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Eine Spurensuche, die vom Prager Frühling über die westdeutsche Linke bis zum heutigen Umgang mit der Vergangenheit führt.
Sibylle Plogstedt ist vierundzwanzig, als sie von der Staatssicherheit der Tschechoslowakei 1969 verhaftet wird. Zusammen mit ihrem Lebensgefährten Petr Uhl war die Berliner Studentin als engagiertes Mitglied des SDS in der Opposition gegen den Einmarsch der Truppen des Warschauer Paktes in Prag 1968 tätig. Eineinhalb Jahre wird ihre Haft in Ruzyn dauern. Dreißig Jahre wird sie in den Erlebnissen von damals gefangen bleiben. Erst nach der Wende 1989 kann sie die…mehr

Produktbeschreibung
Eine Spurensuche, die vom Prager Frühling über die westdeutsche Linke bis zum heutigen Umgang mit der Vergangenheit führt.
Sibylle Plogstedt ist vierundzwanzig, als sie von der Staatssicherheit der Tschechoslowakei 1969 verhaftet wird. Zusammen mit ihrem Lebensgefährten Petr Uhl war die Berliner Studentin als engagiertes Mitglied des SDS in der Opposition gegen den Einmarsch der Truppen des Warschauer Paktes in Prag 1968 tätig. Eineinhalb Jahre wird ihre Haft in Ruzyn dauern. Dreißig Jahre wird sie in den Erlebnissen von damals gefangen bleiben. Erst nach der Wende 1989 kann sie die Vergangenheit nicht mehr verdrängen. Die nun über Fünfzigjährige begibt sich auf Spurensuche und will herausfinden, was damals geschehen war. Warum willigte sie, gegen ihre ursprüngliche Absicht, in die Ausweisung ein, verließ Petr und Prag? Und was hatte es mit Marta auf sich, jener Frau, mit der sie die längste Zeit eine Zelle teilte, die Gedichte schrieb und ihr so nahe kam? War sie psychisch krank oder war alles von der Staatssicherheit inszeniert? War Marta gezielt gegen sie eingesetzt worden, wußte diese davon? Die Antwo rten auf all diese Fragen liegen in Prag. Sibylle Plogstedt versteht es, Geschichte zu erzählen. Sie spannt den Bogen vom Prager Frühling über die westdeutsche Linke der späten sechziger und frühen siebziger Jahre bis in die heutige Zeit. Eindrücklich beschreibt sie die verheerenden Wirkungen, die die Methoden der Staatssicherheit noch Jahrzehnte später zeigen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.04.2001

Courage, Vorwärts, frei
Sibylle Plogstedt las aus "Gefangen in Prag nach 1968"

Gute Gedichte fesseln ihre Leser. Sie können fröhlich oder traurig stimmen, trösten oder beunruhigen. Manche Gedichte, treffen direkt ins Herz. Sibylle Plogstedt erinnert sich in ihrem soeben erschienen Buch an die Tiefenwirkung einer ganz besonderen Poesie in trister Stunde. "Marta las vor, ich träumte mit der Musik der Sprache. Meine gestauten Gefühle kamen wieder in Fluß. Die Zelle, die Gitter, die Eisentür und all die Verluste traten in den Hintergrund."

Die Rede ist vom Jahr 1970, und die Zelle befand sich in Prag. Sibylle Plogstedt hatte dort am 21. August 1968 den Einmarsch der Russen erlebt und sich an den Protestaktionen der Bevölkerung beteiligt. Sie gehörte dem Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS) an. Andere SDS-Mitglieder begeisterten sich für die Revolutionen in der Dritten Welt. Sibylle Plogstedt bewunderte den Widerstand der Tschechen und Slowaken gegen die sowjetische Okkupation. Um daran teilzunehmen, kehrte sie 1969 nach Prag zurück und schloß sich der trotzkistischen Untergrundorganisation "Bewegung der revolutionären Jugend" an. Am 13. Dezember 1969 machte sie sich auf den Weg nach West-Berlin, um das Weihnachtsfest bei ihrer Mutter zu verbringen. Es wird eineinhalb Jahre dauern, bis sie in West-Berlin ankommt, eineinhalb Jahre, die sie, nach ihrer Festnahme, in einem kommunistischen Gefängnis verbringt.

Frau Plogstedt las am Dienstag abend im "Haus der Demokratie und Menschenrechte" aus ihrem Buch über diese Haftzeit und deren Folgen. Es ist ein nachdenkliches und stilles Buch, das in die Zeit eines gescheiterten Aufbruchs zurückführt und den seelischen Schäden nachspürt, die Verhöre und eine gezielt betriebene psychische Zersetzung hinterlassen haben. Nach Jahren der Verdrängung hat sich die Autorin nun ihre Hafterfahrung vom Leib geschrieben und eine Vergewisserung darüber versucht, welche seelischen Verwundungen ihr die ausgefeilten Methoden der psychischen Folter zugefügt haben. Das Buch, das als Ergebnis dieser gewagten Selbsterkundung entstand, entschlüsselt auch die Rolle der ehemaligen Zellengenossin, die ein Werkzeug der Zersetzungsstrategie des tschechoslowakischen Geheimdienstes war.

Es ist jene Marta, die 1970 in der Zelle Gedichte schrieb und sie ihrer Mitgefangenen zum Trost vorlas. Durch Marta, die eine Inoffizielle Mitarbeiterin der Geheimpolizei war, wurde die Autorin mit einer vermutlich medikamentös hervorgerufenen Schizophrenie konfrontiert. Auf engstem Raum war sie den Krankheitsschüben ihrer Zellengenossin ausgesetzt, die zugleich ihre einzige Vertrauens- und Bezugsperson war. Eine Therapeutin, mit der die Autorin die Gefängniszeit noch einmal durcharbeitete, bestätigte die Vermutung, daß eine anders strukturierte Persönlichkeit durch solche Haftumstände in den Wahnsinn getrieben werden kann.

Sybille Plogstedt stürzte sich nach ihrer Entlassung aus der Haft erneut in den politischen Kampf. Anfang Januar 1976 endete ihre Berliner Universitätskarriere. "Der Tagesspiegel" meldete, "die Trotzkistin S. Plogstedt darf auf Beschluß des Kuratoriums der Freien Universität nicht länger als Wissenschaftliche Angestellte im Sonderforschungsbereich Sowjetunion beschäftigt werden". Ihre nächsten Stationen nach dem Berufsverbot waren die feministische Zeitschrift "Courage", zu deren Gründerkreis sie gehörte, und von 1986 bis 1989 die Redaktion des SPD-Organs "Vorwärts". Heute arbeitet Frau Plogstedt als freie Journalistin in Bonn. Es hat dreißig Jahre gedauert, bis sie die Beschädigungen überwinden konnte, die ihr in eineinhalb Jahren Haft zugefügt wurden.

JOCHEN STAADT

Sibylle Plogstedts Buch, "Im Netz der Gedichte. Gefangen in Prag 1968" ist im Berliner Christoph Links Verlag erschienen und kostet 29,80 Mark.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Liane von Billerbeck, die in ihrer Rezension ausführlich die Hintergründe dieser Geschichte erläutert, warnt den Leser vor: Es handele sich hier um "keinen leichten Stoff". Vielmehr sei das Buch "anstrengend, manchmal quälend langsam", aber das scheint der Qualität des Bandes insgesamt und dem Eindruck, den das Buch auf die Rezensentin gemacht hat, keinen Abbruch zu tun. Besonders die psychologischen Aspekte hebt von Billerbeck hervor: Was es bei der Autorin und Erzählerin ausgelöst hat, lange Zeit mit einer völlig unberechenbaren Frau eine Gefängniszelle zu teilen, die sie mit Behauptungen, sie werde nachts regelmäßig gefoltert, zutiefst verunsichert. Oder aber wie die Autorin mit dem schlechten Gewissen kämpft, ihre ehemaligen Gefährten zurückgelassen zu haben. Und wie sie mit "großer Kraft versucht, mit den Narben zu leben". Und vor allem eines zeige dieser Band: Dass die Zeit eben nicht immer alle Wunden heilt.

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"Es ist ein nachdenkliches und stilles Buch, das in die Zeit eines gescheiterten Aufbruchs zurückführt und den seelischen Schäden nachspürt, die Verhöre und eine gezielt betriebene psychische Zersetzung hinterlassen haben. Nach Jahren der verdrängung hat sich die Autorin nun ihre Hafterfahrung vom Leib geschrieben und eine Vergewisserung darüber versucht, welche seelischen Verwundungen ihr die ausgefeilten Methoden der psychischen Folter zugefügt haben." (F.A.Z. (Berliner Seiten), 12.4.01) "Dies ist eine Geschichte von Mut und Verzweiflung, von Erniedrigung und Größe.(...) Sibylle Plogstedt erzählt von sich und den Menschen, die im Sinne einer pervertierten Idee verletzt wurden und mit großer Kraft versuchen, mit den Narben zu leben. Und sie widerspricht damit auch der landläufigen Ansicht, dass die Zeit alle Wunden heilt." (Süddeutsche Zeitung, 7.9.01) "Ein in höchstem Maße spannendes und gleichzeitig anrührendes, feinsinnig geschriebenes Buch. Sehr empfehlenswert - auch im Sinne zeitgeschichtlicher Aufklärung und Erkenntnis." (blattgold, Dezember/Januar 2001/2002) "Hier ist eine Geschichte gelungen, deren Sog man sich dank ihrer psychologischen Kriminalistik nicht entziehen kann. Zugleich nehmen wir teil an einer Fahrt mit der Geisterbahn durch ein politisches Räderwerk." (NDR Radio 3, 10.1.02)