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Anrührend, zart und ein dringlich: Die Geschichte eines jüdischen Jungen, der sich im Krieg vor den Deutschen versteckt - bei einer Prostituierten.
Der Zweite Weltkrieg ist auf seinem Höhepunkt, Tag für Tag wer-den Juden aus einem Ghetto in Südosteuropa deportiert. Fieber-haft versuchen die Eltern, für ihre Kinder ein Versteck zu fin-den. Als sich die letzte Hoffnung für den elfjährigen Hugo zer-schlägt, bringt ihn seine Mutter zu Mariana, einer Jugendfreun-din, die in einem Freudenhaus arbeitet und wohnt. Plötzlich findet er sich in einer dunklen Abstellkammer wieder, in der er zwischen…mehr

Produktbeschreibung
Anrührend, zart und ein dringlich: Die Geschichte eines jüdischen Jungen, der sich im Krieg vor den Deutschen versteckt - bei einer Prostituierten.
Der Zweite Weltkrieg ist auf seinem Höhepunkt, Tag für Tag wer-den Juden aus einem Ghetto in Südosteuropa deportiert. Fieber-haft versuchen die Eltern, für ihre Kinder ein Versteck zu fin-den. Als sich die letzte Hoffnung für den elfjährigen Hugo zer-schlägt, bringt ihn seine Mutter zu Mariana, einer Jugendfreun-din, die in einem Freudenhaus arbeitet und wohnt.
Plötzlich findet er sich in einer dunklen Abstellkammer wieder, in der er zwischen stinkenden Fellen liegen muss. Wenn Mariana in ihrem rosa Zimmer nichts zu tun hat, bringt sie ihm belegte Brote oder holt ihn zum Aufwärmen in ihr breites Bett. Alles versetzt ihn in Erstaunen, und er versucht es zu verstehen. Nachts fürchtet er sich vor den Männerstimmen, die zu ihm he-reindringen - es sind die Stimmen deutscher Soldaten und Juden-jäger, denen Mariana gegen Bezahlung schöne Stunden schenkt. Bei ihr lernt er alles über das Leben und dessen Grausamkeit, aber auch über Verantwortung, Liebe, sogar Glück.
Dieser bezaubernde, kunstvoll rhythmisierte Roman erzählt auf lakonische, dennoch eindringliche Weise von einem Jungen und einer Prostituierten, die in Zeiten der Bedrohung Glauben und Würde nicht verlieren.
Autorenporträt
Appelfeld, AharonAharon Appelfeld wurde 1932 in Czernowitz geboren, er starb 2018 bei Tel Aviv. Nach Verfolgung und Krieg, die er im Ghetto, im Lager, dann in den ukrainischen Waldern und als Küchenjunge der Roten Armee überlebte, kam er 1946 nach Palastina. In Israel wurde er spater Professor für Literatur. Seine Romane und Erinnerungen, unter anderem mit dem Prix Me dicis und dem Nelly-Sachs-Preis ausgezeichnet, sind in mehr als fünfunddreißig Sprachen erschienen, auf Deutsch zuletzt «Meine Eltern».
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.12.2008

Hänsel und Gretel im Zweiten Weltkrieg
„Blumen der Finsternis”: Aharon Appelfeld erzählt einmal mehr vom unwahrscheinlichen Überleben
Es ist immer wieder das selbe Buch, an dem Aharon Appelfeld schreibt. Immer wieder erzählt er „Die Geschichte eines Lebens” – so einer seiner Titel – und variiert dabei seine eigene Geschichte. 1932 in Czernowitz als Sohn assimilierter Juden geboren, überlebte er den Holocaust auf abenteuerlichste Weise im Ghetto, im Lager und auf der Flucht. Als er acht Jahre alt war, wurde seine Mutter von rumänischen Antisemiten ermordet und er zusammen mit dem Vater nach Transnistrien vertrieben. Lange Zeit hielt er sich in den Wäldern versteckt, bis er sich 1944 als Küchenjunge der Roten Armee anschloss. Über Italien gelangte er schließlich nach Palästina, wo er seit 1946 lebt. Die Muttersprache Deutsch ließ er hinter sich, als er auf Hebräisch zu schreiben begann. Trotz des israelischen Diktums der Aufbauzeit, zu vergessen und über die Vergangenheit zu schweigen, wollte und konnte er die Geschichte seiner Herkunft und seines Überlebens nicht hinter sich lassen. Er wäre dann nur ein halber Mensch gewesen, sagte er einmal.
Die Grundmotive dieses Lebens kehren auch in seinem jüngsten Roman wieder: Die traumatische Trennung von den Eltern, das Überleben im Versteck und in den Wäldern und vor allem die Perspektive des Kindes, das nicht versteht, aber umso schärfer empfindet, was mit ihm und ringsum passiert. Hugo heißt dieser Junge in „Blumen der Finsternis”. Seine Mutter übergibt ihn ihrer Freundin Mariana, die als Prostituierte in einem Bordell arbeitet. Dort verbirgt er sich anderthalb Jahre lang in einer Abstellkammer, von der aus er hören kann, wie Mariana nachts ihre Freier empfängt. Es sind deutsche Soldaten, die oft gewalttätig sind und die von ihrer Judenjagd berichten. Zu Mariana entsteht eine seltsame Beziehung. Sie ersetzt ihm die Mutter, wird ihm allmählich aber auch zu einer Art Geliebten, ohne dass er das so nennen könnte. Er ist für sie das einzige männliche Wesen, dem sie vertraut. Wenn keine Kunden kommen, holt sie ihn zu sich ins Bett. In ihren Armen „wird er erwachsen”, wie der Erzähler dezent formuliert.
Hugo beschäftigt sich in den langen Tagen der Dunkelheit und Kälte mit seinen Gedanken und Träumereien. Übergangslos entkommt er der Wirklichkeit in seine Traumwelt, wo die Eltern und seine deportierten Freunde gegenwärtig bleiben. In ein Schulheft, das er mitgebracht hat, schreibt er Briefe an die Eltern, ohne je zu klagen, und als wäre er nur vorübergehend von ihnen getrennt. Seine karge, schmucklose Sprache entwickelt eine große Kraft, um die Angst von sich wegzuhalten. Es ist, als schreibe da ein anderer kühl beobachtend aus der Distanz über das eigene Schicksal. Diese harte, überlebensnotwendige Ungerührtheit erinnert an Romane von Agota Kristof – nicht zuletzt auch durch das Motiv des Schulhefts und das Erleben eines erwachsenen Kindes.
Das ihm unbegreifbare Geschehen nimmt märchenhafte Züge an, und so schreibt Hugo in sein Heft: „Manchmal habe ich das Gefühl, selbst eine Märchenfigur zu sein. Ich hoffe, es ist ein Märchen, das gut ausgeht.” Auf der Flucht vor den Russen gelangt er mit Mariana in die Wälder, wo sie unter schützenden Bäumen am Feuer sitzen und Fische im Fluss fangen. Da sind sie fast wie Hänsel und Gretel im finsteren Wald – doch das Märchen von Hugo und Mariana und ihrer Liebe endet nicht gut. Alle Huren werden als Kollaborateure erschossen. Mariana gibt ihm einen Satz als Vermächtnis mit: „Von Zeit zu Zeit sage dir: Einmal hat es Mariana gegeben, sie war eine Frau, die man zutiefst verletzt hat, aber ihren Glauben an Gott hat sie nie verloren.” Daran hält sich Hugo, als er ins Viertel seiner Kindheit zurückkehrt, wo nun die Ukrainer in den Wohnungen der Juden leben. Und daran hält sich auch der Erzähler Aharon Appelfeld. Er verwandelt seine Erlebnisse in Literatur und erzählt von denen, die es einmal gegeben hat. JÖRG MAGENAU
AHARON APPELFELD: Blumen der Finsternis. Roman. Aus dem Hebräischen von Mirjam Pressler. Rowohlt Berlin, Berlin 2008. 318 Seiten, 19,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.07.2009

Kind ohne Kindheit

Der israelische Autor Aharon Appelfeld, der mit vierzehn Jahren dem Holocaust entkam, erzählt in seinem Roman von den Albträumen seiner bukowinischen Kindheit.

Gegen Ende des Romans steht Hugo Mansfeld auf dem Platz vor der Kommandantur und hört die Worte der Trauernden. Mariana und die anderen Frauen wurden gerade abtransportiert; die Menschen, die dem Lastwagen voller Entsetzen und Verzweiflung nachgeschaut haben, gehen wieder auseinander, nur ein paar Verwundete bleiben zurück und starren verloren vor sich hin. Hugo ist der Protagonist von "Blumen der Finsternis", eines jener gejagten, ihrer Kindheit beraubten Kinder, in deren Namen der 1932 in der Bukowina geborene israelische Schriftsteller Aharon Appelfeld seit Jahrzehnten die Geschichte seines Lebens erzählt. Russische Soldaten haben Hugos Heimatstadt von den Deutschen befreit, der Zweite Weltkrieg ist vorüber, in der Apotheke des Vaters befindet sich ein Lebensmittelgeschäft, und auch Hugos Elternhaus wird von anderen bewohnt. Die Ukrainer haben die Häuser und Wohnungen der Juden in Besitz genommen. Es gibt keine Juden mehr in der Stadt. Als Hugo, am Tag nach dem Abschied von Mariana, Minuten nachdem sie die Ladefläche des Lastwagens bestiegen hat, auf dem Platz vor der sowjetischen Kommandatur steht, in der die Kollaborateure der Deutschen zum Tode verurteilt werden, sehnt sich sein ganzer Körper danach zu weinen. "Aber die Quelle der Tränen", so Appelfeld in seinem starken, von der überwältigenden Kraft der Erinnerung und Phantasie belebten Roman, "war versiegt."

Als Überlebender des Holocaust hat der mit vierzehn Jahren nach Palästina entkommene Aharon Appelfeld bereits seit Beginn der fünfziger Jahre aus einer Quelle der Tränen geschöpft, seit der Arbeit an seinen frühen Gedichten, den seit 1959 erschienenen Kurzgeschichten, seinem 1971 erschienenen Debütroman "Die Haut und das Hemd": Aus der Erinnerung und der Phantasie, jenen im trauerfarbenen Land von Appelfelds Kindheit vergrabenen Wurzeln und den Knospen einer zwischen Traum und Albtraum rankenden Imagination ist in mehr als fünfzig Jahren der dunkle Märchenwald erwachsen, im dem auch Appelfelds jüngster Roman spielt. Angst und Verzweiflung herrschen hier, die erbarmungslose Kälte der Nacht, in die schon die von ihrer Familie verlassene Titelfigur von Appelfelds 1983 veröffentlichtem Roman "Tzili" vor ihren mörderischen Verfolgern flieht, gespenstische Erinnerungen an die Greuel des Lagers, die sich im Meisterwerk "Die Eismine" von 1997 in jede Körperzelle der Flüchtlinge eingenistet haben. Mit der Figur des Hugo Mansfeld, der zu Beginn von "Blumen der Finsternis" das traurige Fest seines elften Geburtstags feiert, ein Abschiedsfest, das seine Mutter im Ghetto ausrichtet, bevor sie mit ihm aus Angst vor der Deportation die Flucht ergreift und Hugo der Obhut ihrer Jugendfreundin Mariana anvertraut, schildert Appelfeld ein Schicksal, das die Erinnerungen vieler anderer Figuren in sich birgt. Als sich Hugo, dessen Vater schon vor Wochen in ein Arbeitslager deportiert worden war, von seiner Mutter verabschiedet und sieht, wie sie sich einen Weg durch die Büsche bahnt, bis sie in der Dunkelheit verschwindet, geht ein Schnitt durch das Leben des Kindes, und nichts ist mehr, wie es war.

Appelfeld ist ein lakonischer Erzähler, dessen lyrische, von einem eigenen, unverwechselbaren Ton erfüllte Stimme um die Geschicke seiner Figuren scheinbar wenig Aufhebens macht und schließlich auch die Geschichte von Hugo Mansfelds Rettung durch Mariana nur in feinste Schwingungen zu versetzen braucht, um ihre Wirkung zu entfalten. "Die Sprache ist ein Instrument der Gedanken, man muss sich klar und präzise ausdrücken", lautet der schlichte Leitsatz von Appelfelds Poetik, mit dem sich Hugo an einen Rat seines Vaters erinnert: "Seltsam, schoss es ihm durch den Kopf, auch eine einfache Sprache kann bunt sein." Appelfeld schildert Hugos Furcht, in der Abstellkammer entdeckt zu werden, in der ihn Mariana vor den deutschen Soldaten versteckt. Er beschreibt die Verwunderung über die bedrohlichen Männerstimmen, die Hugo aus Marianas Zimmer vernimmt, sein Erstaunen angesichts der anderen in dem Haus lebenden Frauen, die er kennenlernt, und weckt im Leser früh die Ahnung, dass es sich bei dem Unterschlupf des Jungen um ein auch von deutschen Soldaten frequentiertes Bordell handelt. Marianas Fürsorge, die anfangs mütterliche Liebe, die im Laufe der eineinhalb Jahre, die der heranwachsende Hugo in seinem Versteck verbringt, bald die Nuancen einer anderen Intimität erkennen lässt, werden zum Ausdruck tiefer Menschlichkeit.

Doch diese behutsam, nicht selten in Andeutung beschriebene sexuelle Initiation ist nicht das einzige Erweckungserlebnis, mit dem Appelfeld die bedrückende Atmosphäre seiner Erzählung konterkariert. "Blumen der Finsternis" ist auch der Roman einer religiösen Zuwendung, in dem Hugo, der Sohn assimilierter Juden, immer wieder mit dem starken Glauben der gottesfürchtigen Mariana konfrontiert wird, der ungeachtet konfessioneller Unterschiede auch Hugo gegen Verzweiflung und Selbstaufgabe zu wappnen scheint. "Ich habe alles in seine Seele gelegt, was ich hatte", so Mariana, als sie Hugo in jener schweren Nacht nach ihrer Deportation im Traum erscheint. Hugo schläft neben den anderen Flüchtlingen auf dem Platz vor der sowjetischen Kommandantur, Bilder sickern in seine Träume, "Bilder von zu Hause und von jetzt", und schließlich erhebt sich Marianas Gestalt aus dem Durcheinander und beginnt zu den Flüchtlingen zu sprechen.

"Vermutlich werden manche Menschen nicht gutheißen, was ich ihm beigebracht habe, aber seid unbesorgt, ich habe ihn mit viel Glauben ausgerüstet, er weiß jetzt, dass Gott in allen Dingen ist, auch wenn euch das nur wenig bedeutet. Der Widerstand gegen Gott ist so stark, sogar ein bisschen Glaube verlangt dem Menschen eine große Anstrengung ab. Deshalb sage ich euch", so Appelfeld in diesem unvergesslichen, auf wundersame Weise hoffnungsfrohen Roman, "Hugo hat sich gewiss nicht nur äußerlich verändert. Ihr werdet noch staunen."

THOMAS DAVID

Aharon Appelfeld: "Blumen der Finsternis". Roman. Übersetzt aus dem Hebräischen von Mirjam Pressler. Verlag Rowohlt Berlin, Berlin 2008. 317 S., geb., 19,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Aharon Appelfeld "erzählt von denen, die es einmal gegeben hat", schreibt Jörg Magenau in einer wenig bewertenden, aber merklich beeindruckten Kritk. Er kennt das Oeuvre des Autors und weiß, dass die Motive der eigenen Geschichte im Holocaust - die Flucht, die Lager, der Verlust der Eltern, das Leben in Verstecken - in Appelfelds Romanen immer wiederkehren. So auch hier, wo eine Hure ein jüdisches Kind versteckt - eine Geschichte, die später tragisch enden wird. Besonders  ergriffen haben Magenau die vom Erzähler selbst reflektierten märchenhaften Züge in Appelfelds Stil und die "überlebensnotwendige Ungerührtheit" im Ton des Buchs.

© Perlentaucher Medien GmbH