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Ein faszinierendes, packendes - und sehr persönliches - Porträt Ernst Blochs, des großen Leipziger und Tübinger Philosophen.
Ein gutes Stück deutsch-deutscher Wissenschafts- und Zeitgeschichte der sechziger und siebziger Jahre. Erinnert und geschrieben von seinem Assistenten und Schüler: Eine Hommage an den eindringlichen Erzähler, Redner, Vor- und Weiterdenker.

Produktbeschreibung
Ein faszinierendes, packendes - und sehr persönliches - Porträt Ernst Blochs, des großen Leipziger und Tübinger Philosophen.

Ein gutes Stück deutsch-deutscher Wissenschafts- und Zeitgeschichte der sechziger und siebziger Jahre. Erinnert und geschrieben von seinem Assistenten und Schüler: Eine Hommage an den eindringlichen Erzähler, Redner, Vor- und Weiterdenker.
Autorenporträt
Ueding, Gert
1942 geboren, bis zu seiner Emeritierung 2009 Ordinarius für Allgemeine Rhetorik an der Universität Tübingen, seit 2003 Gastprofessor an der Universität St. Gallen. Literaturkritiker verschiedener großer Zeitungen, Essayist. Viele Jahre Mitglied der Jury zum »Friedenspreis des Deutschen Buchhandels«. Autor zahlreicher Aufsätze, Bücher, Vorträge zur deutschen Literatur und Philosophie, zur Geschichte und Theorie der Rhetorik, zur Literaturkritik, zur Populärkultur und Ästhetik. Bei Klöpfer & Meyer brachte er lange Jahre die erfolgreiche Reihe »Promenade« heraus, zuletzt, 2012, erschien sein Essayband »Utopisches Grenzland: Über Karl May«.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Lorenz Jäger liest Gert Uedings Ausführungen über seinen Lehrer Ernst Bloch mit Vergnügen und Rührung. Wenn Ueding über Blochs Vortragskunst schreibt, über seine Stimmregister, die Gefühlsbeteiligung, das Summen und Intonieren, wird Jäger mit Ueding nostalgisch: Die gute alte akademische Zeit! Das bisschen Hagiografie gestattet er dem Autor gern. Immerhin fallen interessante Vignetten über Bloch in Tübingen ab, Weisheiten wie "Ein Denken in Bewegung braucht bewegende Rede" oder auch Kritisches zu Walter Jens und seiner Rhetorik, den Ueding später in Tübingen beerbte.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.05.2016

Stimmlagen der utopischen Philosophie
Rede, damit ich dich sehe: Gert Ueding beschreibt seinen Lehrer Ernst Bloch

Gedanken haben einen Leib. Gerade wenn man das Leben eines Philosophen schildern will und wenn man ein persönliches Verhältnis zu ihm hatte, kann es sich empfehlen, vom Physiognomischen auszugehen. Das Wort dabei aber weiter verstanden, nicht nur als Beschreibung der feststehenden Züge von Gesicht und Körperbau - also nicht, als ob der Geist "ein Knochen" sei, wie Hegels Einwand gegen die Physiognomik lautete -, sondern vor allem als Vergegenwärtigung des bewegten Lebens in Stimme und Blick und in der Gestik. Der Geist ist kein Knochen, er ist ein Pathos.

Und so ist Gert Ueding ein ungemein schönes Buch über Ernst Bloch gelungen. Bloch (1885 bis 1977) war Zeuge und Mitphilosoph aller Aufbrüche des Jahrhunderts gewesen, angefangen vom künstlerischen Expressionismus über den Kommunismus und die junge DDR bis zur Studentenbewegung. Das klassische Porträt des jungen Philosophen hatte Harry Graf Kessler 1918 gezeichnet, Ueding zitiert es: "Als Mensch ein fast erschreckend mächtiger Jude, mit einem Stiernacken, wilden, bösen, dunklen Augen hinter Zwickergläsern, und einem unbändigen Haarschopf; eine brutale Naturkraft, die sich nicht ohne Eitelkeit das Ziel gesetzt hat, die Welt umzudenken." Das Wahre daran muss die vitale, nicht nur gedankliche Motorik gewesen sein, die Bloch bestimmte. Ueding kommentiert die Stelle: Es seien, "rhetorisch gesprochen, Charakteristika des genus vehemens, des gewaltigen, dynamischen, hinreißenden Selbsthelfers, wie ihn der Sturm und Drang verherrlichte."

In diesem Stil war Bloch das Gegenstück zu dem ihm philosophisch an sich wahlverwandten Walter Benjamin; dieser lebte viel eher in der Schrift, im Schriftbild, im Graphisch-Versponnenen. Bloch aber war ein Redner und Erzähler, ein Mann der Mündlichkeit. Ueding schildert die verschiedenen Register, deren seine Stimme fähig war. Eigentlich war er sogar nach Tübingen gekommen, um die Stimme nun leibhaftig zu hören, die er aus dem Radio kannte. So erschien ihm der Redner: "Damals war ich zuerst überrascht, wie weit diese Stimme aus dem Rahmen des Gewohnten fiel, ja wie sie allen Tugenden professionellen Sprechens zuwider tönte, indem sich die Person ständig in die Sache einmischte, von der sie sprach, Dialekteigentümlichkeiten zuließ, Gefühlsbeteiligung verriet. Seine Stimme war oft rauh, konnte sich aus der Bariton-Lage plötzlich in die Höhe versteigen, sich dort auch überschlagen, manchmal wurden die Endsilben fast unhörbar, weil er den Hauptton in einem Wort überstark hervorhob, niemals aber konnte man ein sinntragendes Signalwort überhören."

Die Erzählstimme klang "naturgemäß anders, ruhiger, raumgreifender auf gedämpfte Art, dabei nicht weniger beweglich". Hochinteressante, völlig unerwartete Vignetten fallen bei dieser Physiognomik der Stimme ab: ",Ein Denken in Bewegung braucht bewegende Rede', der fast barsch vorgebrachte Satz war in diesem Fall keine Selbstaussage. Er fiel in meinem philosophischen Rigorosum. Er war hier auf Fichte gemünzt, dessen vaterländisches Pathos ich etwas launig unhistorisch kommentiert hatte." Und so wird man durch Ueding auch in eine akademische Welt eingeführt, wie es sie heute wohl kaum noch gibt; die Tradition wurde mit dem Empfinden angeeignet, dass es um die eigene Sache ging: tua res agitur, selbst bei Fichte. "Im Seminar hielt er es selten lange aus, wenn jemand sein Referat so dahinsprach, als ginge es niemanden an."

Und noch eine Stimmlage gibt es, man liest diese Zeilen nicht ohne Bewegung: "Andere Lieblingsstücke intonierte er summend: das Trompetensignal aus dem ,Fidelio' (die utopische Oper par excellence), ,O sink hernieder, Nacht der Liebe' aus dem Tristan oder gar den rätselhaften Akkord aus dem ,Vorspiel'. Auch dabei spielten die Hände mit, leicht schwebend oder spitz zustoßend, wenn es darauf ankam."

Ein bisschen Hagiographie wollen wir ruhig gelten lassen. Gert Ueding, 1942 geboren, war Blochs Schüler und Mitarbeiter. Später übernahm er den Tübinger Rhetorik-Lehrstuhl als Nachfolger von Walter Jens. Seine Doktorarbeit handelte vom "Wallenstein". "Die dramatischen Werke Schillers gehören viel mehr in die Gattung des Gesprächs als des Dramas", schrieb Adam Müller in seiner klassischen Verteidigung der Beredsamkeit. Und auch da war Bloch die richtige Adresse, wenn man an seinen Essay "Die Kunst, Schiller zu sprechen" denkt. Dem Rhetorischen bei Walter Jens (der hier eine Nebenrolle spielt) steht Ueding kritischer gegenüber; er lobt die "intellektuell vibrierende" und tadelt die "manchmal verspielt manieristische Diktion."

Bloch heute zu lesen wird immer schwieriger. Ueding über Bloch zu lesen wird immer schöner.

LORENZ JÄGER.

Gert Ueding: "Wo noch niemand war". Erinnerungen an Ernst Bloch.

Verlag Klöpfer & Meyer, Tübingen 2016. 216 S., Abb., geb., 22,- [Euro].

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