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Chaos und Anarchie, Sex, Bullen, Bier und Rock 'n' Roll? Fehlanzeige! Hier geht's voll gesittet zu: Peter Julius Hein hat Angst vor dem Osten, und sein tablettensüchtiger Freund Dr. Hollenbach ist gar kein richtiger Arzt. Dennoch brettern die beiden jungen Altpunks mit einer illegal beschafften Staatskarosse ostwärts, um die Reste ihrer alten Band wieder zusammenzutrommeln - es droht nämlich ein unverhofftes Comeback. Die Motive der Mitspieler sind dabei höchst ehrenwert: Geldgier, Langeweile, Rache und Sehnsucht nach Liebe. Was in der BRD der Ära Kohl begann, soll in Merkels neuen Ländern…mehr

Produktbeschreibung
Chaos und Anarchie, Sex, Bullen, Bier und Rock 'n' Roll? Fehlanzeige! Hier geht's voll gesittet zu: Peter Julius Hein hat Angst vor dem Osten, und sein tablettensüchtiger Freund Dr. Hollenbach ist gar kein richtiger Arzt. Dennoch brettern die beiden jungen Altpunks mit einer illegal beschafften Staatskarosse ostwärts, um die Reste ihrer alten Band wieder zusammenzutrommeln - es droht nämlich ein unverhofftes Comeback. Die Motive der Mitspieler sind dabei höchst ehrenwert: Geldgier, Langeweile, Rache und Sehnsucht nach Liebe. Was in der BRD der Ära Kohl begann, soll in Merkels neuen Ländern seine Erfüllung finden: Peter Heins private Wiedervereinigung mit seiner alten Jugendliebe, der mirakulösen Sängerin Itty Lunatic. Wie in diesem ohnehin überschäumenden Gefühlschaos dann doch noch Bullen, Bier und Rock 'n' Roll zu ihrem Recht kommen, erzählt dieser weltweit erste "Punkroman für die besseren Kreise". Ein Road-Roman zum Einsteigen und Mitfahren, voller Witz und Ironie. Schmitts unkorrektes Debüt rauscht respektlos durch die gesamtdeutsche Realität von Rügen bis Chemnitz, durch die bewegte Punkgeschichte von damals bis heute.
Autorenporträt
Oliver Maria Schmitt, Jahrgang 1966, ist Romancier und Journalist. Für seine Reportagen wurde er mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Henri-Nannen-Preis 2009.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.11.2006

Das beste Konzert wurde nie gespielt
Punks scheitern schöner: Oliver Maria Schmitt hat eine Geständnisform gefunden

Deutschsprachige Autoren, die über heimische Unterhaltungsmusik schreiben, geraten leicht in Gefahr, provinzieller zu wirken, als sie sind. Das liegt an der mangelnden Reichweite deutscher Popmusik. Die Frage ist nur, wie man sich dazu verhält. Heinz Strunk hat mit "Fleisch ist mein Gemüse" gezeigt, daß sich aus einem vermeintlich niederen Gegenstand (Landeier-Musik) beeindruckende Literatur machen läßt. Schwieriger ist es, wenn die Musik, um die es geht, selber schon jene Daseinskritik transportiert, auf die der Autor aus ist. Rocko Schamonis "Dorfpunks" waren der Beweis dafür, daß man seine Jugend als Punker erzählen kann, ohne selber wie einer zu reden. Der Witz war freilich der, daß Schamoni uns zu verstehen gab, im Grunde nie ein richtiger Punker gewesen zu sein. Aber was heißt schon "richtig"? Bis heute weiß niemand so genau, was Punk überhaupt ist - das Einhorn der Popkultur.

Aus der unsicheren Erkenntnislage erwachsen jedenfalls Ironie und Understatement als adäquate Herangehensweisen. Oliver Maria Schmitts erster Roman "Anarchoshnitzel schrieen sie" ist ein weiterer Beleg dafür. Der "Punkroman für die besseren Kreise", wie der Untertitel mitteilt, verschreibt sich der Bewegung auf eine Weise, die jederzeit offenläßt, wie ernst man sie überhaupt nehmen kann. Der Ich-Erzähler Peter Hein - der Name ist geborgt bei dem "Fehlfarben"-Sänger, einem der ganz wenigen deutschen Punkmusiker von Rang - kontrastiert die Geschichte seiner aus der fingierten Stadt Hellingen (Schmitt kommt aus Heilbronn) stammenden "Gruppe Senf" mit den "Sex Pistols". Höher könnte die Fallhöhe nicht sein. Nun ist es so, daß sich auch die berühmtesten Punker in der Instrumentenbeherrschung kaum von den provinziellsten unterscheiden. Doch das wäre ein Spießerargument, auf das Schmitt sich nicht einläßt. Ihm geht es um den fürs Milieu freilich nicht schmeichelhaften Nachweis, daß auch die Profession des dumpf-unartikulierten Dagegenseins, der sich der Punk insgesamt verschrieb, den Mechanismen des Marktes ausgeliefert ist: Beratern, Fernsehanstalten, Verkaufsquoten.

Unter der Voraussetzung, daß auch die Ideologie, die Punk einmal war, irgendwann von dem absorbiert wird, was sie zu unterlaufen meint, läßt Schmitt ein sehr zeitgenössisches Road-movie abschnurren, das in Wirklichkeit ein historischer Roman ist: das Mutmaßen über das, was Punk einmal gewesen sein könnte, all die Legenden, unscharfen Erinnerungen und meistens nur herbeigewünschten Ereignisse, welche die Musik und die daran gekoppelte eigene Entwicklung geprägt haben.

Peter Hein und Dr. Hollenbach, zwei Männer in den Enddreißigern, machen sich im Herbst 2005 mit einem auf unsaubere Weise gemieteten Auto auf den Weg nach Ostdeutschland, um ihre Band wiederzubeleben, deren Ursprünge in die Anfänge der Kohl-Ära zurückreichen. Bereits mit diesem Rahmen trägt Schmitt der historischen Entwicklung Rechnung: Wo sich die Popmythen einst aus dem Schmerz über Auflösungserscheinungen oder frühe Tode bildeten, treiben heute die Wiedervereinigungen das Gespräch über sie an.

Schmitt schließt das Land mit seinem Punkmilieu kurz, wobei er als ehemaliger "Titanic"-Chefredakteur der Auffassung ist, daß politisch-geographisch sowieso nicht zusammenwachsen darf, was zusammengehört. Für die "Gruppe Senf" gilt das auch: Ihre Mitglieder reden so aneinander vorbei wie West- und Ostdeutschland, wobei, ebenfalls der "Titanic"-Tradition gehorchend, allerlei Ossi-Verunglimpfung unterläuft, die romanadäquat abgemildert ist. Es handelt sich hier weniger um Landeskunde als vielmehr um die mit einem geschickt arrangierten Stimmengewirr, einer an Henscheid erinnernden allgemeinen Großsprecherei bewältigte Rekonstruktion dessen, was Punk einmal bedeutete: Dissidenz und Scheitern. Die Bewegung speiste sich ja aus einem schlechthin negativen Daseinsbefund - deswegen war sie "gegen alles" -, den man über Adorno (Schmitt hat schon ein Buch über dessen Erben, die Neue Frankfurter Schule, geschrieben) bis zu Schopenhauer zurückverfolgen könnte. Darin, daß die Welt mit einer "Matrix aus Scheiße" überzogen ist, weiß Schmitt sich mit einem gewissen Heinz Halfpape (das ist: Strunk) einig. Fast in Reinkultur referiert ein Gruppenmitglied die von Schopenhauer formulierte Analogie zwischen Welt (Wille) und Musik, aus welcher der Punk die wohl schärfste Konsequenz gezogen hat: Musik ist, wie Zappa formulierte, dazu da, Scheußlichkeiten abzubilden.

Auch deswegen wirkt es stimmig, daß die heillos schlecht musizierende, aber mit einer für richtig gehaltenen Haltung ausgestattete "Gruppe Senf" sich damals nach einem Konzert und ohne Platte auflöste - ein in der Pophistorie klassischer Mythos. Die Gruppe soll schließlich in Köln ihre Wiedervereinigung feiern; dabei stellt sich heraus, daß der verschlagene Manager "NJN" sie für eine Sendung mit den "hundert beschissensten Rocksongs aller Zeiten" angemeldet hat. Und hier ist man, unter dem titelgebenden Namen "Anarchoshnitzel", plötzlich doch einmal Spitzenreiter. Peter Heins alte Liebe Itty Lunatic, die als geheimer Motor der Handlung dient, zitiert im Chaos Dylans Anweisung an seine elektrische Band beim Skandalauftritt 1965 in Newport: "Play fucking loud!" Hein greift sich das Mikrofon und singt, wie er noch nie gesungen hat: mit Würde.

Die Geschichte besteht aus großen Augenblicken; für den Helden war es nur ein "klitzekleiner": "Aber ich habe ihn erwischt." Wie der am Ende zitierte Gottfried Benn bei Nietzsche sein großes Erlebnis bezog, so ergeht es Hein mit dem Punk: "das Erdbeben der Epoche". Auch wenn es nur kurz währte, für ihn war es die größte Musik seit Beethoven. Der Größte war taub, die Größten können gar nicht spielen - die Musikgeschichte besteht aus lauter Paradoxen, so daß der Roman als solcher zum Verstoß gegen ungeschriebene Gesetze wird: "Die besten Auftritte sind doch die, die nie stattfinden." Es wäre bedauerlich gewesen, wenn Oliver Maria Schmitt sich diese Maxime für sein komisches, absurdes, in einer originell-handfesten Sprache verfaßtes Buch zu eigen gemacht hätte. Den deutschen Punk trieb auch nur die Sehnsucht nach dem richtigen Leben im falschen um. Jetzt hat er sein windschiefes, aber wetterfestes Denkmal.

Oliver Maria Schmitt: "Anarchoshnitzel schrieen sie". Ein Punkroman für die besseren Kreise. Rowohlt Berlin 2006. 350 S., geb., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 21.11.2006

Merk auf, Kamerad, Du rüttelst am Ohrfeigenbaum
So etwas wird man nie los: Oliver Maria Schmitts Punk-Roman „AnarchoShnitzel schrieen sie”
Sie waren Helden. Nein, sie waren es nicht, auch nicht für einen Tag. Die „Gruppe Senf” kam aus der schwäbischen Provinz, und sie kam zu spät. Als Jan Peter, Hector, Rolfi und Hollo ihre Gitarren umschnallten, ihr Keyboard und ihre Drums mit dem Furor keineswegs genialer Dilettanten bearbeiteten, lag Punk schon in den letzten Zügen. Trotz der schönen Leadsängerin Itty Lunatic, die gerne ein „Pfund Seife im karottenroten Haar” trug, reichte es nie für einen Gig in Hamburg oder Düsseldorf, sondern nur für einen kleinen Skandal beim „Brackinger Backhausfeschtle”. Dann zerstreute man sich und ergriff mehr oder minder bürgerliche Berufe.
Über zwei Jahrzehnte später aber ruft Hollo überraschend Jan Peter an: Eine Reunion steht bevor! Bei Rolfi, der inzwischen in Thüringen lebt, sollen sich alle noch lebenden Band-Mitglieder treffen; Hector, der wilde stage diver, ist schon vor einiger Zeit von einer Straßenwalze überrollt worden. Jan Peter ist sofort bereit. Einerseits fühlt er sich der Musik und den Ideen seiner Jugend nach wie vor verbunden. „So was wird man nie los”, räsoniert er. „Denn man erkannte sich, auch nach Jahren, immer noch: Ex-Punks waren irgendwie anders, aufmüpfiger, heller und schneller. Sie machten nicht mit – sie machten selbst. Wie ich. Und nur darauf kam es an. Und deshalb war ich noch Punk. Dachte ich.” Andererseits hofft Jan Peter darauf, mit gehöriger Verspätung Itty zu erobern, seine große Liebe, die er nicht vergessen kann.
In „Verschwende deine Jugend” hat Jürgen Teipel vor fünf Jahren an den deutschen Punk-Underground der späten Siebziger, frühen Achtziger erinnert. Die zahlreichen Stimmen von Musikern und Aktivisten fügen sich in diesem Buch zu einem Trauerchor: Der Kommerz triumphiert über die Avantgarde; nicht „Mittagspause” und „Der Plan” können sich Goldene Schallplatten an die Wand hängen, sondern Nena und Hubert Kah. „AnarchoShnitzel schrieen sie” blickt ebenfalls in diese Zeit zurück, aber auf eine völlig andere Weise. Oliver Maria Schmitt, ein früherer Chefredakteur der „Titanic”, hat keine Dokumentation verfasst, sondern einen leicht autobiographisch durchwebten Roman. Aus dem heroischen Stoff macht er eine temporeiche, grelle Farce, die weder Vergangenheit noch Gegenwart schont.
Die mehrtägige Fahrt in einem schweren Mercedes erneuert die Freundschaft von Jan Peter und Hollo. Sie dient aber auch einer satirischen Schilderung der neuen Bundesländer, die deren mediales Zerrbild lustvoll ins Groteske verschärft. „Die Zone”, trompetet Hollo warnend, „ist unser Amerika. Bei den Säuglingsmorden führen sie bereits und bei den Amokläufen auch.” Es wimmelt von Skinheads und Hartz IV-Empfängern, von Outlet-Parks und schmierigen Imbissbuden. Schon der Verzehr einer Bratwurst wird zu einer harten Prüfung für den Magen: „Das Innere des obszön langen Riesenrosters hatte trotz der verkohlten Außenhaut die Farbe von frisch Erbrochenem. Die Konsistenz war leider ähnlich. Auf die thüringertypischen Gewürze und Kräuter hatte man verzichtet – sie hätten eh nichts ausrichten können. Da ein Brötchen der Speise etwas unpassend Hochklassiges verliehen hätte, wurde lediglich ein Fetzen glitschig weißen Toastbrotes gereicht. Vielleicht war es aber auch nur aufgequollenes Zewa. So schmeckte es jedenfalls.”
In der detaillierten Schilderung des Banalen und Schwachsinnigen, des Hässlichen und Ekelhaften zeigt sich Schmitt als Schüler von Eckard Henscheid. Dies gilt auch für die mitunter absichtsvoll umständliche Ausdrucksweise und für die amüsiert-zitathafte Verwendung längst abgestorbener sprachlicher Wendungen. Zum Anfang eines Gespräches heißt es: „Nun wollte der Dokter die Verhandlung zügig eröffnen”, und ein aggressiver junger Mann sagt den gepflegten Satz: „Merk auf, Kamerad, du rüttelst gefährlich am Ohrfeigenbaum.”
Doch ist der Autor kein Epigone. Weder erlaubt er seinen Figuren eine völlig ungehemmte Suada, noch verliert er sich in der Gestelztheit, die eine Lektüre Henscheids bisweilen so mühsam gestalten kann. Das große sprachliche Vergnügen, das der Roman bereitet, liegt in der kühnen Verbindung von altväterlichem und „Ey, Alter”-Tonfall. Wenn Jan Peter träumt, die angebetete Itty mit etwas Romantischem „erotisch kalmieren und becircen zu können”, bemerkt Rolfi: „Wenn wir schon ’ne soßige Liebesnummer machen, warum dann nicht eine über die Liebe zu sich selbst? Die meisten berühmten Lovesongs handeln eh vom Wichsen”.
Und die Gags, die Schmitt-Leser sich sicherlich erwarten? Anfangs sind sie ein wenig müde, dann werden sie immer besser. In einem Liebesbrief, den Jan Peter schreibt, zugleich den Anfang von „Lolita” und Schwitters „Anna Blume” zu parodieren – das muss man erst einmal hinkriegen. In der zweiten Hälfte tut Schmitt vielleicht sogar etwas zu viel des Guten. Die Episoden, die ein Konzert der berüchtigten Schlagertruppe „Die Trippers” – Vorbild waren wohl „Die Flippers” – und die Gründung einer halb kommunistischen, halb faschistischen PDS-Variante beschreiben, sind zwar voller komischer Beobachtungen und Wortspiele, wirken aber wie zwei dem Roman implantierte „Titanic”-Reportagen. Das famose Finale bündelt dann zum Glück die Kräfte, die zuvor zu zersplittern drohen.
Weil sie wider Erwarten doch noch beweisen kann, dass die Parole „Punk’s not dead” weiterhin gilt, erhält die „Gruppe Senf” schließlich ihre fünf Minuten Ruhm. Oliver Maria Schmitt hat ein paar mehr verdient: „AnarchoShnitzel schrieen sie” ist ein sehr guter humoristischer Roman. Mit angenehmer Beiläufigkeit entwirft er das Porträt einer Generation, die nicht vergessen kann, dass ihre drei Akkorde einmal die Welt bedeutet haben. Darauf ein Sixpack, ein anerkennendes Aufstoßen und ein kräftiges „Gabba, Gabba, hey”!
CHRISTOPH HAAS
Oliver Maria Schmitt
AnarchoShnitzel schrieen sie
Ein Punkroman für die besseren Kreise. Rowohlt Berlin Verlag, Berlin 2006. 349 Seiten, 19,90 Euro.
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Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Christoph Schröder zeigt Disziplin. Nicht nur hat er Oliver Maria Schmitts Roman gelesen, sich von der Titanic-Humor-Zange und "konsequent durchgehaltenem" 80er-Jargon quälen lassen, er hat auch noch eine Rezension geschrieben. Die fällt gemischt aus. Einerseits weiß Schröder um die latente Nervigkeit des Punk, um dessen Quasi-Wiederbelebung es hier geht, andererseits findet er, Schmitt trage mitunter doch reichlich dick auf. Mit Schauplätzen (der tiefe Osten), mit Fragen (was ist Punk heute?), mit der Satire und mit der anarchoshnitzelmäßigen Sprache. Entspannende Lektüre? Für Schröder keineswegs.

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"Politisch unkorrekt und brüllend komisch." - Der Tagesspiegel
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