Tagebuch des russisch-französischen Jungphilosophen Alexandre Kojève, das nun erstmals auf Deutsch vorliegt (leider ohne Originaltext, wie Ingold bedauert). Auch wenn die Aufzeichnungen aus den Jahren 1917 bis 1923 nur wenig Privates, kaum Zeithistorisches und höchstens Marginalien zu Kojeves Lektüre enthalten, wie Ingold erklärt, faszinieren die Texte den Rezensenten durch genialische (nicht geniale) Überlegungen zum Sein, zur Ethik, zur Subjektivität, zur Religion oder zum Recht. Neben ihrer analytischen Kraft ist es vor allem Kojèves Fähigkeit zur aphoristischen Spitze, die Ingold begeistert. Dass alles in diesem Denken auf einen ontologischen Gottesbeweis hinausläuft, entgeht dem Rezensenten nicht.

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