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Einst verwöhnte das Kap der Guten Hoffnung mit Schlagzeilen, wie man sie gern liest. Ein nach 27 Kerkerjahren endlich freigelassener Nelson Mandela gewann die ersten allgemeinen Wahlen, wandte sich versöhnend der weißen Bevölkerungsminderheit zu und legte das Fundament für einen Traum der aufgeklärten Menschheit: die Regenbogennation. Gut zwei Jahrzehnte später droht der macht- und geldgierige Nachnachfolger Mandelas, Jacob Zuma, das Kap mitsamt der Guten Hoffnung zu Grunde zu richten.Johannes Dieterich lebt seit Jahrzehnten mit seiner Familie in Johannesburg und ist dennoch davon überzeugt,…mehr

Produktbeschreibung
Einst verwöhnte das Kap der Guten Hoffnung mit Schlagzeilen, wie man sie gern liest. Ein nach 27 Kerkerjahren endlich freigelassener Nelson Mandela gewann die ersten allgemeinen Wahlen, wandte sich versöhnend der weißen Bevölkerungsminderheit zu und legte das Fundament für einen Traum der aufgeklärten Menschheit: die Regenbogennation. Gut zwei Jahrzehnte später droht der macht- und geldgierige Nachnachfolger Mandelas, Jacob Zuma, das Kap mitsamt der Guten Hoffnung zu Grunde zu richten.Johannes Dieterich lebt seit Jahrzehnten mit seiner Familie in Johannesburg und ist dennoch davon überzeugt, in einem der schönsten und interessantesten Länder der Welt zu sein.
Autorenporträt
Dieterich, JohannesJahrgang 1957, Studium der Geschichte, Theologie und des Journalismus; seit 1990 als Berichterstatter für deutschsprachige Zeitungen und Magazine in Südafrika, kurzzeitig auch als Fernsehreporter; seit 1990 lebt Dieterich mit Unterbrechungen mit seiner Frau und zwei Kindern in Johannesburg.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 14.08.2017

Warten auf den egalitären Modellstaat
Johannes Dieterich zeichnet ein desaströses Bild von Südafrika, einem Land, in dem die Menschen gar keine Gesetze mehr brauchen, um einander fern zu sein
Um Nationen und Ethnien zu charakterisieren, bemüht man gerne Nahrungsmittel. So symbolisiert im Fall der USA die „Salatschüssel“, also ein großer gemischter Salat, die dortige Multikulti-Gesellschaft. Weniger schmeichelhaft klingen die „Kokosnuss“ für Menschen mit dunkler Hautfarbe, die vermeintlich westliche, „weiße“ Werte verinnerlicht haben, und ihr asiatisches Pendant, die Banane (außen gelb, innen weiß). Für Südafrika bietet sich der Cappuccino an: eine schwarze Basis, darüber eine kleine weiße Schicht und obendrauf ein paar dunkle Schokostreusel. Johannes Dieterich verwendet die italienische Kaffeekreation als praktische und passende Metapher in seinem politischen Landesporträt. Dieterich berichtet seit 1990 als Korrespondent für deutschsprachige Zeitungen aus Südafrika und breitet seinen großen Erfahrungsschatz lesenswert aus: scharfsinnig, nachdenklich, humorvoll, fair und ohne sich irgendwo im Gestrüpp der ethnischen und sozialen Befindlich- und Empfindlichkeiten am Kap politisch korrekt anzubiedern.
Mit dem Ende der Apartheid und den ersten freien Wahlen 1994 sind zwar Demokratie und Rechtsstaat für alle eingezogen; dennoch befindet sich Südafrika in einem desaströsen Zustand – politisch, wirtschaftlich, moralisch: Menschen, die unter der ausufernden Kriminalität leiden, besonders die mittellosen Schwarzen, die sich nicht mit Mauern und Sicherheitsdiensten schützen können. Enorme Arbeitslosigkeit, marode öffentliche Schulen. Frustrierte, desillusionierte Bürger, die immer öfter und gewalttätig gegen die Zustände protestieren. Streiks, die wochenlang und blutig verlaufen. Bürgerwehren, die eine desinteressierte, nutzlose Polizei ersetzen müssen. Korrupte ANC-Kader, die in feinsten Anzügen und Maßschuhen die Verstaatlichung von Banken und die Enteignung weißer Farmer fordern. Township-Bewohner, die den Staat boykottieren, indem sie ihre Strom- und Wasserrechnungen nicht bezahlen, gleichzeitig aber Sozialhilfe einfordern. Eine bockige, weiße Mittelschicht in der inneren Emigration, die vor dem ihrer Ansicht nach „politischen Chaos des ANC“ immer gewarnt hat. Und die kleine, politisch gut vernetzte, schwarze Elite, die vom Segen der Befreiung bislang profitiert und sich selbst hemmungslos bereichert.
Das Land bleibt gespalten, von der Regenbogennation, zu der sich Südafrika nach dem Apartheid-Ende euphorisch erklärt hatte, ist wenig zu sehen. Soziale Ereignisse, ob Sportveranstaltungen, Geburtstage, Hochzeiten oder das typische Braii, die Grillparty, seien nach wie vor „ziemlich einfarbige Angelegenheiten“, bilanziert Dieterich ernüchtert: „Die Südafrikaner brauchen gar keine Gesetze mehr, um sich voneinander fernzuhalten.“
Dieterich lebt in seiner Johannesburger „urbanen Festung“ mit den üblichen hohen Mauern, Alarmanlagen und Wachleuten eigentlich jene Regenbogennation vor: seine Frau eine südafrikanische Jüdin mit litauischen Wurzeln, die beiden adoptierten Kinder dunkelhäutig, die Mitarbeiterin seiner Frau, die auf dem „Compound“ eine Website betreibt, indischstämmig, der Gärtner aus Simbabwe, die Nachtwächter muslimisch, die Haushälterin, die acht Sprachen spricht, vom Volk der Tswana.
Anschaulich und kenntnisreich schildert Dieterich das neue Südafrika anhand seiner Familie, der Mitarbeiter, Nachbarn, der vielen Bekannten aus der langen journalistischen Schaffenszeit. Wie die häufigen Stromausfälle, die die staatliche Gesellschaft absichtlich, aber unangemeldet auslöst, um einen Totalkollaps zu vermeiden, den Alltag zum Spießrutenlauf machen. Oder wie ihn sein „innerer Gerichtshof“ bei den Stopps an einer Straßenkreuzung täglich aufs Neue moralisch herausfordert mit der Frage, ob und wenn ja, welchem der immer selben Bettler man etwas zustecken sollte. Mit dem ersten Wunder, dem weitgehend friedlichen Übergang von Apartheid zu Demokratie, habe Südafrika Anfang der 1990er-Jahre die Welt überrascht. Nun warte ein zweites Wunder auf seine Verwirklichung – der egalitäre Modellstaat, zu dem Übervater Nelson Mandela einst aufgerufen hatte.
VIOLA SCHENZ
Johannes Dieterich:
Südafrika. Ein Länderporträt. Ch. Links Verlag Berlin 2017, 216 Seiten, 18 Euro.
E-Book: 9,99 Euro.
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