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Produktdetails
  • Edition moderne koreanische Autoren
  • Verlag: Pendragon Verlag
  • Seitenzahl: 158
  • Deutsch
  • Abmessung: 215mm
  • Gewicht: 340g
  • ISBN-13: 9783865320124
  • ISBN-10: 3865320120
  • Artikelnr.: 13332706
Autorenporträt
Kai Köhler, geboren 1964, ist Literaturwissenschaftler. Bis 2012 lehrte er als Assistant Professor an der Deutschabteilung der Hankuk University of Foreign Studies, Seoul. Forschungen vor allem zur Literatur in der DDR, zur Fachgeschichte der Germanistik und zu Literatur und Nationalismus.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.06.2005

Im Fadenkreuz der Moderne
Traumnotate: Lee Sung-Us kafkaeske Kurzgeschichten

Der 1959 geborene Schriftsteller Lee Sung-U stellt in verschiedenen Kurzgeschichten und Variationen "Vermutungen über das Labyrinth" an. Lee analysiert im Dickicht der koreanischen Großstädte der achtziger Jahre Phänomene wie Vereinzelung, Identitätsprobleme und technokratische Steuerung statt demokratischer Beteiligung als klassische Merkmale der politischen Alleinherrschaft.

Mythos und Wirklichkeit, Dichtung und Wahrheit verwischen und bedingen sich in Lees leisen philosophischen bis phantastisch-kalten Geschichten. Die von Rebellion und Repressalien aufgeheizte Stimmung der Studentenunruhen der achtziger Jahre sickert bruchstückhaft in die Privatheit seiner Erzählungen ein. Eine Atmosphäre der Bespitzelung und ein latentes Krisengefühl sind zwischen den Zeilen bedrückend präsent. Lees Helden sind Autoren, Autisten und andere gesellschaftlich eher randständige, innerlich gebrochene oder von der Staatsmacht verfolgte Charaktere.

Autobiographisch angehauchte Geschichten kontrastieren die Macht der Literatur mit der Allmacht des Staatsapparates. So ist in "Der Ministerpräsident stirbt nicht" der Lektor zugleich ein Spion: Ein Romanautor entwickelt einen Plot, wonach der Ministerpräsident in Wahrheit Schauspieler und eine Marionette in den Händen der Machthaber sei. Mit fataler Logik münden die Erzählstränge und gefährlichen Gedanken des Dichters, die für ihn lediglich "Traumnotate" sind, die die Realität überformen, in ein grotesk-kafkaeskes Verhör.

Entfremdung und Verstädterung gehen mit einer Verselbständigung der Sprache und Symbole einher. Trugbilder und Halluzinationen, Rätsel und Widersprüche eröffnen in Seouls Straßenschluchten Abgründe des Absurden. Die Konstruktion einer Biographie im Fadenkreuz kapitalistischer und konfuzianischer Koordinatensysteme, wie auch im Roman "Die Rückseite des Lebens" (1992), ist Kerngedanke in Lees Auseinandersetzung mit der Moderne.

Der Einbruch des Irrationalen oder übergeordneter Mächte geschieht dabei meist durch einen alltäglich wirkenden Verwaltungsakt. Die Wirkmächtigkeit der Bürokratie und das repressiven Systemen immanente Archaisch-Animalische entladen sich in einer an Ionesoco erinnernden Dramaturgie. In auf paradoxe Weise optimistischen Geschichten wie "Ich werde sehr lange leben", die in Bildern von Abkapselung und Isolation den "Traum des autistischen Menschen" und das Geborgensein im Verlorensein illustrieren, wird schließlich die Dialektik von Innen und Außen, von Außenseitertum und der Macht des Zentrums aufgehoben.

STEFFEN GNAM

Lee Sung-U: "Vermutungen über das Labyrinth". Erzählungen. Aus dem Koreanischen übersetzt von Kai Köhler und Lee Kyung-Boon. Mit einem Nachwort von Kai Köhler. Pendragon Verlag, Bielefeld 2005. 158 S., geb., 15,40 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

In seiner knappen Besprechung des Bandes mit Erzählungen des koreanischen Autors Lee Sung-U betont Steffen Gnam vor allem das "Kafkaeske" und "Absurde" der Geschichten, in denen Schriftsteller, Autisten und andere Randfiguren der koreanischen Gesellschaft im Mittelpunkt stehen. Als Grundierung der "autobiografisch angehauchten" Texte sei eine "Atmosphäre der Bespitzelung und ein latentes Krisengefühl" spürbar, die vor allem die Macht des Staatsapparates und die "Entfremdung" des Einzelnen artikuliere, meint der Rezensent, der das Bedrückende der Erzählungen hervorhebt. Insbesondere dort, wo die Bürokratie in die Welt der Protagonisten einbricht und sich in "archaisch-animalischen" Bildern bricht, erinnern sie den sichtlich beeindruckten Gnam an Ionescos absurde Stücke.

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