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Ilijas Shansugirows poetisches Volksepos basiert auf dem Lied "Kulager" des Sängers Akan Seri: Im 19. Jahrhundert ließ Akan sein berühmtes Pferd Kulager bei einem der gewaltigen Pferderennen in der Steppe antreten. Jeder Zuschauer wusste, es würde gewinnen. Doch ein reicher, mächtiger Mann ließ das Tier töten, sodass am Ende sein eigenes Pferd den Sieg davontrug. Obschon das Unrecht offensichtlich war, schwiegen die Zuschauer. Akan zog sich enttäuscht in die Einsamkeit zurück und schrieb Trauergesänge. Der bekannteste davon: "Kulager".Shansugirows Versepos führt dem Leser die dramatischen…mehr

Produktbeschreibung
Ilijas Shansugirows poetisches Volksepos basiert auf dem Lied "Kulager" des Sängers Akan Seri: Im 19. Jahrhundert ließ Akan sein berühmtes Pferd Kulager bei einem der gewaltigen Pferderennen in der Steppe antreten. Jeder Zuschauer wusste, es würde gewinnen. Doch ein reicher, mächtiger Mann ließ das Tier töten, sodass am Ende sein eigenes Pferd den Sieg davontrug. Obschon das Unrecht offensichtlich war, schwiegen die Zuschauer. Akan zog sich enttäuscht in die Einsamkeit zurück und schrieb Trauergesänge. Der bekannteste davon: "Kulager".Shansugirows Versepos führt dem Leser die dramatischen Geschehnisse und die herrlichen Landschaften am Rand der Steppe vor Augen. Er schildert das Pferderennen in prallen, bildreichen Versen und treibt die Handlung auf den Konflikt zwischen Akan und dem missgünstigen, brutalen Reichen zu. Die Stalinisten verstanden sofort, dass sie gemeint waren: als verbrecherische Unterdrücker, die das Volk in Angst halten und die freien Künste knebeln. "Kulager" wurde sofort nach Erscheinen in den 1930er-Jahren verboten und das Manuskript daraufhin versteckt. Als Shansugirow 1958 posthum rehabilitiert wurde, übergab ein Freund das Manuskript an Shansugirows Witwe, die es veröffentlichte.Gert Heidenreich hat Shansugirows Epos auf der beiliegenden CD selbst eingesprochen.
Autorenporträt
Shansugirow, Ilijaslijas Shansugirow wurde 1894 im heutigen Gebiet von Almaty (Kasachstan) geboren. Er war Lyriker, Essayist und Literaturwissenschaftler. Shansugirow wurde 1937 verhaftet und vermutlich noch im selben Jahr von Stalinisten erschossen.

Trojanow, IlijaIlija Trojanow, 1965 in Sofia geboren und in Kenia aufgewachsen, ist einer der renommiertesten deutschen Autoren (zuletzt: "Macht und Widerstand", Fischer). Seit 2008 gibt Trojanow die Reihe "Weltlese - Lesereisen ins Unbekannte".

Heidenreich, GertGert Heidenreich, der Übersetzter von "Das Lied von Kulager" ist 1944 in Eberswalde geboren. Sein eigenes literarisches Werk umfasst zahlreiche Romane, Theaterstücke, Essays, Drehbücher und Lyrikbände, für die er zahlreiche Preise erhielt, darunter den Adolf-Grimme und den Deutschen Filmpreis.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.03.2016

Auf dem BMW der Steppe

Auf Stalins Zensurliste: Das sowjetkasachische Epos "Kulager" von Ilijas Shansugirow ist in einer kongenialen deutschen Übertragung zu entdecken.

Von Kerstin Holm

Die Literatur der Kasachen, die noch vor hundert Jahren als Viehhirten durch die Steppe nomadisierten, wurzelt in der mündlichen Ependichtung einer Turksprache, die im neunzehnten Jahrhundert arabisch, von 1929 an lateinisch und nach 1940 kyrillisch geschrieben wurde. Die nationale Literatursprache schuf der Schriftsteller und Universalgelehrte Abai Qunanbajuly (1845 bis 1904), der die arabischen Klassiker, aber auch Goethe, Schiller, Puschkin und Lermontow ins Kasachische übertrug und als Aufklärer für die Orientierung seiner Heimat an der russischen Kultur eintrat, die er als Bindeglied zu Europa ansah.

Dafür focht auch der moderne kasachische Klassiker Ilijas Shansugirow (1894 bis 1938), der in Moskau studierte, ebenfalls russische Literatur übersetzte und außerdem einheimische Volksdichtung aufzeichnete. Shansugirows Meisterwerk ist das Versepos "Kulager", das am Beispiel eines historischen Sängers und des tragischen Verlusts seines Pferdes den Versuch schildert, der repressiven Stammesgesellschaft zu entkommen. Kurz nach der Publikation fiel der Autor, der den kasachischen Schriftstellerverband mitbegründet hatte, dem stalinistischen Terror zum Opfer. Alle "Kulager"Ausgaben wurden vernichtet - bis auf ein Exemplar, das ein Schriftstellerkollege in einem Kissen versteckte und so den Text für die Nachwelt rettete. Dank der Initiative der Leiterin des Goethe-Instituts in Kasachstan, Barbara von Münchhausen, ist das Gedicht, das Naturlyrik und Sozialsatire mit großem dramatischen Atem verbindet, nun in einer ebenso sorgfältigen wie poetischen Übertragung von Gert Heidenreich für deutsche Leser zugänglich.

Shansugirows Erzähler stimmt sich ein, indem er die Schönheit seiner Heimat besingt, die erhabenen Berge, klaren Seen, seidigen Auen. Wie vor ihm Anton Tschechow nimmt er die Natur zum Maßstab, an deren Lauterkeit er mit seinem Schreiben heranreichen will. Dem Volk aufs Maul schauen, eitles Geschwätz meiden, das ist sein Imperativ. Was die Gesellschaft, wie er weiß, mit Neid und Verleumdung belohne, weshalb er sich den früh im Duell gefallenen Dichtern Puschkin und Lermontow verwandt fühlt. Sein Held, der Sängerpoet Akan Seri (1843 bis 1913), entstammt einer wohlhabenden Familie, erlernt Sprachen und Musik und wird ein Kultsänger seiner Zeit. Doch da seine große Liebe dem Steppenbrauch gemäß einem reichen Bai versprochen ward, zieht er sich in die Bergeinsamkeit zurück, wo er sich der Jagd und seiner Kunst widmet und berühmt gewordene Liebeslieder komponiert.

Dieses Dichterdasein gleicht einer gelebten Utopie. Die Flügel seiner poetischen Mission tragen den von Klanrücksichten befreiten Akan zu neuen Gipfeln seiner Schaffenskraft. Was freilich nur möglich ist dank dem Pferd Kulager, dessen pfeilschneller Lauf seinem Reiter suggeriert, er fliege tatsächlich. Das Pferd ist der BMW der Steppe, es erschließt die Weite erst. Zu Pferd hütet man Vieh, erledigt Geschäfte, wirbt um die Geliebte. Ohne Pferd komme der Kasache sich arm und entwurzelt vor, bezeugt auch der deutsche Tierforscher Alfred Edmund Brehm, der in jener Zeit Nordkasachstan bereiste.

Akans Kulager versinnbildlicht obendrein die urwüchsige Heimat. Im Unterschied zu vielen anderen Pferden, die sich auf dem großen Gedenkfest zu Ehren eines verstorbenen Bai im Rennen messen, fließt kein arabisches, englisches, turkmenisches oder deutsches Blut in seinen Adern; er ist weder schön noch feurig, doch in Schnelligkeit und Ausdauer unschlagbar, wie ein alter Pferdekenner, an einer Schlüsselstelle Kulagers Körperbau durchbuchstabierend, erklärt. Wenn dieses Tier gegen die edlen Renner der Stammeshäupter antritt, liegt darin eine Provokation. Mit seinem Sieg würde ein Niemand aus den Bergen, der obendrein jung, schön und ein freier Dichter ist, die hässlichen Machtmenschen, deren Fresssucht und Wichtigtuerei drastisch beschrieben werden, empfindlich demütigen.

Der naive Musensohn aber ist dafür blind. Stolz weist er das Kaufangebot seines Hauptkonkurrenten zurück. Es wirkt symbolisch, dass er seinem Pferd vor dem Start noch den Talisman abnimmt. So kommt es zur Katastrophe. In dem Moment, da Kulager sich anschickt, die Führung des Rennens zu übernehmen, trifft ihn der Axthieb eines gedungenen Attentäters tödlich. Das Verbrechen löst einen Tumult aus. Da das Gastrecht verletzt wurde und zu fürchten steht, dass der Dichter schlimme Kunde über ihren Stamm verbreiten wird, sind auch Klanangehörige des Auftraggebers über die Untat empört. Doch der vertritt die "dunkle Macht", wie das entsprechende Kapitel, gleichsam auf den "Krieg der Sterne" vorausweisend, überschrieben ist. Er hat Bewaffnete unter sich, auf seine Drohungen hin verzieht sich die Menge. Akan bleibt als gebrochener Mann zurück. Er trennt den Kopf seines toten Freundes vom Körper, nimmt ihn mit nach Hause und hängt ihn an den Baum, unter dem er fortan immer sitzt.

Und während er sein Klagelied um Kulager singt, altert Akan fast so schnell, wie dessen Kopf verwest. Dafür leben beide mitsamt Ilijas Shansugirow fort in dieser Dichtung, deren verzauberte Hörer dem einstigen politischen Sieger die Verdammnis an den Hals wünschen.

Ilijas Shansugirow: "Das Lied von Kulager". Eine Nachdichtung von Gert Heidenreich.

Edition Büchergilde, Frankfurt am Main 2016. 144 S., 1 Audio-CD, geb., 25,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Ganz verzaubert ist Kerstin Holm von Ilijas Shansugirows sowjetkasachischem Versepos um einen historischen Sänger und Pferde als die BMWs der Steppe. Die Übertragung durch Gert Heidenreich scheint deutsche Leser in ihren Augen sorgfältig an den Stoff heranzuführen, die urwüchsige Schönheit Kasachstans getreu dem Original abzubilden und das Schicksal des Sängers im Wettstreit mit den Stammeshäuptern gemäß dem Ansinnen des dem stalinistischen Terror zum Opfer gefallenen Autors als gelebte Utopie zu beschreiben.

© Perlentaucher Medien GmbH