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"Simons literarische Werke favorisierten den Blick, das Sehen dergestalt, dass man sie 'Fotografie ohne Apparat' genannt hat. Seine in Sprache verwandelten Gedächtnisbilder sind isolierte Momentaufnahmen", schreibt Brigitte Burmeister im Vorwort zu diesem Band. In den Texten wird dieses Charakteristikum seines Schreibens besonders deutlich. Die in Deutschland ebenfalls erstmals veröffentlichten Fotografien von Simon zeigen in Verbindung mit den literarischen Konzentraten, wie stark sich Literatur aus der Bildlichkeit speist. Aus den Prosastücken lässt sich das poetische Prinzip Simons ablesen,…mehr

Produktbeschreibung
"Simons literarische Werke favorisierten den Blick, das Sehen dergestalt, dass man sie 'Fotografie ohne Apparat' genannt hat. Seine in Sprache verwandelten Gedächtnisbilder sind isolierte Momentaufnahmen", schreibt Brigitte Burmeister im Vorwort zu diesem Band. In den Texten wird dieses Charakteristikum seines Schreibens besonders deutlich. Die in Deutschland ebenfalls erstmals veröffentlichten Fotografien von Simon zeigen in Verbindung mit den literarischen Konzentraten, wie stark sich Literatur aus der Bildlichkeit speist. Aus den Prosastücken lässt sich das poetische Prinzip Simons ablesen, dessen Literatur sich aus einer Vielzahl solcher scharfer Beschreibungen formt und gleichzeitig auch auf sie zurückführen lässt.
Autorenporträt
Simon, ClaudeDer 1913 auf Madagaskar geborene Claude Simon verlor seinen Vater schon früh - gleich nachdem die Familie 1914 auf ein Weingut in die Nähe von Perpignan gezogen war, fiel er im Ersten Weltkrieg in Flandern. Auch die Mutter starb bereits 1924. Als Kavallerist geriet Simon im Zweiten Weltkrieg in deutsche Gefangenschaft, konnte jedoch entkommen. Nach dem Krieg begann er zu schreiben und lernte Alain Robbe-Grillet kennen, der ihn zum Verlag Éditions de minuit holte, eine der frühen Keimzellen des Nouveau roman. In seinen zahlreichen Romanen setzte sich Simon mit seinen Kriegserlebnissen und mit seiner Familiengeschichte auseinander, 1985 krönte der Nobelpreis für Literatur sein Schaffen.

Moldenhauer, EvaEva Moldenhauer war Übersetzerin zahlreicher literarischer und wissenschaftlicher Bücher aus dem Französischen.

Burmeister, BrigitteBrigitte Burmeister, geboren 1940 in Posen, studierte Romanistik in Leipzig und arbeitete ab 1967 an der Akademie der Wissenschaften in Berlin, wo sie in Philosophie promovierte und den Forschungsschwerpunkt Nouveau roman betreute. Seit 1983 arbeitet sie als freie Schriftstellerin und Übersetzerin in Berlin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.10.2013

Über den Versuch des Ordnens von Notizen

Alles besteht aus Bildern: Zum 100. Geburtstag von Claude Simon versammelt ein Band zum ersten Mal kürzere Texte des Nobelpreisträgers. Er schlägt den Bogen über drei Jahrzehnte und präsentiert zudem einige Fotografien.

Die erste Veröffentlichung von Claude Simon, der einige Jahrzehnte später den Nobelpreis für Literatur erhalten sollte, war kein Text, sondern eine Fotografie. Sie erschien 1938 in der luxuriös ausgestatteten Pariser Kunstzeitschrift "Verve". Simon ist damals fünfundzwanzig, hat die ersten Schreibversuche schon unternommen, auch gerade Faulkner entdeckt, der ihn tief beeindruckt. Aber er ist immer noch, nach seinem Unterricht bei André Lhote - als "Student in Kubismus", wie es ein später Rückblick bissig formuliert -, auf dem Weg der Malerei: Eine Aufnahme aus dieser Zeit zeigt den jungen Mann, der von den Einkünften seiner Weinberge im Süden lebt, in seinem Atelier am Boulevard du Montparnasse an der Staffelei.

Auch zu fotografieren hatte er damals begonnen. Und im Unterschied zur Malerei, die er bald aufgab und sich auf das Schreiben warf, fotografierte er auch später noch. Aber es brauchte lange, bis er wieder mit Fotografien hervortrat. Erst 1988, da war er schon Nobelpreisträger, erschien in kleiner Auflage das "Album d'un amateur", vier Jahre später der Band "Photographies" zu einer Ausstellung in der Galerie Maeght, 1999 schließlich die ihm gewidmete schöne Ausgabe der Zeitschrift "du", in deren Bildauswahl einige seiner Fotografien eingingen. Immer waren die "Danseuses" dabei, das in "Verve" noch vor dem Krieg veröffentlichte Bild, auf dem drei Mädchen zu sehen sind, die auf der Pariser Avenue de Vincennes zur Musik eines (unsichtbaren) Akkordeonspielers tanzen.

Und diesen merkwürdigen kleinen Balletteusen, die von der Stadtszenerie ringsum nichts wahrzunehmen scheinen, begegnet man auch in dem Band, der nun rechtzeitig zum heutigen hundertsten Geburtstag des 2005 verstorbenen Claude Simon vorliegt. Er ist keine Übersetzung einer französischen Ausgabe, sondern ein eigenständiger Beitrag zum Centenarium. Zusammengestellt von Brigitte Burmeister und mit Übersetzungen von Eva Moldenhauer, beide exzellente Kennerinnen von Simons Werk, schließt er an die frühe und nachdrückliche Rezeption Simons in Deutschland an, die sich einer Reihe von hervorragenden Übersetzern und Fürsprechern verdankt.

Der Band enthält neun kürzere Texte, die zu Lebzeiten Simons nur in Zeitschriften erschienen. Der erste von ihnen stammt aus dem Jahr 1958, ein Jahr nach dem Erscheinen von "Der Wind", eigentlich der fünfte Roman Simons, aber der erste, den er seinem Werk zugerechnet sehen wollte. Der letzte Text ist das Vorwort zum schon erwähnten Band mit Fotografien aus dem Jahr 1992. Eingefügt in die Texte ist eine Auswahl von Bildern aus ebendiesem Band. Wobei die Bilder nicht chronologisch gereiht sind, sondern der Anordnung folgen, die Simon für ihn wählte, der sich dabei an thematischen oder formalen Entsprechungen und Kontrasten orientierte - so wie bei der Komposition seiner Texte auch.

Aber diese Kriterien gehen freilich gleich wieder verloren, weil der vorliegende Band nur eine kleine Zahl der ursprünglich von Simon ausgewählten Fotografien bringt. Auch darf man keine Verknüpfung von Texten und Bildern erwarten; die Fotografien sind lediglich Zugaben. Es ist ohnehin gar nicht sicher, dass es in Simons reichem Bildarchiv überhaupt eine ins Gewicht fallende Anzahl eigener Fotografien gibt, von denen er für Beschreibungen in seinen Büchern direkt Gebrauch machte. Als er ein einziges Mal mit Bildern im Text arbeitet, im "Blinden Orion", findet sich unter ihnen zwar manche Fotografie, aber keine von seinen eigenen.

Über mehr als drei Jahrzehnte hinweg reicht also der Bogen der Texte: von einem Auftakt, der noch an Faulkners Vielstimmigkeiten erinnert, hin zu den Büchern, in denen er zu seiner eigenen Technik der Schnitte und Übergänge findet, an denen durch Ähnlichkeiten und Kontraste aller Art verschiedene Orte, Zeiten und Räume aufeinanderstoßen. Bücher, die nicht autobiographisch sind, doch - wie Simon es einmal formulierte - auf Erlebtem basieren. Zuletzt deshalb, weil sie aus der Gegenwart des Schreibens selbst hervorgehen, in die sie den Leser ziehen; woran die durchbrochene Arbeit der Komposition ebenso teilhat wie die Bildkraft und sinnliche Präsenz der von Simon ineinandergefügten Beschreibungen.

Zur Arbeitsweise Simons gehörte es, einzelne Stücke zu schreiben, die dann für die Komposition der Romane herangezogen wurden. Das gilt auch für die Mehrzahl der Texte des nun erschienenen Bandes, Teile von ihnen gingen in die Bücher dieser Jahre ein, in "Der Palast", "Geschichte", "Georgica" oder den späten "Jardin des Plantes". Manchmal sind es fast nur Spuren, die eine spätere Fragmentierung und Umverteilung dann übrig lässt, wie etwa von den mit "Asche" überschriebenen Seiten, denen offenkundig das Erleben seiner schweren Erkrankung Anfang der fünfziger Jahre zugrunde liegt.

In der Mehrzahl sind diese für Zeitschriften eingerichteten Texte auch keine in sich einstimmigen Stücke, denen erst die Verarbeitung in den Büchern das Element der Komposition hinzufügt. Sie zeigen vielmehr bereits auf knappem Raum die für Simon charakteristischen Techniken der Schnitte und Verschränkungen. Reizvoll ist das in "Wort für Wort" (1959), den "Baumaterialien" (1960) und dem "Versuch des Ordnens von Notizen aufgezeichnet während einer Reise nach Zeeland" (1962) natürlich auch deshalb, weil die späteren Anverwandlungen in den Romanen noch hinzukommen, gleichsam ein weiteres Register hinzufügen.

Aber auch jene Texte, auf die Simon nicht mehr zurückgreift, wie die beiden ursprünglich für ein Reisejournal verfassten "Archipel" und "Nord", sind faszinierende Beispiele seines Schreibens. Und überdies auch seiner Passion des Reisens, in diesem Fall in den hohen Norden, nach Finnland: Insel- und Küstenwelt werden evoziert in Texten, die nahe an die offene Form des Prosagedichts kommen und selbst so etwas wie ein Textarchipel bilden.

Es ist ein unverzichtbarer Band für Simon-Leser. Und wer den Fotografen näher kennenlernen will, hat dazu noch bis Jahresende im Pariser Centre Georges Pompidou Gelegenheit - oder kann sich bei Maeght den dort immer noch erhältlichen Band mit Simons Fotografien besorgen.

HELMUT MAYER

Claude Simon: "Archipel / Nord". Kleine Schriften und Fotografien.

Aus dem Französischen von Eva Moldenhauer, mit einem Vorwort von Brigitte Burmeister. Matthes & Seitz Verlag, Berlin 2013. 174 S., Abb., geb., 22,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Wahrheit, Illusion? Thomas Steinfeld findet beides aufs Schönste verknüpft in diesen kurzen, bislang auf Deutsch unveröffentlichten Texten des Literaturnobelpreisträgers Claude Simon. Wie der Autor hier nahezu fotografisch das Unverbundene festhält, auf dass es lesbar, sichtbar wird, scheint ihm bemerkenswert. So in einer Erinnerung Simons an die Weinbranddestillation im Garten seines Großvaters. Erinnerungstexte wie dieser, zusammengesetzt aus schillernden Augenblicken, sind es, die Steinfeld faszinieren, Destillate einer chaotischen, diskontinuierlichen Wirklichkeit, wie er schreibt.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 24.02.2014

Die Fotografie und das Namenlose
Sehr willkommen: Kleine Prosa des Nobelpreisträgers Claude Simon
In der Mitte seines kleinen Textes „Baumaterial“, der um das Jahr 1960 geschrieben wurde, erinnert sich der französische Schriftsteller Claude Simon, wie er als Kind Wochen oder Monate auf dem Weingut eines Onkels im Roussillon verbrachte. Manchmal, so erzählt er, habe sich der Onkel einen alten, vergilbten Panamahut aufgesetzt und habe das Haus verlassen, um in den Weinberg zu gehen oder einen Fuhrmann zu empfangen. Dann sei es seine Aufgabe gewesen, die Reagenzgläser zu überwachen, in denen der Bauer Weinbrand destillierte: „mit einer Art Faszination zusehend wie sich am Ende des Gummischlauchs langsam die Tropfen bildeten in dem unmerklichen winzigen Beben
das sich ausgehend von dem Kessel fortpflanzte wie das Geräusch der Stille gleich einem fernen Brodeln friedlich und grabesruhig mit dem eintönigen Summen der Insekten verschmelzend“.
  Fast zwei Seiten lang ist diese Szene, die nur aus einem Satz besteht, dessen Lauf nur von einem Komma unterbrochen wird. Und wer vorher nicht wusste, wie es ist, wenn ein Heranwachsender an einem heißen Sommertag im französischen Süden beobachtet, wie allmählich Schnaps entsteht, der weiß es nach der Lektüre. Er weiß es sehr genau.
  Aus solchen langen Ketten oft dunkel schillernder, manchmal hell leuchtender, meist wie überdeutlich wahrgenommener Augenblicke besteht das Werk des im Jahr 2005 verstorbenen Claude Simon. Sie alle seien Erinnerungstexte, schreibt dazu die Schriftstellerin und Übersetzerin Brigitte Burmeister, die Herausgeberin eines Bandes bislang nicht auf Deutsch erschienener kurzer Arbeiten des Nobelpreisträgers: „Kein Schwelgen in Erinnerungen, keine Geschichten von früher. Das Erinnerte ist ein Magma von Empfindungen und Sinneseindrücken, chaotisch, simultan, diskontinuierlich. Ein Ensemble von Bruchstücken, isolierten Augenblicken, gleichsam stehenden Bildern.“
  Sie hat völlig recht, und zwar sowohl was die kleinen Schriften dieses Bandes betrifft, die selbst wie Destillate wirken, als auch im Bezug auf das gute Dutzend Romane, die im Lauf von mehr als fünfzig Jahren entstanden. Und es stimmt auch, wenn sie hervorhebt, wie sehr das gesamte Œuvre um den Krieg kreist, in den Claude Simon im Jahr 1940 als Kavallerist zog, um dann Gefangenschaft und Flucht zu erleben.
  Der Schriftsteller selbst verglich diese Art literarischer Erinnerung immer wieder mit der Fotografie. Ihr ist der knappe Schluss-Essay dieses Bandes gewidmet: Die Fotografie erklärt er darin, besitze „die Macht, festzuhalten und zu speichern, was unser Gedächtnis selbst zu behalten außerstande ist, nämlich das Bild von etwas, das nur in einem winzigen Bruchteil der Zeit stattgefunden und existiert hat.“ Wie dieser Satz zu verstehen sei, davon scheint die Literatur Claude Simons Zeugnis abzulegen: durch die Übertragung des Vielen und Unverbundenen, das auf der Fläche, die jede Fotografie bildet, nebeneinander existiert, in eine Folge von sprachlich gestalten, disparaten Beobachtungen, aus denen sich eine literarische Szene zusammensetzt, bis sie von der nächsten abgelöst wird. Ob das stimmt, ob Claude Simon nicht die eigene Erinnerung und seine Dichtung unterschätzt, wenn er von ihnen spricht, ist indessen eine Frage. Denn es ist ja gar nicht wahr, dass die Erlebnisse des Heranwachsenden vor einem Reagenzglas etwas Chaotisches und Diskontinuierliches bilden und bilden müssen.
  Denn wenn es so wäre, so würden die Gegenstände in ihrer Beschreibung eine aussichtslose Masse bilden, eine bestenfalls traumhafte, nur physiognomisch aufgefasste Realität, in der kein Augenblick die Kraft hat, den vorausgehenden wie den nachfolgende Augenblick zu binden. Das Gegenteil aber scheint der Fall zu sein: So, wie der Junge vor den Reagenzgläsern sitzt, kann kein Zweifel daran bestehen, dass es hier eine Bedeutung zu erkennen gibt, der die einzelnen Beobachtungen als Prädikate zugeordnet sind: Sie liegt nicht nur im Wesen der Stille, sondern auch im Bewusstsein der langsam verrinnenden Zeit, deren Bild die sich langsam bildenden Tropfen offenbar sind.
  Und so unwahrscheinlich es ist, dass Claude Simon nicht wüsste, wie tief er sich auch in dieser Passage – es gibt in seinem Werk viele solcher Denkbilder – auf metaphysischem Gelände bewegt, so wahrscheinlich ist es, dass er ein strategisches Verhältnis zur Fotografie einnimmt: Sie dient ihm als Mittel, ein Universum von Bildern zu erzeugen, die alle belegen, dass ihre Wahrheit nicht zu haben ist, weil sie woanders, weil sie jenseits liegt – und zwar existiert, aber unerreichbar ist. Die Fotografie fungiert hier also als eine Art Metapher für Unverfügbarkeit.
  In der Zeitschrift Sinn und Form ist ein bislang eher unbekannt gebliebener Essay Claude Simons aus dem Jahr 1962 erschienen, der Gastone Novelli gewidmet ist, einem italienischen Künstler, den Simon persönlich gut kannte und als Geistesverwandten betrachtete. „Das Namenlose zeichnen“, schreibt Claude Simon über dessen Absichten, „und gleichzeitig wissen, daß es eine Illusion ist, daß es sich niemals bannen, einschließen, einfrieren läßt.“ Einmal abgesehen davon, dass sich in diesem Programm ein Widerspruch verbirgt – denn es ist ja offensichtlich möglich, das „Namenlose“ in Worte zu fassen –, artikuliert sich in solchen Forderungen der Anspruch einer radikal gewordenen ästhetischen Moderne auf eine höhere, alles übersteigende Wahrheit, der gegenüber sich alle Kunst auf privilegierte Weise als Indiz verhält. Erkennbar ist in solchen Sätzen, in welchem Maße Claude Simon sein ganzes Leben lang den Lehren seiner frühen Meister, der Kubisten, verhaftet blieb.
  Gaston Novelli ist, worauf der Schriftsteller Marcel Beyer in einem Essay in derselben Ausgabe von Sinn und Form hinweist, als eine der zentralen Figuren in Claude Simons Roman „Le Jardin des Plantes“ (1997) eingegangen – so ähnlich, wie dann W. G. Sebald Passagen aus diesem Buch in den Roman „Austerlitz“ (2001) aufnahm, wo sie als Lektüreerinnerung des Erzählers vorkommen. Marcel Beyers Essay, in dessen Zentrum die Kriegsgefangenschaft Claude Simons in Mühlberg an der Elbe steht, ist von einem doppelten Motiv getragen: zum einen darzulegen, wie sehr die autobiographische historische Erfahrung die Grundlage von Simons Œuvre bildet, und auf der anderen Seite zu zeigen, dass dieser Dichtung eine intensive Zeitgenossenschaft zugrunde liegt – wie eng also etwa der Roman „Palast“ (1962) mit dem Algerienkrieg, das Buch „Die Schlacht bei Pharsalos“ (1969) mit dem Vietnamkrieg und „Jardin des Plantes“ mit dem zweiten Golfkrieg verbunden ist. „Das nach Clausewitz so genannte ,theater of war‘ . . . bringt Bilder des aktuellen Geschehens hervor, an denen sich die Erinnerung entzündet, in einem unabschließbaren, von Roman zu Roman weiterlaufenden Prozess.“
  Kein Zweifel, dass Marcel Beyer hier etwas sieht, was der Kritik bislang verborgen war – und kein Zweifel auch, dass das Wissen um das Illusionäre der Wahrheit der Wahrheit tief verpflichtet ist, zu ihrem eigenen Besten.
THOMAS STEINFELD
Claude Simon: Archipel / Nord. Kleine Schriften und Photographien. Aus dem Französischen von Eva Moldenhauer. Mit einem Vorwort von Brigitte Burmeister. Matthes & Seitz Verlag, Berlin 2013. 176 Seiten, 22,90 Euro.
Claude Simon: Novelli oder das Problem der Sprache. Aus dem Französischen von Eva Moldenhauer; Marcel Beyer: Blatt, Baracke, Borke, Bordell. Claude Simon in Mühlberg an der Elbe.
Beide Texte in „Sinn und Form“, Heft 1/2014.
Simons Essay „Novelli oder das
Problem der Sprache“ war
bisher weitgehend unbekannt
  
  
  
Claude Simon , geboren 1913 auf Madagaskar, gestorben 2005 in Paris, wurde im Jahr 1985 mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet.
Foto: dpa
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