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St. Pauli: Zufälle und Schicksale. Ineinander greifende Geschichten von Menschen. So zum Beispiel die des Ex-Knackis Johnny, des Postboten Manfred oder der hübschen Single-Frau Dorit. Sie alle treffen in einer zunächst harmlosen Nacht aufeinander. Einer Nacht, die ihren gewohnten Alltag gewaltig aus den Angeln hebt und nach der nichts mehr ist, wie es vorher war. Auch nicht für Kriminalkommissar Jörg Fedder, der es in einer neu hinzugefügten Story mit einem "Rentner in Rot" zu tun hat. Ein Buch über Menschen, die sich zur falschen Zeit am gleichen Ort befinden.

Produktbeschreibung
St. Pauli: Zufälle und Schicksale. Ineinander greifende Geschichten von Menschen. So zum Beispiel die des Ex-Knackis Johnny, des Postboten Manfred oder der hübschen Single-Frau Dorit. Sie alle treffen in einer zunächst harmlosen Nacht aufeinander. Einer Nacht, die ihren gewohnten Alltag gewaltig aus den Angeln hebt und nach der nichts mehr ist, wie es vorher war. Auch nicht für Kriminalkommissar Jörg Fedder, der es in einer neu hinzugefügten Story mit einem "Rentner in Rot" zu tun hat. Ein Buch über Menschen, die sich zur falschen Zeit am gleichen Ort befinden.
Autorenporträt
Frank Göhre, geb. 1943, arbeitete als Buchhändler, Kunsthändler, Werbetexter, Verlagslektor. Lebt als Schriftsteller und Drehbuchautor in Hamburg und ist Dozent für Drehbuch an der Filmhochschule in Ludwigsburg.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 18.12.2007

Das Leben der ganz anderen
Frank Göhre und seine Nachtgestalten von St. Pauli
Milieu, was ist das? Ein Dickicht aus Rotlichtern und speziellen Gerüchen, Frauen, die ein Mann sonst nirgends zu sehen bekommt, zumindest nicht hautnah? Sex für Geld, die schnelle, die harte, die total abgedrehte Nummer? Als Jürgen Roland in den sechziger Jahren mit „Dem Täter auf der Spur” oder „Stahlnetz” das Fernsehen neu – oder erst richtig – erfand und das Heftchengenre Krimi kulturtauglich machte, hatte das Milieu nur ein Gesicht: St. Pauli, Reeperbahn. Wir lernten: Die Lust und das Verbrechen schlafen in demselben Bett, und manchmal erwischt es die Falschen und manchmal die Richtigen, aber unschuldig ist niemand so wirklich im Nachtgeschäft des Lebens.
„Der Preis für Becks Bier ist um 2 Prozent gestiegen. Auf St. Pauli trinkt man Astra und was sonst noch terrorgeil reinknallt. Aufruf zum Teuroboykott. Auch die Hühner in der Herbertstraße wollen mindestens einen der neuen Fünfziger abgreifen. Ein ehemaliger Innensenator soll in der ‚Ritze‘ gesehen worden sein.” So läuft der Laden, heißt es im Kiez-Roman „Zappas letzter Hit”, und wenn Jürgen Roland über das Viertel einen Film drehte, nahm er die Leute dort genauso ernst wie die in anderen, „helleren” Stadtteilen. Er stellte sie nicht aus, er erhob sich nicht über sie, und die Kommissare, die das Verbrechen aufklärten, benahmen sich auch nie wie Moralapostel oder Außerirdische. Wie Roland dem Genre im Fernsehen zu seinem Recht als große Unterhaltungsform verhalf, so bereicherte und vervollkommnete der Hamburger Schriftsteller Frank Göhre Ende der achtziger Jahre den deutschen Kriminalroman mit neuen, ungewöhnlichen Erzählstrukturen und erhob ihn damit endgültig in den Stand der Literatur.
Diese Literatur, naturgemäß, ist keine für Leser in kugelsicheren Ohrensesseln, diese Literatur zwingt jeden Leser, Stellung zu beziehen: Entweder er geht für immer in Deckung oder er bleibt aufrecht stehen und setzt sich den gnadenlosen Sätzen bedingungslos aus, dann rettet ihn niemand, nur seine ureigene Empathie. „Wenn Literatur nicht bei denen bleibt, die unten sind”, schrieb Göhres Geistesbruder Jörg Fauser, „kann sie gleich als Party-Service anheuern.” Und von dieser Sorte Krimis gab und gibt es schon genug.
Nach seinen drei Kiez-Romanen „Der Schrei des Schmetterlings”, „Der Tod des Samurai” und „Der Tanz des Skorpions” veröffentlichte Göhre 1993 einen Episodenroman von bezwingender Schönheit und zeitloser technischer Eleganz. In diesem Jahr endlich wurde „St. Pauli Nacht” im Pendragon Verlag neu aufgelegt, erweitert um die Erzählung „Rentner in Rot” und ein Nachwort des Autors sowie ausgestattet mit einer DVD der Romanverfilmung. Sönke Wortmann führte Regie, Frank Göhre erhielt für seine Adaption den Deutschen Drehbuchpreis, und weil einige der eigenwilligsten deutschen Schauspieler zentrale Rollen übernommen haben (Benno Fürmann, Axel Milberg, Christian Redl, Valerie Niehaus, Oliver Stokowski), ist es streng verboten, zuerst den Film anzuschauen. Die Gesichter stehen einem dann in der Vorstellung beim Lesen einfach im Weg herum, und das haben die Charaktere nicht verdient.
Anders als früher – anders sogar als noch 2006 in „Zappas letzter Hit” – bleibt Göhre in „St. Pauli Nacht” so nah wie möglich bei seinen Figuren, wie ein mitschreibender, mithörender Leib-Wächter, konzentriert auf Worte, Gesten, Schritte, Blicke. In der Nacht vor Christi Himmelfahrt verlassen mehrere Personen ihr Zimmer, und das hätten sie vermutlich nicht tun sollen. Johnny kommt gerade aus dem Knast, er begegnet dem nackten Manfred, der erfahren hat, dass seine Frau ihn betrügt, und der von einer Hure wegen seines zu großen Geschlechtsteils abgewiesen wurde; Sven hektisiert durch die Gegend wie immer und läuft dem LKA-Kommissar Jörg Fedder in die Arme; Peter und Ulrike schleppen ihre Ehe wie einen Flammenwerfer durch St. Pauli und begegnen dem Taxifahrer Rasta Robby; und der freundliche, leicht verklemmte Typ, den jeder nur den „Friesen” nennt, tut der Angi, die nach Westerland zu einem spendablen Freier muss, einen Gefallen und führt ihren Mastino aus, und der irre Köter sieht den nackten Manfred auf der Straße. Und „Nase”, Brilli und Roberta kommen in diesem Kosmos der vor die Füße des Schicksals Geworfenen auch noch vor, und Dorit und Wolfgang, und die beiden Crashkids Timo und Erik. Sie alle tasten, wie in einem gläsernen Labyrinth, nach der Tür ins Freie, unaufhörlich, mit unbedingtem Willen.
In seinem, unter optimaler Spannungsausnutzung raffiniert gebauten Roman führt uns Frank Göhre von einem Leben zum nächsten und wieder zurück. Er weiß genau, was die Welt, in der seine Figuren ihr Auskommen suchen, im Innersten zusammenhält, und er umgibt seine Nachtgestalten nie mit einem gönnerhaften, mitleidigen Heiligenschein, sondern schildert ihre Not. Und auch wenn sich diese Not von der unsrigen manchmal um Lichtjahre unterscheiden mag, so ist es doch die Not wahrhaftiger Menschen, um die sich ein Schriftsteller kümmern muss, wenn er nicht Angestellter eines Party-Services werden will.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Ganz hin und weg ist Rezensent Friedrich Ani von Frank Göhres Roman "St. Pauli Nacht" von 1993, der bei Pendragon mit einigem Bonus-Material, unter anderem die Verfilmung Sönke Wortmanns auf DVD, neu aufgelegt wurde. In die St.-Pauli-Nacht mit ihren "Nachtgestalten" führt die literarische Milieustudie den Rezensenten, genauer gesagt die vor Christie Himmelfahrt, wo Huren, Freier, Kommissare und Taxifahrer in allen möglichen Konstellationen übereinander stolpern - nichts für "Leser in kugelsicheren Ohrensesseln", meint der hartgesottene Rezensent. Ein Werk von "bezwingender Schönheit und zeitloser technischer Eleganz", jubelt er und rät, den Film auf keinen Fall zuerst anzuschauen, um sich nicht von Wortmanns Starbesetzung, die man dann nicht mehr aus dem Kopf bekommt, die Fantasie nehmen zu lassen.

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