Marktplatzangebote
5 Angebote ab € 4,90 €
  • Gebundenes Buch

"Ich heiße Channah, so wie die jüngste Schwester meiner Oma" - so stellt sich Channah Trzebiner auf der ersten Seite ihres Buches vor. Und breitet ein Füllhorn von Geschichten aus, Momentaufnahmen ihres jungen Lebens. Nichts ist erfunden; radikal subjektiv beschreibt die Autorin ihr Leben zwischen den Identitäten so, wie es ist. Zerrissen und aufregend zugleich. Denn Trzebiner erzählt von sich selbst. Das heißt: auch von ihren Großeltern, den Eltern, von Freundinnen und Freunden - von jenen, die fehlen, und denen, die geblieben sind. Mit ihr als einer Vertreterin der Dritten Generation tritt…mehr

Produktbeschreibung
"Ich heiße Channah, so wie die jüngste Schwester meiner Oma" - so stellt sich Channah Trzebiner auf der ersten Seite ihres Buches vor. Und breitet ein Füllhorn von Geschichten aus, Momentaufnahmen ihres jungen Lebens. Nichts ist erfunden; radikal subjektiv beschreibt die Autorin ihr Leben zwischen den Identitäten so, wie es ist. Zerrissen und aufregend zugleich. Denn Trzebiner erzählt von sich selbst. Das heißt: auch von ihren Großeltern, den Eltern, von Freundinnen und Freunden - von jenen, die fehlen, und denen, die geblieben sind. Mit ihr als einer Vertreterin der Dritten Generation tritt eine neue Stimme auf - eine so humorvolle wie provokative neue Stimme. Ob sie vom "Malheur" an einem Pessach-Abend in New York erzählt oder davon, wie sie mit ihrem Opa durch den Supermarkt streunt - immer gibt das Verwurzeltsein im Vergangenen die Grundmelodie vor. Die Enkelin erzählt von den emotionalen Wirrnissen einer Frau, von Befreiung, Unabhängigkeit und der durch nichts zu erschütternden Liebe in einer Familie.
Autorenporträt
Trzebiner, ChannahChannah Trzebiner, Diplom-Juristin, 1981 in Frankfurt am Main geboren, wo sie heute lebt und derzeit promoviert. "Die Enkelin" ist ihr erstes Buch.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.05.2013

Israel ist zum Wäschetrocknen gut
Channah Trzebiners literarische Selbstauskunft als Enkelin von Schoa-Überlebenden

Channah Trzebiner war ihr Leben lang "Beweis dafür, dass es andere gegeben hat". Ihre Großmutter umarmte in ihr die ermordete Schwester, nach der die Enkelin heißt, und sagte: "Channale, Chanischi, ma taires maidele." Der Großvater sagte: "Daine hur sind glach zi di hur fin mainem sin." Channah habe die gleichen Haare wie sein Sohn. Der hatte "soeben laufen gelernt, nur um auf eigenen Beinen ins Gas zu gehen".

Manchmal entgleitet einem fast, dass die in Literatur und Film tausendfach fiktionalisierten Schicksale derer, die überlebt haben, die Schicksale von Menschen wie Channah Trzebiners Großeltern sind, die das Leben ihrer Kinder und Enkelkinder bis vor kurzem begleitet und geprägt haben. Dass die Autorin als junge Jüdin, sie kam 1981 in Frankfurt zur Welt, einen großen Teil ihres Lebens mit Verwandten verbracht hat, die derartig traumatisiert waren, dass ihre Kraft kaum noch zum Leben reichte. Die Juristin hat zwar mit ihrem Erstlingswerk ein autographisches Buch geschrieben, in dem sie ihr Leben als Angehörige der dritten Generation nach der Schoa beschreibt. "Die Enkelin" ist dennoch ein sehr literarisches Werk, es ist umgangssprachliches Protokoll einer merkwürdigen Kindheit und Liebeserklärung an die verwundete Familie.

Trzebiner erzählt von ihrem Großvater Avraham, der nirgends bleiben kann, der zwischen Deutschland und Israel hin- und herzieht, wobei er von Letzterem meint, es sei nur zum Wäschetrocknen gut, und sich Kaffee und Nivea-Seife nachliefern lässt. Der die Familienhündin mal schlägt, mal im Restaurant mit am Tisch sitzen lässt und mit der Gabel füttert. Trzebiner erzählt von Urlauben in Israel, von ihrem nichtjüdischen Freund und vom Schweigen am Abend des Schabbats. Bemerkenswert an diesem Debüt ist, dass Trzebinerseinfache, trockene Stimme literarisch stark genug ist, das Erzählte zu tragen, und damit dem Leiden ihrer Großeltern zu dem Raum verhilft, den es in einem solchen Buch haben kann.

Das macht sie stilistisch viel überzeugender als etwa die israelische Autorin Lizzie Doron, die als Kind einer Überlebenden zuletzt in "Das Schweigen meiner Mutter" einen ähnlichen Tonfall von Wahrhaftigkeit zu erzeugen suchte. Vor allem aber ist Trzebiner, gerade auch da, wo sie komisch ist, sehr stark darin, ein Lebensgefühl zu vermitteln, bei dem das Jüdischsein gleichsam der Grundton ist, aus dem die Stimmung des Buchs ersteht. Sie benennt einfach, erzählt von ihrer liebevollen, hilflosen Mutter, vom frühverstorbenen Vater, von der älteren Schwester, für die sie, die jüngere, das Tor zum Leben aus der Familienstille war. Auch die Komik entsteht aus der schlichten Form des Aufzählens von Alltagssituationen: Der Großvater lockt die kleine Channah frühmorgens zum Einkaufen auf den Markt, indem er ihr ein Einhorn verspricht. Als die Kleine ständig fragt, wo das Einhorn denn nun sei, sagt Avraham: "Channale, di weist, wus is a polizei?" Sie entgegnet: "Jo, Opa." Und der Großvater: "Wen di wirst mich fraign noch a mul weign deim einhorn, wer ich riefn die polizei. Sei werdn dich abhoiln."

Aber Trzebiner ist auch eine wütende Autorin, wenn sie sich über ihre nichtjüdische Freundin ärgert, die ihr erzählt, manche ältere Deutsche fänden die Wiedergutmachungsrenten für Juden problematisch. Grimmig stellt die Juristin eine "Schadensersatzliste" auf. Was vergolten werden müsste: Beschlagnahmung der Häuser von Oma und Opa. Mord an Omas Baby. Mord an Opas schwangerer Ehefrau. Experimente mit giftigen Essenzen an Oma. Leider kanzelt Trzebiner mit fast gleichem Furor Frauen ab, durch die sie ihre Beziehung bedroht sieht. Einerseits liegt die Stärke des Buches darin, dass die Autorin Banales, Alltägliches, Komisches neben Grauenhaftes stellt. Aber zu oft bleibt es ungebrochen und unironisch. Der Anspruch eines Alles-sagen-Wollens, einer sprachlichen Wahrhaftigkeit, führt dann ins Triviale und erzeugt ein Ungleichgewicht zur Wucht der Erzählung vom Alltag mit der Familie.

HANNAH LÜHMANN

Channah Trzebiner: "Die Enkelin oder Wie ich zu Pessach die vier Fragen nicht wusste".

Verlag Weissbooks, Frankfurt am Main 2013. 242 S., geb., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Alexandra Stäheli weiß Channah Trzebiners Bericht über die dritte Generation von Überlebenden der Judenvernichtung zu schätzen. Stark findet sie den Teil des Buchs über die Kindheit und Jugend der Autorin, in dem für sie spürbar wird, wie sehr der Alltag der Nachkommen vom Trauma der Großeltern, die die Schoa überlebt haben, geprägt war und wie sehr diese Vergangenheit als "offene Wunde" präsent geblieben war. Im zweiten, mehr auf die Gegenwart bezogenen Teil des Buchs finden sich für Stäheli bisweilen zu viele Abschweifungen, etwa wenn Trzebiner sich Gedanken über die männliche Psyche an sich macht. Dennoch scheint der Rezensentin das Buch überzeugend, vor allem weil Trzebiner an alltäglichen Kleinigkeiten, Momentaufnahmen und Szenen subtil die Nachwirkungen der traumatischen Erfahrungen der Großeltern bei der Enkelgeneration vor Augen führt.

© Perlentaucher Medien GmbH