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Alle sind sie allein, einsam oder verlassen. Ob der Eremit oder Prophet, ob König, Narr oder Verräter, ob Trinker, Spieler oder Künstler, sie sind der Welt abhanden gekommen. Wolfgang Sofsky erzählt von Figuren abseits der Gesellschaft, von Ausgestoßenen, Verlorenen, Enttäuschten, Verwirrten und Erleuchteten. Von der Geburt des ersten Menschen bis zum Antiquar der letzten Schriften reicht die Galerie der Szenen und Portraits. 'Einzelgänger' führt in die Innenwelten der Einsamkeit, das Buch bringt die Vorstellung vom Menschen als sozialem Wesen ins Wanken und bietet das Vergnügen subtiler…mehr

Produktbeschreibung
Alle sind sie allein, einsam oder verlassen. Ob der Eremit oder Prophet, ob König, Narr oder Verräter, ob Trinker, Spieler oder Künstler, sie sind der Welt abhanden gekommen. Wolfgang Sofsky erzählt von Figuren abseits der Gesellschaft, von Ausgestoßenen, Verlorenen, Enttäuschten, Verwirrten und Erleuchteten. Von der Geburt des ersten Menschen bis zum Antiquar der letzten Schriften reicht die Galerie der Szenen und Portraits. 'Einzelgänger' führt in die Innenwelten der Einsamkeit, das Buch bringt die Vorstellung vom Menschen als sozialem Wesen ins Wanken und bietet das Vergnügen subtiler literarischer Erkenntnis. Sofskys Prosadebut öffnet nicht nur ein Wunderkabinett von schillernden Gestalten, es ist auch ein stilistisches Glanzstück voller Verweise und Symbole. Verschiedentlich fühlt sich der Leser an Bilder, Motive oder Figuren der diversen Künste erinnert, die in Sofskys Erzählungen jedoch einen ganz neuen, tieferen Sinn gewinnen. Einige gleichen Meditationen, die sich für einen Augenblick zu einer Handlung verdichten, andere ähneln Parabeln oder kleinen Dramen mit tragischem Ausgang. Sofskys Sprache ist hellhörig, intensiv und von spröder Eleganz.
Autorenporträt
Wolfgang Sofsky, geboren 1952 in Kaiserslautern, lehrte als Professor für Soziologie an den Universitäten Göttingen und Erfurt. Seit 2000 arbeitet er als Privatgelehrter, Essayist und politischer Kommentator. 1993 erhielt er den Geschwister-Scholl-Preis für sein Buch Die Ordnung des Terrors. Das Konzentrationslager. Seine Bücher wurden in über zehn Sprachen übersetzt.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Mark-Georg Dehrmann wundert sich nicht allzu sehr über dieses als Prosadebüt des Soziologen Wolgang Sofsky daherkommende Werk. Im Vergleich mit Sofskys früheren Büchern fällt Dehrmann auf, dass der Autor die Erzählung schon immer an den Anfang seiner Soziologie gestellt hat. Wenn er sich in 23 jeweils einem Typus gewidmeten Prosastücken nun Einzelgängern, Sonderlingen, Kranken, Müden und Narren zuwendet, scheint das dem Rezensenten nur folgerichtig. Das Detail eines Menschen, dessen "überlangen Beine in den Raum hinausragen", dient dem Rezensenten als Sinnbild für Sofskys Menschenbild insgesamt: "Der Mensch ragt in den Raum hinein." Ob die Erzählung nun zu einer Erkenntnis führt, ist dabei für Dehrmann nicht das Entscheidende. Eher schon der Verzicht des Autors auf den Kommentar. Ein anthropologisches Bekenntnis scheint für den Rezensenten ohnehin auf in diesen Geschichten, wenngleich auch parabelhaft.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 13.05.2013

Wir
Einsamen
Ein düsterer Reigen: Der Soziologe
Wolfgang Sofsky erzählt von Einzelgängern
VON MARK-GEORG DEHRMANN
Gesellschaft, Politik, Ordnung – in Wolfgang Sofskys älteren Büchern schien es keinen Schutzraum vor ihnen zu geben und vor dem, was sie in allen ihren Formen strukturiert: der Gewalt. Der „Traktat über die Gewalt“ von 1996 war ein Meisterstück des harten Blicks: Kultur ist gewaltförmig, denn sie selbst bringt hervor, was weniger konzentrierten Beobachtern als Rückfall in Barbarei erscheint. Freiheit enthält ein unlösbares Paradox, denn sie tendiert zum Exzess, der ein Exzess gegen die Freiheit anderer ist. Systeme aber, die die Freiheit sichern wollen, beschneiden und normalisieren die Freiheit aller. Wer sich dem nicht fügen will, wird – im besten Falle – zum Außenseiter.
  Sofsky ließ die scharfe Klinge seines analytischen Skalpells nicht dadurch stumpf werden, dass er sich eine Romantisierung dieser Außenseiter erlaubt hätte. Dahinter fällt auch sein neues Buch nicht zurück. Es erzählt von Einzelgängern und Einsamen, vom Sonderling und Trinker, vom Kranken, Künstler, Anachoreten, Herrscher, Spitzel, politischen Attentäter, vom Müden, vom Narren und vom Heimkehrer in eine Heimat, die ihn nicht und in der er nichts wiedererkennt. Aber um Glorifikation derer, die auf je eigene Weise aus der Gemeinschaft herausgefallen sind, geht es Sofsky nicht. Dies zeigt schon die erste Erzählung. Als Variation der Schöpfungsgeschichte wendet sie sich ins Grundsätzliche. Ein einsamer Gott schafft den einsamen ersten Menschen. Aber während der Schöpfer auf sein Geschöpf nicht angewiesen ist, sondern „abgeschieden in sich selbst ruht“, findet der Mensch auf der Welt kein Abbild, um sich zu spiegeln. Für das wüste Land dieses Kosmos ist die Einsamkeit konstitutiv. Prekäres Geburtsgeschenk des Menschen, gehen aus ihr die Koordinaten seiner Existenz hervor: Drang nach einem Gegenüber und Verfinsterung des Gemüts, Hoffnung und Trauer, Traum und Angst.
  Die Bewohner dieser Welt, die der Band in 23 kurzen Prosastücken einführt, lösen einander ab im düsteren Reigen einer ambivalenten Schöpfung. Die Erzählungen entfalten knapp und präzise je einen Typus. Sie unterscheiden sich in Ton und Gestus zum Teil deutlich voneinander. Verbunden sind diese Erzählungen allenfalls dadurch, dass ihre Handlungen und Gestalten nicht miteinander kommunizieren. Jeder Typus bleibt eingekapselt in seine eigene Perspektive, in die Einsamkeit seiner je eigenen Geschichte.
  So konsequent die Form dieses Zyklus in sich ist, so ungewöhnlich erscheint sie auf den ersten Blick für ihren Autor. Nicht zu Unrecht kündigt der Verlag den Band als Sofskys „Prosadebüt“ an und lässt ihn im Programm „Literatur“ erscheinen. Allerdings: Sofskys phänomenologische Soziologie ging immer schon von der Erzählung aus, vom Mythos, von der Parabel, auch von der auserzählten historischen Quelle. Will man dies Fiktion nennen, so war es genau diese Form der Fiktion, mittels derer der Soziologe und Politikwissenschaftler in die Abgründe menschlichen Tuns hinabstieg. Der „Traktat über die Gewalt“ stellte eine Erzählung an den Anfang jedes Kapitels. Die anschließenden Analysen waren Kommentare zu diesen Geschichten. Sie legten aus, was in ihnen als Modelle enthalten war. Indem Sofsky seine politische Erkenntnis aus der Hermeneutik von Mythen und Geschichten gewann, nahm er eines der Grundmodelle der Kultur auf, über die er schrieb. Mythen sind heilige Texte, deren Auslegung beansprucht, das menschliche Leben zu regeln. Erzählungen sind verdichtete Erfahrung.
  Der neue Band bietet einen Zyklus von Erzählungen, verweigert aber den Kommentar. Auch der Leser wird an ihm zum Einsamen, allein gelassen mit diesen Parabeln, die einerseits auf Erkenntnis zielen, dabei aber gleichzeitig oft die versprochene Erkenntnis mittels überraschender Wendungen wieder verrätseln.
  Kafka und Poe bieten deutliche Modelle. Das abgeriegelte Schloss aus der „Maske des Roten Todes“, die Strafkolonie, die absurde Anklage, die in den Prozess mündet, das Porträt, das den Porträtierten auszehrt, sind nur wenige Beispiele. Sofsky nimmt diese Themen und Grundsituationen bewusst auf, um sie dann gekonnt zu variieren. Manche Texte – es sind nicht immer die stärksten – führen am Ende doch zu Erkenntnissen, die selbst Topoi sind, wie etwa die Einsamkeit des mächtigen Herrschers. Andere Erzählungen münden in stummes Leid. Eine etwa handelt von einem Konzertpianisten, der am Ende ist, zu Tode erschöpft. Sein Konzert scheitert, er setzt sich in den Wagen und verschwindet.
  „Obwohl die überlangen Beine in den Raum hinausragen, schließt er sich nach außen ab“, sagt die Erzählung vom Pianisten. Übertragen auf den Menschen, könnte dieser Satz über Sofskys gesamtem Werk stehen. Er zeigt die Rückseite des Klarblickes auf die menschlichen Verhältnisse. Eine Analyse ist umso mehr wert, je weniger sie selbst sich einfachen Utopien, klaren Parteiungen oder humanistischen Idealen überlässt. Je härter und mitleidloser der Blick, desto schärfer die Erkenntnis. Will man aber darüber nicht zum Zyniker werden, dann sammelt sich im blinden Fleck dieses Blicks ein unendlicher Schmerz über das blanke, sprachlose Leid des Menschen. Der Mensch ragt in den Raum hinein, in den Raum der anderen, er nimmt ihnen den Raum, vermindert sie und gibt sich selbst der Verletzung preis. Er kann nicht anders, auch wenn er versucht, sich nach außen ganz abzuschließen.
  Insofern werfen die „Einzelgänger“ auch ein Licht auf Sofkys vorletztes Buch, seine „Verteidigung des Privaten“ von 2007. Privatheit, so hieß es dort, „ist die Zitadelle der persönlichen Freiheit“, und die Streitschrift rüstete sich, diese Freiheit zu verteidigen. Aber an ihr wurde ebenfalls deutlich, dass auch diese Freiheit nicht ohne Krieg zu haben ist. Der Raum des Privaten ist eine geschlossene Festung, deren Mauern durch Streitschriften und die Waffe des Wortes verteidigt werden müssen. Wer seine innere Burg gegen die Anfälle von außen verteidigen muss, ist einsam, aber man könnte denken, dass er auch eine emphatische Idee davon hat, dass diese Einsamkeit wünschenswert und lebensmöglich ist. Genau diese Illusion aber unterwandert Sofskys mit seinen Erzählungen von Einzelgängern. Der Mensch ragt in den Raum hinein, und die Mauern der Zitadelle sind sein eigenes, empfindliches Fleisch.
  Die Modelle und Typen der „Einzelgänger“, ihre Mythen und Geschichten entwerfen in parabelhafter Form ein anthropologisches Grundbekenntnis, dessen Stärke es ist, Abgründe des Menschseins auszuleuchten. Sofskys Sätze sind dabei geschliffen und lakonisch – aber die Erzählungen tragen dennoch schwer an der Last ihres Schmerzes.
Wolfgang Sofsky : Einzelgänger. Matthes & Seitz, Berlin 2013. 271 Seiten, 19,90 Euro .
Auch der Leser wird
zum Einsamen, allein gelassen
mit diesen Parabeln
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