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1918 endete de facto die deutsche Kolonialgeschichte, nicht aber der deutsche Traum von Kolonien. So etablierte sich in der Weimarer Republik und noch weitaus stärker im "Dritten Reich" eine einflussreiche kolonialrevisionistische Bewegung. Die Wiedergewinnung der ehemaligen deutschen Kolonien, die mit neu zu erwerbenden Gebieten zu einem mittelafrikanischen Kolonialreich ergänzt werden sollten, wurde nicht nur propagiert. Spätestens ab 1936 / 37 gab es detaillierte Planungen für alle relevanten kolonialpolitischen Bereiche. Nach dem militärischen Sieg über Frankreich intensivierte man diese…mehr

Produktbeschreibung
1918 endete de facto die deutsche Kolonialgeschichte, nicht aber der deutsche Traum von Kolonien. So etablierte sich in der Weimarer Republik und noch weitaus stärker im "Dritten Reich" eine einflussreiche kolonialrevisionistische Bewegung. Die Wiedergewinnung der ehemaligen deutschen Kolonien, die mit neu zu erwerbenden Gebieten zu einem mittelafrikanischen Kolonialreich ergänzt werden sollten, wurde nicht nur propagiert. Spätestens ab 1936 / 37 gab es detaillierte Planungen für alle relevanten kolonialpolitischen Bereiche. Nach dem militärischen Sieg über Frankreich intensivierte man diese Planungen und machte sie zu einem integralen Bestandteil des deutschen Strebens nach der Weltherrschaft. Die Kolonien sollten in erster Linie der ergänzenden Versorgung der deutschen Wirtschaft mit Rohstoffen und Kolonialprodukten dienen. Angesichts des erwarteten Arbeitermangels in Afrika erhoben viele Planer die Arbeits- und Sozialpolitik zum "Schlüsselproblem" einer künftigen Kolonisation.
Das Buch von Karsten Linne liefert erstmals einen umfassenden Überblick über die weitreichenden Kolonialplanungen im Nationalsozialismus auf dem Stand neuester Forschungsergebnisse.
Autorenporträt
Linne, Karsten
Jahrgang 1961; Studium der Sozialwissenschaften in Göttingen; Promotion in Neuerer Geschichte an der Universität Bremen; langjähriger Mitarbeiter der Stiftung für Sozialgeschichtedes 20. Jahrhunderts und der Zeitschrift 1999; Mitbegründer von 'Clio & Co. Der Geschichtsservice', Hamburg. Herausgeber umfangreicher Dokumenteneditionen; zahlreiche Veröffentlichungenzur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte des Nationalsozialismus.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.02.2009

Fernweh der Reichsbräute
Deutsche kolonialpolitische Planungen 1919 bis 1945

Außenpolitisch war der Verlust der deutschen Kolonien nach dem Ersten Weltkrieg kein Thema mehr. Innenpolitisch rief ihre Wiedergewinnung seit 1919 Sehnsüchte hervor. Als Lieferant von Rohstoffen und Absatzmarkt für Industrieerzeugnisse schienen die Kolonien unentbehrlich. Karsten Linne hat die kolonialpolitischen Planungen in Bezug auf Afrika von 1919 bis 1945 recherchiert und in einer gut lesbaren, reich bebilderten Studie zusammengefasst. Zahlreiche Lehranstalten, die für den Einsatz in den Kolonien ausgebildet hatten, wie die Deutsche Kolonialschule Witzenhausen und das Hamburger Seminar für afrikanische Sprachen, bestanden fort; andere wurden neu gegründet, wie 1926 die Koloniale Frauenschule Rendsburg, oder um koloniale Vorbereitungskurse ergänzt, so 1940 die "Reichsbräute- und Mütterschule" Husbäke bei Oldenburg. Deutsche Landwirte in Kamerun hatten nach 1920 ihre von den Alliierten enteigneten Plantagen zurückgekauft. Ihre "deutsche Kamerun-Banane" war ein Verkaufsschlager. Nach 1933 wurden die politischen und wirtschaftlichen Planungen gesteuert vom Kolonialpolitischen Amt (KPA) der NSDAP und der Gruppe Deutscher Kolonialwirtschaftlicher Unternehmungen. Franz Ritter von Epp, Leiter des KPA, träumte vom Aufbau eines Reichskolonialministeriums, zu dessen Dienstsitz nach dem Ende des Krieges Hitler im März 1941 zwar den Berliner Marstall bestimmte, ohne aber jetzt schon die Errichtung dieses Ministeriums oder auch nur die Kolonialplanungen insgesamt zu billigen.

Linne zeichnet ein eindrückliches Bild der hektischen Aktivitäten, die während des Zweiten Weltkriegs dem künftigen deutschen Kolonialreich galten. Die Kolonialwissenschaftliche Abteilung des Reichsforschungsrates koordinierte in 29 Arbeitsgruppen mit über 500 Mitarbeitern die wissenschaftlichen und praktischen Planungen. Lehrstühle für koloniale Geographie, Forstwirtschaft, Bodenkunde, Kulturtechnik und Tierzucht wurden in Hamburg, Kolonialpolizeischulen in Oranienburg und Wien errichtet; die Völkerkunde galt nun als Kolonialwissenschaft, um Regierungsethnologen für die Kolonialverwaltung auszubilden. Die Reichsministerien befassten sich auf Arbeitsebene mit Entwürfen für ein Kolonialgesetz und ein "Kolonialblutschutzgesetz". Kriegsmarine und Auswärtiges Amt entwarfen Pläne für ein "deutsches Mittelafrika", das vom Atlantik bis zum Pazifik, von Kamerun und Kongo bis Kenia reichen sollte. Der Madagaskar-Plan zur "Lösung der Judenfrage" geisterte durch die Amtsstuben, bis Hitler 1942 entschied, die Juden nicht nach Madagaskar, sondern nach dem Osten "abzuschieben". Den Lebensraum der Deutschen sah Hitler nicht in Kolonien, sondern in den besetzten Ostgebieten; dort wurden dann auch die in Witzenhausen und Rendsburg ausgebildeten Koloniallandwirte und Kolonialfachfrauen und die im Import und Export tätigen Handelshäuser noch eingesetzt.

HANS JOCHEN PRETSCH

Karsten Linne: Deutschland jenseits des Äquators? Die NS-Kolonialplanungen für Afrika. Ch. Links Verlag, Berlin 2008. 215 S., 24,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Überzeugend findet Hans Jochen Pretsch diese Studie über die kolonialpolitischen Planungen Deutschlands von 1919 bis 1945, die Karsten Linne vorgelegt hat. Deutlich werden für ihn die zahlreichen Bemühungen zur Wiedergewinnung der deutschen Kolonien und insbesondere die politischen und wirtschaftlichen Planungen, die nach 1933 vom Kolonialpolitischen Amt (KPA) der NSDAP und der Gruppe Deutscher Kolonialwirtschaftlicher Unternehmungen gesteuert wurden. Pretsch bescheinigt dem Autor, ein "eindrückliches Bild? der Aktivitäten zu zeichnen, die während des Zweiten Weltkriegs dem künftigen deutschen Kolonialreich galten. Mit Lob bedenkt er die gute Lesbarkeit der Studie sowie ihre reichhaltige Bebilderung.

© Perlentaucher Medien GmbH