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Das Leben kann man nicht versichern.120 Spaziergänge in einen Wald, den man vor lauter Bäumen nicht sieht
Vom Abschluss einer Versicherung bis zum Besuch einer Vorsorgeuntersuchung, vom Ehevertrag ohne Gütertrennung bis zur Altersvorsorge nach Riester, von der Buchung des Feriendomizils per Internet bis zur Wahl der Geldanlage - der moderne Mensch muss am laufenden Band Entscheidungen treffen, die eigentlich seinen Horizont übersteigen.
War es früher gesellschaftlicher Konsens, zu heiraten, Kinder zu bekommen und Häuser zu bauen, ist heute nichts mehr allgemeinverbindlich. Und ständig
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Produktbeschreibung
Das Leben kann man nicht versichern.120 Spaziergänge in einen Wald, den man vor lauter Bäumen nicht sieht

Vom Abschluss einer Versicherung bis zum Besuch einer Vorsorgeuntersuchung, vom Ehevertrag ohne Gütertrennung bis zur Altersvorsorge nach Riester, von der Buchung des Feriendomizils per Internet bis zur Wahl der Geldanlage - der moderne Mensch muss am laufenden Band Entscheidungen treffen, die eigentlich seinen Horizont übersteigen.

War es früher gesellschaftlicher Konsens, zu heiraten, Kinder zu bekommen und Häuser zu bauen, ist heute nichts mehr allgemeinverbindlich. Und ständig ist man gezwungen, bei mangelndem Kenntnisstand über Risiken und Nebenwirkungen, weitreichende Entscheidungen zu treffen. Freilich steht ein Heer von Beratern bereit - doch helfen sie wirklich?Die Betreuung durch einen Scheidungsanwalt löst häufig den totalen Streit erst richtig aus; die Berater neigen dazu, ihre Klientel in Abhängigkeit zu halten und eher auf Nummer sicher zu gehen. Die Kultur des lustbetonten Risikos hat bei ihnen keine Chance.

In einem bisher nie dagewesenen Unterfangen hat sich Frank Böckelmann, Autor, Kulturwissenschaftler und Risikoanalyst, in das Meer entscheidungsträchtiger Alltagssituationen gestürzt und ist ihren wirklichen Knackpunkten auf den Grund gegangen. Mit großer Sprachlust kitzelt er so manches Problem, bis es niest. Viele Schwierigkeiten lösen sich dabei in Luft auf, aber oft gilt es auch, das Leben wieder selbst in die Hand zu nehmen und lustvoll Neues zu wagen. Das inspirierte Risiko birgt mehr Lebensqualität, als mancher bisher annahm.
Autorenporträt
Frank Böckelmann lebt in Dresden. Er ist Herausgeber der Zeitschrift Tumult und hat zahlreiche Bücher veröffentlicht, u. a. in Hans Magnus Enzensbergers
DIE ANDERE BIBLIOTHEK den Band Die Gelben, die Schwarzen,die Weißen und (zusammen mit Hersch Fischler) Bertelsmann. Hinter der Fassade des Medienimperiums. Er wurde ausgezeichnet mit dem Sonderpreis Das politische Buch der Friedrich Ebert Stiftung.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.03.2011

Im Dunkel des gelebten Augenblicks

Wenn alles Wählen hinter uns liegt: Frank Böckelmann hat einen Ratgeber über die Frage geschrieben, wie man die Ratgeberliteratur hinter sich lässt.

Von Lorenz Jäger

Wo in unserer Jugend noch Traditionen standen, Vorbild und Belehrung durch die Älteren, da wartet heute unvermeidlich ein Berater auf uns, sagt Frank Böckelmann. Er dramatisiert diesen Befund aber nicht übermäßig, pessimistischer Groll gegen die Zeit ist ihm ganz fremd. Er bleibt gelassen, mehr noch: Er wendet sich der Aktualität zu, vor allem den Wortprägungen, die sie im vergangenen Jahrzehnt hervorgebracht hat. Immerhin klingt ein Leitmotiv konzentrierend durch: Um Entscheidungen kann man sich im Handeln nicht drücken, und wer glaubt, den Unsicherheiten durch die Anwendung vorgefertigter Lehren entgehen zu können, verspielt das Leben selbst.

Es geht aber in diesen 120 schönen Gegenwartsminiaturen, von "Alkohol" bis "Zeitmanagement" alphabetisch geordnet wie eine kleine Enzyklopädie, um Lebenskunst. Und die schlimmste Sabotage dieser Kunst sieht Böckelmann in der "hartnäckigen Absicht, sich selbst und das künftige Leben zu verplanen".

Mit einer Verbindung von Motiven der "Kritischen Theorie" und der Existenzphilosophie hatte Frank Böckelmann begonnen, in den frühen sechziger Jahren im Umkreis der legendären "Subversiven Aktion". Kritisch, existentiell und subversiv auf eine besondere, ganz unspektakuläre Weise ist er geblieben: So, als wirke die Subversion umso stärker, je weniger sie plakatiert wird, die Existenz umso authentischer, je weniger sie auf Perfektion geeicht ist, und die Kritik umso schärfer, je ruhiger sie sich äußert. Zum Phänomen Facebook notiert Böckelmann deshalb: "Wer seine Anerkennungsarbeit im Social Network auf ein Minimum reduziert (ganz damit aufzuhören geht nicht), hat viel Zeit dafür, physische Beziehungen unbeobachtet, gleichsam außer Konkurrenz aufzunehmen, wie eine Untergrundorganisation, die nur per Brief oder Kassiber und in Fußgängerzone und U-Bahn konspiriert."

Die wahre subversive Aktion wäre heute zum Beispiel eine Ehe, ein Kind, ein Verzicht. Also eine Aktion, in der das Einzelsubjekt sich nicht mehr als isolierten Mittelpunkt der Selbstsorge und -suche empfindet, sondern sich entäußert und hingibt.

Der frühe Adorno hatte vom Glück als der "opferlosen Erfüllung" gesprochen. Liest man nun Böckelmann, dann wird man inne, wie nah Adornos Utopie doch der von ihm so verachteten Massenkultur war: einem hedonistischen, emanzipatorisch-postindustriellen Komplex, der schlechthin alles verspricht und dabei notwendigerweise betrügt. "Es lebe die Unvereinbarkeit", steht am Schluss des Abschnitts "Mutterschaft". Man kann, um eine erste Schneise durch die reiche Ernte dieses Buches zu schlagen, gerade die Abschnitte "Mutterschaft", "Vaterschaft", "Schwangerschaftsabbruch", "Kinderlosigkeit", "Scheidung" und "Ehevertrag" als fortlaufende Geschichte lesen. Böckelmann spricht in einer sehr geglückten Formulierung von der "Suche nach etwas, das es wert wäre, endlich keine Wahl mehr zu haben". Dagegen kommt keines der unendlichen, gauklerischen Möglichkeitsversprechen mehr an.

Eine zweite Schneise bieten jene Einträge, die es mit der Arbeitswelt zu tun haben - von "Berufliches Scheitern" über "Karriereplanung" bis "Schwarzarbeit" und "Unternehmensgründung" reichen. Hier ist die ironische Weisheit des Autors auf ihrer Höhe. Zur "Bewerbung" empfiehlt Böckelmann eine Strategie entweder der Unter- oder der Überbietung, um sich von den Konkurrenten abzuheben. Entweder also Offenheit, um die Außenseiterchance zu nutzen. Oder aber die "ausgefeilte Inszenierung einer Führungspersönlichkeit, eines Verkaufsgenies, eines eifrigen Neuerers oder aber eines asketischen Pflichtmenschen. In Zeiten des Verschleißes von Individualität ist es ratsam, die Dressur zum erwerbsmäßigen Kriechertum aufzukündigen, sei es durch Unverblümtheit, sei es durch kunstvolle Blendung."

Es fehlt ein aktuelles Stichwort: "Vegetarismus". Kaum etwas könnte sich so sehr als Schlüssel erweisen für die paradoxe Einheit von Narzissmus und ethischer Hochrüstung, mit der wir es mehr und mehr zu tun bekommen. Wie überhaupt in Böckelmanns Panorama die merkwürdige Tatsache etwas unterbelichtet bleibt, dass der äußerste selbstbezogene Individualismus eben auch Ethik-Bizarrerien hervorbringt; gerade der Emanzipierte, aus den religiösen Gemeinschaften Herausgefallene will doch auf die moralische Selbstbehauptung nicht verzichten. Und wenn schon trotz Anti-Aging auch er sterben muss, dann will er wenigstens umweltverträglich eingeäschert werden.

In diesem Sommer wird Frank Böckelmann siebzig Jahre alt. Man muss das erwähnen, um seine Leistung richtig zu beurteilen. Denn meist hat ein Autor in dieser Lebensphase seine Erfahrungen und sein Werk so ziemlich arrondiert und wiegt sich in der Sicherheit, dass Neues nicht mehr kommen werde - oder doch nur von den schwachen Epigonen der eigenen Jugend. Der sichere Griff in die Gegenwart wird zu einer eher unwahrscheinlichen Leistung, und umso höher ist sie hier zu veranschlagen.

Kein einziges Mal fällt in dem Buch das Wort "konservativ", wie überhaupt das Abstrakte, Formelhafte, Ideologisch-Werbende fehlt - und genau darin ist dieses Buch wiederum konservativ; man könnte es geradezu als Stilfibel für ambitionierte konservative Autoren empfehlen: Schreibe aus der Sache heraus! Schau mal, was ist!

Goethe lässt am Schluss von "Dichtung und Wahrheit", sich selbst zitierend, Egmont reden: "Kind, Kind! nicht weiter! Wie von unsichtbaren Geistern gepeitscht, gehen die Sonnenpferde der Zeit mit unsers Schicksals leichtem Wagen durch, und uns bleibt nichts als, mutig gefasst, die Zügel festzuhalten und bald rechts, bald links, vom Steine hier, vom Sturze da, die Räder abzulenken. Wohin es geht, wer weiß es? Erinnert er sich doch kaum, woher er kam." Ungefähr darauf läuft es bei Böckelmann auch hinaus.

Frank Böckelmann: "Risiko, also bin ich". Von Lust und Last des selbstbestimmten Lebens.

Verlag Galiani, Berlin 2011. 320 S., geb., 19,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 25.08.2011

Müde dressiert?
Frank Böckelmann findet Selbstoptimierung nicht optimal
Das moderne Selbst ist erschöpft, vor lauter Anstrengung, ganz es selbst sein zu müssen. Mit dieser Diagnose erklärt der französische Soziologe Alain Ehrenberg die Karriere der Depression in den letzten Jahrzehnten: Wir befinden uns in einer Gesellschaft, in der nicht mehr Schuld und Disziplin die vorherrschenden Kontrollmechanismen sind, sondern in einer, in der die Seelen ihrer Mitglieder durch Eigeninitiativpredigten und Selbstverwirklichungsgebote so ermüdet werden, dass Byung-Chul Han bereits die „Müdigkeitsgesellschaft“ am Horizont sieht. Das ist prächtig analysiert – doch wer kümmert sich nun um das kleine erschöpfte Selbst mit seiner alltäglichen Selbstüberforderung? Die Antwort: Frank Böckelmann.
Frank Böckelmann ist ein formulierungsstarker Publizist mit umtriebig linker Vergangenheit, der sich in seinem jüngsten Buch „Risiko, also bin ich“ jenem „Phantasma der totalen Selbstverfügung“ widmet, das uns Selbste so überfordert. Im Stil eines Ratgebers hat er 120 Einträge zu Begriffen wie „Alterssicherung“, „Blutdruckkontrolle“, „Coaching“, „Karriereberatung“, „Mobiltelefon“, „Potenzmittel“ und „Zeitmanagement“ verfasst, um den Paradoxien des modernen Daseins auf die Schliche zu kommen. Diese Paradoxien entstehen, weil wir unsere schicke Lebensführung bis ins Detail kontrollieren wollen und uns gerade dadurch das Leben schwer machen. So halten wir unsere Karriere für planbar, wir lassen uns coachen und kommunikationstrainieren, um dann am Ende die Wirtschaftskrise als persönliches Versagen interpretieren zu müssen. Oder wir lassen in geradezu hypochondrischer Lust jeden Gesundheitscheck über uns ergehen – trotz allen statistischen Widersinns.
Diese Paradoxien sind nur möglich, weil wir immer mehr zu wissen glauben und denken, dass wir eben dieses Wissen in den Dienst der erfolgreichen Selbstverfügung stellen könnten. Aber ach: „Vom bürgerlich-proletarischen Fortschrittsglauben ist nur eine ebenso kraftlose wie hartnäckige Fortschrittsgläubigkeit übrig geblieben. Wir haben die Orientierung verloren und treten notgedrungen die Flucht nach vorn an.“ In dieser Fortschrittsgläubigkeit hecheln wir neuesten Erfolgs-, Gesundheits- und Sicherheitsprogrammen hinterher. Diese Programme werden zum Surrogat unseres Lebens. Gegen diesen Verblendungszusammenhang schreibt Böckelmann seine munteren Minima Moralia.
Negativ-anthropologisch geschult, geht es Böckelmann in erster Linie (wie man mit Ulrich Sonnemann sagen könnte) um die Erschließung des Humanen aus den Negationen, aus seiner Verleugnung und Abwesenheit. Das liest sich aber angenehmerweise recht unterhaltsam, so schreibt er etwa im Eintrag „Coaching“: „Coaching ist Arbeit an der Berufsrolle, aber an einer möglichst exklusiven (. . .). Man stelle sich vor, fast allen Gecoachten gelänge es, diesen Zielen nahezukommen. Dann wäre die teuer bezahlte mentale Fitness nicht mehr wert als etwa die Fähigkeit, Auto zu fahren. Die jahrelange, jahrzehntelange Dressur wäre (fast) umsonst gewesen. Aber so weit kann es gar nicht kommen. Jedes Ertüchtigungsziel verwandelt sich, sobald es auf Sichtweise herangerückt ist, in eine Zwischenstation auf dem lebenslangen Weg zur lifeleadership.“ Bei diesem permanenten Fitterwerden bleibt das gecoachte Selbst aber im Überforderungsmodus und neigt bisweilen sogar zur „medikamentösen Selbstermunterung“.
Damit es so weit nicht kommt, lässt Böckelmann uns überforderte Selbste in unserer „Ichlings-Wirtschaft“ nun aber nicht allein. In der Überzeugung, dass wir ohnehin Risikoexistenzen sind, da wir selbst bei der konsequentesten Selbstverfügungsstrategie Unwägbarkeiten akzeptieren müssen, streut er durch das Buch anthropotechnische Sabotageakte: „Die einzige Möglichkeit, der Pflicht zum Aufstieg und selbstgesteuerten Glück zu entkommen, ist das nicht absichtlich herbeigeführte Scheitern der Karriere und das schließlich geglückte Einverständnis mit ihm.“ Dass dies zu Gelassenheit führen kann, mag man mit dem Autor hoffen. Auch seine romantische Anregung, ahnungsvoll ins Ungewisse aufzubrechen und dabei Karrierechancen für einen „Liebesdienst“ auf Spiel zu setzen, können wir als Übung in Gelassenheit nur gut finden. Doch was ist, wenn sich unser armes Selbst im Gelassenseinwollen überfordert? OLIVER MÜLLER
FRANK BÖCKELMANN: Risiko, also bin ich. Von Lust und Last des selbstbestimmten Lebens. Verlag Galiani Berlin. Berlin 2011. 302 Seiten, 19,95 Euro.
Von „Alterssicherung“ bis
„Zeitmanagement“ reicht die
Überforderung durch Ertüchtigung
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Ah, jetzt kann Oliver Pfohlmann guten Gewissens ins Offene leben und auf die Altersvorsorge pfeifen! Der Kulturwissenschaftler rät es ihm. Denn: No risk, no fun, wie es heißt. Aber Frank Böckelmann hat noch trifftigere Gründe: Die Therapeutenmafia etwa oder teure Scheidungsanwälte. Zu dumm, genau da schöpft Pfohlmann nämlich Ideologieverdacht. Der Autor wird selbst zum Antitherapeuten-Therapeut. Dann doch lieber mal ganz locker und unverkrampft nicht zur Schönheits-OP gehen, die eigene Frau betrügen oder nach Afghanistan reisen, findet Pfohlmann.

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