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Unter der Oberfläche der Meere verbirgt sich eine andere Welt: Geheimnisvoll, fremdartig und von berückender, eigenwilliger Schönheit. Tim Ecott kennt und liebt diese Welt. Er erzählt von der Faszination des Tauchens ebenso wie von den schönsten und berühmtesten Revieren der Welt und den großen Helden aus der Geschichte des Tauchens.

Produktbeschreibung
Unter der Oberfläche der Meere verbirgt sich eine andere Welt: Geheimnisvoll, fremdartig und von berückender, eigenwilliger Schönheit. Tim Ecott kennt und liebt diese Welt. Er erzählt von der Faszination des Tauchens ebenso wie von den schönsten und berühmtesten Revieren der Welt und den großen Helden aus der Geschichte des Tauchens.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.03.2003

Auch Untergehen ist schön
Zwei kluge, unterhaltsame Bücher über Schwimmer und Taucher

Es ist lange her, daß man von einem ungebildeten Menschen sagte: "Der kann weder lesen noch schwimmen." Bei den Römern war das stehende Rede. Sie besaßen ein Gefühl für Wasser, legten geschickten Umgang mit dem Element an den Tag: Sie kontrollierten es durch Abwasserkanäle, regulierten es mittels Aquädukten, bauten sich Aquarien und prächtige Marmorbäder. Hatten junge Römer erst einmal schwimmen gelernt, zog es sie hinein in die Fluten des Tiber und andere offene Gewässer. Über ihren Stil wissen wir wenig. Gegen Schlaflosigkeit empfiehlt jedenfalls Horaz, dreimal über den Fluß zu schwimmen. Seinen Sohn belehrt der Dichter, er müsse fortan "ohne Gürtel schwimmen", also auf eigenen Füßen stehen.

Im römischen Reich mit seinen Hunderten Küstenkilometern kamen die Lebensweisheiten aus dem Bereich des Schwimmens. Ein klarer Hinweis darauf - meint der Brite Charles Sprawson, Dozent für klassische Kultur, Langstreckenschwimmer und Kunstsammler -, daß es zu den wichtigsten Kulturtechniken der Antike gehört haben muß. Mit dem Untergang des Imperiums und der Ausbreitung des Christentums vollzog sich ein Abschied vom nackten Badevergnügen. Nach Jahrhunderten der Vergessenheit gelangte es im British Empire, zunächst unter Etonschülern und antikensehnsüchtigen Dichtern, wieder zu neuer Blüte. Allmählich entwickelte sich Schwimmen zum Massenphänomen, zu einer Sportart unter vielen und für manche gar zum Lebensthema.

Als das Buch 1992 auf englisch erschien, wurde es von Iris Murdoch in der "New York Review of Books" in den höchsten Tönen gepriesen. Was Sprawson erkundete, ging schließlich auch "eine der letzten Flußschwimmerinnen" wie sie an, nämlich der Zusammenhang von Schwimmen und Literatur. Man erhält nicht nur einen Überblick an Lyrik und Prosa, deren Helden und Themen Schwimmer sind. Bei Sprawson begegnen einem Schriftsteller in erster Linie als Wasserratten: Byron, Shelley, Swinburne, Goethe, Poe, Thomas Mann, Jack London, Yukio Mishima und viele andere, von denen man es nicht gedacht hätte. Das Buch ist überdies Zeugnis der persönlichen Obsession seines Autors. Seit er als Junge in Indien schwimmen lernte, läßt es Charles Sprawson nämlich nicht mehr los.

Und so nimmt er Plinius, Pausanias, Tennessee Williams beim Wort, sucht deren Badestellen, findet sie nicht selten und eifert ihnen nach. Kein Gewässer auf der westlichen Erdhalbkugel, in das er nicht kopfüber eintauchte, es dann - Kraul oder Brust - durchmaß oder in das er nicht wenigstens einen großen Zeh gehalten hätte. Sprawson ist eine eigenwillige Kulturgeschichte des Schwimmens gelungen. Poetisches, Anekdotisches und Sachkundiges zu einer brillanten Erzählung bündelnd, handelt sie in erster Linie von Faszination und nur am Rande von Techniken und Mentalitäten. Es gab, das zeigt die hier entworfene Typologie, tragische Gestalten unter den Schwimmern, Exzentriker, Masochisten, Solipsisten und solche, die wie Captain Webb, Durchquerer des Ärmelkanals, in den Fluten der Niagarafälle ertranken oder, wie Shelley am Golf von La Spezia, Schiffbruch erlitten.

Leider hat der "marebuchverlag" im Gegensatz zum Original ganz auf Abbildungen verzichtet: Keine göttliche Esther Williams im straßbesetzten Einteiler beim Schwalbensprung und kein Blick in den römisch stilisierten Luxuspool von Pressemogul William Randolph Hearst. Statt dessen rahmt der Schriftsteller John von Düffel das Ganze durch Vor- und Nachwort. Eines von beiden wäre gewiß entbehrlich gewesen.

Wen der Gang unter Wasser reizt, der halte sich an Sprawsons Landsmann Tim Ecott. In einer Verbindung aus Wissenschafts- und Militärgeschichte, Reportage und eigenen Taucherlebnissen erzählt der BBC-Korrespondent, seit wann es Menschen hinunter zum Meeresgrund zieht, wieviel das mit Physik und meistens auch mit Metaphysik zu tun hat. Das Interesse für eigenartige Meerestiere, Schwämme, eröffnet die abendländische Tiefenkultur. Seit mehr als zweitausend Jahren wird danach getaucht, Aristoteles berichtet darüber, und bei Homer kann man lesen, zu welchen Haushaltsdiensten der Schwamm gut war.

Als der moderne Tauchhelm Mitte des neunzehnten Jahrhunderts serienmäßig hergestellt wurde, kam er auch im Mittelmeerraum zum Einsatz: mit katastrophalen Folgen. Hunderte von Tauchern starben an der Dekompressionskrankheit, Tausende wurden verkrüppelt. Da die Menschen noch nichts von der Krankheit und ihren Ursachen wußten, versuchten sie sich mit magischen Mitteln davor zu schützen. "Man war in Griechenland so sehr an den Anblick eines erkrankten Tauchers gewöhnt", schreibt Ecott, "daß Volkstänze entstanden, bei denen die Tänzer die grauenvollen Symptome der Dekompressionskrankheit nachahmten, ihre Beine nachzogen und sich auf den Leib schlugen." Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts stieg, nicht zuletzt durch die expandierende Autoindustrie, in den Vereinigten Staaten der Bedarf an Naturschwämmen. Um die entsprechenden Mengen aus dem Meer zu holen, wurden Fachkräfte gebraucht: Sie kamen aus Griechenland. Die ersten Emigrantenfamilien ließen sich in Tarpon Springs, Florida, nieder und bauten über die kommenden Jahrzehnte das weltgrößte Handelszentrum für Schwämme auf.

Seit je bestand ein enger Zusammenhang zwischen Tauchen und Politik. Ecott zeigt britische Froschmänner und italienische Torpedoreiter des Zweiten Weltkriegs als historische Protagonisten. Und in den Projekten zur Besiedlung des Meeresbodens, den Habitaten, erkennt er bevölkerungspolitische Phantasien der sechziger Jahre. Jacques Cousteau zählt zu den modernen Ikonen des Tauchsports, in deren Biographien sich Ecott vertieft hat.

Wer den Franzosen gelegentlich unter Wasser begleitete und von dort zahlreiche Anregungen für seine James-Bond-Abenteuer davontrug, war der tauchbegeisterte Ian Fleming. Mancher mag sich an den Unterwasserkampf in der Kinoversion von "Fireball" erinnern: Die Bösewichter in schwarzen Tauchanzügen gegen die rotgekleideten Guten. Die Szenen wurden 1964 im klaren Meer von New Providence, Bahamas, gedreht. Dort liegt das Wrack des nachgebildeten Nato-Bombers, der für die Filmaufnahmen benutzt wurde, bis heute auf Grund. Ecott war dort: Das Stahlgerüst ist inzwischen - von einer dicken Schicht Seefächer, Gorgonien und Schwämmen überwuchert - zu einem künstlichen Riff geworden. So haben Fiktion und Filmphantasie deutliche Spuren in der Unterwasserwelt hinterlassen. Wollte man einen Schluß aus beiden Büchern ziehen: Die Oberflächentechnik des Schwimmers fällt mit dem Text zusammen, die Tiefentechnik des Tauchers mit dem Versenken ins Imaginäre, mit dem Film.

STEFANIE PETER

Charles Sprawson: "Ich nehme dich auf meinen Rücken, vermähle dich dem Ozean". Die Kulturgeschichte des Schwimmens. Herausgegeben und mit einem Vor- und Nachwort von John von Düffel. Aus dem Englischen von John von Düffel und Peter von Düffel. marebuchverlag, Hamburg 2002. 335 S., geb., 28,- [Euro]

Tim Ecott: "Unter Wasser". Abenteuer in einer anderen Welt. Aus dem Englischen von Andrea Stumpf und Gabriele Werbeck. Argon Verlag, Berlin 2002. 400 S., geb., 22,80 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Stefanie Peter empfiehlt vorbehaltlos den Tauchgang in Tim Ecotts Buch. Denn der BBC-Korrespondent wisse, seit wann und warum es die Menschen in die Tiefen der Meere hinabzieht und " wieviel das mit Physik und meistens auch mit Metaphysik zu tun hat". Die Gründe für die gefahrvolle Betätigung, hat Peter gelernt, waren zumeist wirtschaftlich und politisch: Schon Homer beschrieb den Nutzen von Schwämmen, und seit dem Zweiten Weltkrieg spielen Froschmänner bei militärischen Auseinandersetzungen eine wichtige Rolle. Ecotts Buch, eine "Verbindung aus Wissenschafts- und Militärgeschichte, Reportage und eigenen Taucherlebnissen", erzähle die "abendländische Tiefenkultur" von Aristoteles? Berichten bis zu James Bonds Unterwasserkämpfen. Bonds Erfinder Ian Fleming sei übrigens fasziniert gewesen von den Besiedlungsideen Jacques Cousteaus. Die Rezensentin wiederum war fasziniert davon, dass dann die "Fiktion und Filmfantasie deutliche Spuren in der Unterwasserwelt hinterlassen" haben.

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