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Die deutschsprachige Kriegsliteratur hat mit den Kriegsliedern Ludwig Gleims, mit Gedichten Anna Louisa Karschs, vor allem aber mit Lessings Minna von Barnhelm einen festen Platz in den Literaturgeschichten zum 18. Jahrhundert. Die Kriegsliteratur als ein das ganze Jahrhundert hindurch bestehendes, kontinuierlich sich entfaltendes literarisches Phänomen hat hingegen erst wenig Aufmerksamkeit erfahren. Ausgehend von dem Umstand, dass rund 60 Jahre lang in deutschsprachigen Gebieten Kriege geführt wurden, spürt die Studie Krieg und Aufklärung in exemplarischen Untersuchungen den bisher wenig…mehr

Produktbeschreibung
Die deutschsprachige Kriegsliteratur hat mit den Kriegsliedern Ludwig Gleims, mit Gedichten Anna Louisa Karschs, vor allem aber mit Lessings Minna von Barnhelm einen festen Platz in den Literaturgeschichten zum 18. Jahrhundert. Die Kriegsliteratur als ein das ganze Jahrhundert hindurch bestehendes, kontinuierlich sich entfaltendes literarisches Phänomen hat hingegen erst wenig Aufmerksamkeit erfahren. Ausgehend von dem Umstand, dass rund 60 Jahre lang in deutschsprachigen Gebieten Kriege geführt wurden, spürt die Studie Krieg und Aufklärung in exemplarischen Untersuchungen den bisher wenig beachteten Langzeitentwicklungen und der Ausdifferenzierung der Kriegsliteratur zwischen 1700 und 1800 nach. Band 1: Als Grundlage dient eine knappe Rekonstruktion der Entwicklung von Waffen, Strategie und Taktik des 18. Jahrhunderts. Ein zweiter Blick fällt anschließend auf die Berührungen Schreibender mit Militär und Krieg. Er führt vor Augen, wie nachhaltig das Leben vieler Autoren und Autorinnen durch die Kriege geprägt ist: Autoren leiden als freiwillige und unfreiwillige Soldaten wie als Zivilisten im Krieg, sie werden ausgebombt, sterben im Kampf, werden als Geisel genommen etc. Autoren finden aber auch als Soldaten und Offiziere, als Diplomaten oder Feldprediger ihr Auskommen, nutzen den Militärdienst für ihren sozialen Aufstieg, so dass sich Militär und Krieg in bemerkenswerter Weise als wichtige Brotgeber der Literatur erweisen. Ein u.a. von Christoph Heinrich Amthor über Johann Ulrich König, Johann Jacob Bodmer bis zu Michael von Loen (Bd. 1) bzw. von Friedrich II. über Johann Gottlieb Schummel bis zu Schiller und Therese Huber (Bd. 2) fortschreitender Längsschnitt durch das Jahrhundert bildet den ersten Schwerpunkt von zwei vertieften Untersuchungen des literarischen Kriegsdiskurses im 18. Jahrhundert. Die leitende Frage nach dem kriegstechnischen Wissen der Autoren und ihrer Texte zeigt dabei erstens eine intensive und kompetente Auseinandersetzung der Schreibenden mit den Details des militärischen Geschehens auf. Zweitens wird deutlich, dass kriegsbezogene literarische Texte in genauer Kenntnis ihrer Vorgänger und Konkurrenten und also als Teil einer differenziert wahrgenommenen, nicht abreißenden und kritisch wie literaturtheoretisch reflektierten literarischen Tradition entstehen. Band 2: Die in Band 1 begonnene Längsschnittanalyse setzt sich in Band 2 mit Untersuchungen u.a. zu Friedrich II. von Preußen, Johann Gottlieb Schummel, Schiller, Therese von Artner und Therese Huber fort. Die dabei ermittelten Ergebnisse bestätigen sich auch im zweiten Schwerpunkt der Untersuchungen des literarischen Kriegsdiskurses: Er fokussiert den Umgang der deutschsprachigen Kriegsliteratur mit der doppelten Herausforderung der vielfältigen Gewalt des Kriegsgeschehens und der Ohnmacht der Untertanen den Regenten im militärischen Feld gegenüber. Am Beispiel der drei Schlesischen Kriege zeigt sich, dass eine Politisierung der Literatur ebenso wie Einsichten in die Grenzen von Vernunft und Perfektibilität bereits früh im 18. Jahrhundert in der Reflexion über den Krieg erfolgen. Deutlich wird zudem, wie unverzichtbar es ist, Texte wie Lessings Minna von Barnhelm im Kontext der Kriegsliteratur der Zeit, etwa von Andreas Belach, Friedrich Nicolai und Moritz August von Thümmel oder von Thomas Abbts Vom Tode für das Vaterland zu lesen. Der doppelte Schwerpunkt der Studie Krieg und Aufklärung liegt darauf, sowohl die enorme, bisher kaum durchschrittene Breite, Kontinuität, Vielgestaltigkeit und Relevanz der Kriegsliteratur im 18. Jahrhundert exemplarisch vorzuführen, als auch auf die Existenz eines komplexen literarischen Diskurses hinzuweisen, dessen Einzeltexte ohne Rückgriff auf die Traditionen der Kriegsliteratur nicht angemessen zu rezipieren sind.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Jens Bisky lässt sich von Johannes Birgfeld von der Neugier auf die literarische Vielfalt der Epoche der Aufklärung anstecken, die der Autor in seinem Buch "Krieg und Aufklärung" offenlegt. Der Literaturwissenschaftler Birgfeld untersucht das Verhältnis von Krieg und Poesie im achtzehnten Jahrhundert, das wesentlich vielschichtiger war, als die "Gemeinplätze der Geschichtsschreibung" glauben machen. Der reiche Schatz an Kriegsliteratur widerlegt Birgfeld zufolge das Vorurteil, dass die Mittelschicht ein "Missverhältnis zum Militär" habe, und widerspricht auch Goethes Betonung der Rolle des Siebenjährigen Krieges für die Poesie. Die Autoren - und auch Autorinnen, betont Bisky - haben es meist vermieden, ihren Fürsten nach dem Mund zu schreiben und deren Kriegsgeschäft zu verherrlichen. Birgfeld bietet einen Überblick über die literarische Landschaft, detaillierte Analysen einzelner Werke und einen Abriss des Wandels militärischer Strukturen, gelehrt, aber auch verständlich für den nur neugierigen Leser, fasst der Rezensent lobend zusammen.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 22.02.2013

Horch! Trommelwirbel, Pfeifenklang
Der Germanist Johannes Birgfeld erkundet die überraschend vielstimmige, jedoch weitgehend unbekannte deutsche Kriegsliteratur der Aufklärung
Auch das 18. Jahrhundert war eines der Kriege, es begann mit dem Nordischen Krieg und dem Spanischen Erbfolgekrieg und endete in den Wirren des Zweiten Koalitionskrieges gegen die französische Republik. Zwar gab es im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation Gebiete, die – wie etwa Hamburg – von Kämpfen weitgehend verschont wurden, doch selbst dort war man begierig auf Nachrichten von den Schlachtfeldern, auf Berichte über Feldherrn, Manöver, Schrecken und Heldentaten. Wie der Zwang und der Wille, stehende Heere zu unterhalten, die Staaten veränderte, konnte aufmerksamen Beobachtern nirgends entgehen.
  Dass im Jahrhundert der Aufklärung auch eine reichhaltige Kriegsliteratur entstand, scheint nicht überraschend. In den gängigen Literaturgeschichten aber wird sie meist übergangen. Gewiss, man liest von Gleims Grenadierliedern, erfährt, wie Ewald von Kleist bei Kunersdorf (1759) fiel, und leidet mit Ulrich Bräker unter den Härten des preußischen Soldatenlebens. Lessings „Minna von Barnhelm oder Das Soldatenglück“ steht bis heute auf den Spielplänen; gern zitiert wird auch Goethes Bemerkung: „Der erste wahre und höhere eigentliche Lebensgehalt kam durch Friedrich den Großen und die Taten des Siebenjährigen Kriegs in die deutsche Poesie“.
  Wie es um das Verhältnis von Krieg und Poesie im 18. Jahrhundert tatsächlich bestellt war, untersucht der Literaturwissenschaftler Johannes Birgfeld. Er zeigt, wie wenig wir bisher über die „sich kontinuierlich entfaltende“, „bemerkenswert vielschichtige, vielgestaltige und vielstimmige Kriegsliteratur“ der Aufklärung wussten. Dieses zweibändige, gründlich gelehrte und doch jedem neugierigen Leser verständliche Werk ist eine germanistische Dissertation, angenommen an der Universität des Saarlandes.
  Geschickt verbindet Birgfeld den Überblick über wenig bekanntes Terrain mit der detaillierten Betrachtung einzelner Werke. Dabei widerlegt er schlüssig unhaltbare Verallgemeinerungen, Gemeinplätze der Geschichtsschreibung. Nein, den Mittelschichten kann man, anders als oft behauptet, ein Missverhältnis zum Militärischen nicht unterstellen. Der Siebenjährige Krieg (1756-1763) verliert bei genauer Betrachtung viel von der Sonderstellung, die ihm in der Kulturgeschichte zugeschrieben wurde. Viele der Autoren – und Autorinnen! – vermieden es, fürstliche Kriegspolitik zu verherrlichen, selbst dann, wenn sie als „Hofpoeten“ schrieben. Selbstbewusst und oft mit beachtlichem literarischen Können meldet sich die aufgeklärte Moral zu Wort.
  Wer die literarischen Verfahren angemessen würdigen will, muss sich zunächst mit den Realien der Kriegskunst befassen. Nach den Schrecken des Dreißigjährigen Krieges beginnt die „Verstaatlichung des Militärs“ durch die Einrichtung stehender Heere, wozu eine halbwegs verlässlich arbeitende Finanzverwaltung benötigt wird. Aus Landsknechten werden Soldaten. Offiziere, zuvor Militärunternehmer und Glücksritter, verpflichten sich, allein ihrem Fürsten oder König zu dienen.
  Die Waffentechnik verbessert sich im Laufe des Jahrhunderts nur geringfügig. Da die Gewehre nur auf kurze Distanz zielgenau schießen, muss das Feuer massiert werden. Die „Ungenauigkeit des Einzelschusses“ wird „durch das gleichzeitige Abfeuern tausender Schüsse“ kompensiert. Die Lineartaktik kann nur mit gedrillten, gut ausgebildeten Soldaten gelingen. Das macht sie, die als Teil einer großen Maschine agieren, kostbar. Daher gilt es, Schlachten möglichst lange zu auszuweichen. Die meisten Autoren waren mit den militärischen Details auffallend gut vertraut. In einem langen, dichten Kapitel geht Birgfeld den Kriegserfahrungen der Schriftsteller auf den Grund. Da geht es um schreibende Soldaten und Offiziere, Fürsten, Diplomaten, Verwalter, Ärzte, Pfarrer, Zuschauer. Auch um Autoren als Opfer des Krieges. Als die Preußen 1760 Dresden bombardieren, verbrennen sämtliche Manuskripte Gottlieb Wilhelm Rabeners, Caroline Neuber verliert ihr Asyl in der Stadt. Von 1757 bis 1761 wird Michael von Loen, der Verfasser des hier ausführlich untersuchten Romans „Der redliche Mann am Hofe“, in Wesel als Geisel französischer Truppen festgehalten. Die Furcht vor preußischen Werbern macht wenigstens zweimal Literaturgeschichte: Sie treibt Gottsched 1724 zur Flucht aus Königsberg nach Leipzig, und sie motiviert Friedrich Nicolai im Frühjahr 1752 zur plötzlichen Abreise aus Frankfurt an der Oder nach Berlin, dessen Bürger vom Militärdienst befreit waren. Hier wurde Nicolai zum Unternehmer und Zentralverwalter der Aufklärung.
  Birgfeld versammelt die kulturhistorischen Informationen nicht, um eine These oder ein Entwicklungsmodell zu illustrieren. Er will die Vielfalt abbilden und genau hinschauen. Das bewährt sich dann in den Einzelstudien zu exemplarischen Texten, etwa zum Epos „August im Lager“, in dem Johann Ulrich König das Große Campement bei Mühlberg im Jahr 1730, eine Truppenschau August des Starken und eine Bekräftigung des sächsisch-preußischen Bündnisses besang. Leser von „Dichtung und Wahrheit“ kennen den Titel, sonst hat Königs unvollendetes Epos, nur der erste Gesang „Die Einholung“ erschien 1731, literaturgeschichtlich überwiegend schlechte Presse gehabt.
  Scheiterte hier ein Hofpoet? Keineswegs. Dass weitere Gesänge nicht erschienen, ist mit dem raschen Ende des sächsisch-preußischen Einvernehmens bestens begründet. Auch verstand es König, seine unabhängige Haltung zum Ausdruck zu bringen. Er nennt auch Helfer des Festes beim Namen, er lässt Eintracht und Zwietracht auftreten, preist den Frieden. Das Staunen des preußischen Königs angesichts der sächsischen Truppen vergleicht er mit der Freude eines Bürgers beim Anblick eines Hamburger Vorortidylls – wahrlich eine Affirmation friedlichen, bürgerlichen Lebens durch einen „Hofpoeten“.
  So wie hier gelangt Birgfeld dank genauer Kenntnis der Kontexte immer wieder zu überraschenden oder differenzierenden Einsichten: „Minna von Barnhelm“ und Nicolais Roman „Sebaldus Nothanker“ deutet er schlüssig als Selbstkritik der Aufklärer, nachdem die kriegspatriotischen Hoffnungen auf einen Staat auch der Bürger unter Friedrich II. sich nicht erfüllten. Das Lehrgedicht des Preußenkönigs über die Kriegskunst wird ebenso gewürdigt wie Schillers „In der Bataille“ – der gewitzte Überbietungsversuch der Kriegslyrik durch einen jungen Dichter. Man lernt die Kriegsoden der Therese von Artner kennen und Therese Hubers Roman „Die Familie Seldorf“, wandelt mit Andreas Belach durch Schlesien und wirft mit diesem einen christlichen Blick auf Krieg und Leid.
  Es zeichnet diese Studien aus, dass Birgfeld auch skizziert, was noch zu leisten ist: etwa eine Untersuchung zur Rezeption der Kriegslieder, Predigten, Flugschriften oder zur Denkmalskultur. Der Leser ist am Ende angesteckt von der Neugier auf die literarische Vielfalt eines Jahrhunderts, dem er in diesem Buch besonders nahe gekommen ist.
JENS BISKY
Johannes Birgfeld: Krieg und Aufklärung. Studien zum Kriegsdiskurs in der deutschsprachigen Literatur des 18. Jahrhunderts. Wehrhahn Verlag, Hannover 2012. 2 Bände, 937 Seiten, 48 Euro.
Viele Poeten der Zeit
waren mit der Kriegskunst und
ihren Schrecken gut vertraut
Dichter im Krieg: Ewald von Kleist bei Kunersdorf, 1759.
FOTO: PICTURE-ALLIANCE/AKG-IMAGES
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