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Immer größere Flüchtlingswellen erreichen Europa. Die Menschen fliehen vor Armut, Krieg und Krankheit in ihren südlichen Heimatländern. Was die meisten Leser nicht wissen: Für diese Zustände ist der Westen mitverantwortlich. Denn, so der Wirtschaftsexperte Yash Tandon: WTO, Weltbank und andere Organisationen der Industrieländer führen im Namen des Freihandels einen regelrechten Krieg gegen Schwellen- und Entwicklungsländer. Einseitige Sanktionen, niedrige Einfuhrzölle und ein rigoroser Patentschutz haben eine Krise auf der Südhalbkugel entfacht, die nun - über die Flüchtlinge - auch uns…mehr

Produktbeschreibung
Immer größere Flüchtlingswellen erreichen Europa. Die Menschen fliehen vor Armut, Krieg und Krankheit in ihren südlichen Heimatländern. Was die meisten Leser nicht wissen: Für diese Zustände ist der Westen mitverantwortlich. Denn, so der Wirtschaftsexperte Yash Tandon: WTO, Weltbank und andere Organisationen der Industrieländer führen im Namen des Freihandels einen regelrechten Krieg gegen Schwellen- und Entwicklungsländer. Einseitige Sanktionen, niedrige Einfuhrzölle und ein rigoroser Patentschutz haben eine Krise auf der Südhalbkugel entfacht, die nun - über die Flüchtlinge - auch uns erreicht. Wie man die Zerstörung aufhalten und wie eine alternative Wirtschaftsordnung aussehen kann, das beschreibt Tandon in seinem weitsichtigen, klugen Buch.
Autorenporträt
Yash Tandon, 1939 in Uganda geboren, ist Wirtschaftswissenschaftler, Politikberater und Autor. Er hat an der Eliteuniversität London School of Economics promoviert und unterrichtete an verschiedenen Universitäten in den USA und Afrika. 1997 gründete er SEATINI, eine Nichtregierungsorganisation, die sich für einen größeren Einfluss Afrikas bei der Verhandlung globaler Wirtschaftsabkommen einsetzt. Seit zwei Jahrzehnten vertritt er bei Konferenzen der WTO und anderen Handelsorganisationen zudem die Interessen afrikanischer Staaten wie Uganda, Kenia und Tansania. Er lebt mit seiner Frau in Oxford, Großbritannien.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.09.2016

Nur nicht die realen Machtverhältnisse vergessen
Angewandte politische Ökonomie: Yash Tandon lässt an der Welthandelsorganisation kein gutes Haar

Der Untertitel von Yash Tandons Buch, der die "Flüchtlingsströme" anführt, ist bloß ein Marketing-Trick des Verlags. Um Flüchtlingsströme geht es an keiner Stelle. Aber wer die Ursachen dafür ergründen will, dass sich Millionen Menschen in einer hinreichend bedrohten oder materiell hoffnungslosen Lage befinden, um ihre Heimat zu verlassen, der ist in der Tat gut beraten, sich mit der internationalen Ordnung zu befassen: mit dem Zusammenwirken von Geopolitik und Wirtschaftsinteressen, mit Macht, mit historischen Prägungen und Pfadabhängigkeiten. Dazu finden sich in dem Buch viele Anstöße, auf die es erst recht dann konstruktiv zu reagieren gilt, wenn man die Ideologie des Autors nicht teilt.

Tandon ist ein siebenundsiebzig Jahre alter Aktivist, Dozent und Berater. Als Sprössling indischer Einwanderer in Uganda geboren, wurde er an der London School of Economics mit einer Arbeit zu internationalen Beziehungen promoviert. Sein Engagement gilt den Handelsbeziehungen; er arbeitete viele Jahre für Uganda, Kenia und Tansania als Unterhändler bei der Welthandelsorganisation (WTO), die er als "verlängerten Arm der Handels- und Außenpolitik von USA und EU" sieht. Wo er politisch steht, zeigen schon die Danksagungen, wo er in einem Atemzug "Che" Guevara, Jesus Christus, Chávez, Mao, Marx und Mandela preist.

Der kontraintuitive reißerische Titel "Handel ist Krieg" soll natürlich erschrecken. Es gibt noch mehr solche verbalen Stinkbomben, zum Beispiel "Handel tötet Menschen" oder "die WTO ist eine wahre Kriegsmaschine". Oder die perfide raunende Frage: "Wäre es möglich, dass der Westen Kriege braucht, um seine Waffenindustrie zu fördern und damit das ,Wachstum' zu generieren, von dem seine Ökonomen reden?" Unfreiwillig komisch ist die verunglückte Formulierung, in der sich Tandon gegen die "seit fast vierzig Jahren vorherrschende neoklassische Ideologie des gescheiterten Neoliberalismus" wendet.

Es drängt sich auf, das Buch aus der Hand zu legen. Doch man kann es auch mit Gewinn lesen, wenn man Ideologie und Polemik großzügig ausblendet und keine philosophischen Höhenflüge erwartet. Dazu gilt es sich auf die Analyse und Hintergründe der Konflikte (das meint Tandon mit "Krieg") in der WTO zu konzentrieren, die sich aus gegensätzlichen Interessen und asymmetrischen Möglichkeiten der beteiligten Länder ergeben und in miserable Kompromisse münden. Was der Autor hier betreibt, lässt sich als angewandte politische Ökonomie verstehen.

Das TRIPS-Abkommen, Millenniumsziele, De-minimis-Regel, Wirtschaftspartnerschaftsabkommen: Kein heikles WTO-Thema entgeht Tandon. Er liest all dies vor der Folie eines historisch gewachsenen Ungleichgewichts zwischen dem reichen Westen und dem armen Süden, das der Kolonialismus auf die Spitze trieb und das sich bis heute fortsetzt. Die Entwicklungshilfe ändere nichts daran, weil auch sie Abhängigkeiten schaffe, staatliche Korruption begünstige, falsche Anreize setze und im Hintergrund ohnehin einer geopolitischen Agenda diene - wie einst der Marshall-Plan für Europa der Abwehr sowjetischen Einflusses.

Gerade in Zeiten des "islamischen Erwachens" braucht man solche Ziele gewiss nicht zu verteufeln und die Vereinigten Staaten und Europa als bösartige Ausbeuter einzustufen, wie der Autor dies tut, um die Last der älteren wie auch der jüngeren Geschichte einzusehen und Verständnis für die Position zu entwickeln, dass die Entwicklungsländer Zeit brauchen, um ihre politischen und wirtschaftlichen Strukturen zu stabilisieren. Dass der Weg zum Wohlstand trotzdem letztlich über die Integration in den Handel führt, hat die Menschheitsgeschichte klar gezeigt. Nach Tandon ist jedoch eine weitgehend archaisch lebende, ungebildete, mehr auf traditionelle Solidarität als auf Marktvorteile achtende Bevölkerung im Umgang mit den Partnern auf dem Weltmarkt derzeit noch schlicht überfordert.

Ein großer Stein des Anstoßes ist für ihn der Umgang mit dem Thema Landwirtschaft in der WTO. Die Vereinigten Staaten und Europa hätten sich lange gewehrt, dieses für die Entwicklungsländer so wichtige Dossier überhaupt zu eröffnen, und auch heute protegierten sie weiter ihre eigenen Bauern und noch mehr die großen Lebensmittelkonzerne. Die Bevorzugung habe zuletzt noch zugenommen, behauptet er. Die amtliche Statistik sagt allerdings etwas anderes. Der Unterschied kommt wohl vor allem daher, dass es der Autor nicht als Verbesserung durchgehen lässt, dass sich die EU zumindest teilweise von Subventionen für die Landwirtschaft abgewandt hat, die unmittelbar die relativen Preise verändern, zugunsten einer allokationstheoretisch als neutral geltenden Einkommensstützung.

Wie auch immer - dass sich die wohlhabenden Länder noch immer nicht in der Lage sehen, ihren Agrarprotektionismus zu beenden, ist in der Tat ein Skandal. Tandon erkennt innerhalb der WTO die Ursache darin, dass die Entwicklungsländer nicht mit einer Stimme sprechen; dass es keinen Mechanismus für kollektive Sanktionen gebe; dass die Industrieländer die Regeln änderten und das multilaterale Handelssystem durch kleinteiligere Freihandelsabkommen unterliefen.

"Wer Wirtschaft losgelöst von Machtfragen betrachtet (wozu Ökonomen bisweilen neigen)", der bekomme nicht die ganze Geschichte, warnt Tandon zu Recht. Sie fehlt allerdings auch in seiner eigenen Vision einer postkapitalistischen Ära, die eine "Strategie des Guerillakrieges gegen den imperialistischen Frieden" herbeiführen soll. Er träumt von "tausenden von gewaltfreien, mehr oder weniger autarken Gemeinschaften, die ihre eigenen Methoden von Produktion und Konsum organisieren", die nicht nur "altruistisch, sondern auch umweltbewusst" sind und nur da untereinander handeln, wo ihnen die Ressourcen fehlen. Das ist nun wirklich ein Rezept für den allgemeinen Niedergang.

KAREN HORN

Yash Tandon: "Handel ist Krieg". Nur eine neue

Wirtschaftsordnung kann die Flüchtlingsströme

stoppen.

Aus dem Englischen von Christoph Bausum.

Quadriga Verlag, Köln 2016. 271 S., geb., 22,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Karen Horn ärgert sich über die reißerische Aufmachung des Buches und die im Text verteilten "verbale Stinkbomben". Doch nachdem die Kritikerin beschlossen hat, Polemik und Ideologie auszublenden, entnimmt sie dem Buch einige Einsichten: Wie Yash Tandon aus der Perspektive angewandter politischer Ökonomie die Konflikte in der Welthandelsorganisation vor dem Hintergrund eines historisch gewachsenen Ungleichgewichts zwischen reichem Westen und armem Süden analysiert, erscheint der Rezensentin einleuchtend. Wenn der Autor, der sich vor allem dem Thema Landwirtschaft in der WTO widmet, schließlich von einer "postkapitalistischen Ära" träumt, in der autarke, altruistische und umweltbewusste Gemeinschaften nur noch da handeln, wo ihnen eigene Ressourcen fehlen, entdeckt die Kritikerin dann allerdings doch ein "Rezept für den allgemeinen Niedergang".

© Perlentaucher Medien GmbH
"[...] inhaltlich bietet Tandon spannende Einsichten und Ansätze für eine bessere Vorgehensweise." Thorsten Giersch, Handelsblatt.com, 17.03.2016 "Wie man die Zerstörung aufhalten und wie eine alternative Wirtschaftsordnung aussehen kann, das beschreibt Tandon in seinem weitsichtigen, klugen Buch." Der neue Tag, 04.06.2016