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Erlebnisse im Zwischenraum: Das Erlebnis der 'Transit-Reise' durch die ehemalige DDR - Aufnahmen mit versteckter Kamera, subjektive Erfahrungen, historische Hintergründe.

Produktbeschreibung
Erlebnisse im Zwischenraum: Das Erlebnis der 'Transit-Reise' durch die ehemalige DDR - Aufnahmen mit versteckter Kamera, subjektive Erfahrungen, historische Hintergründe.
Autorenporträt
Friedrich Christian Delius, geboren 1943 in Rom, in Hessen aufgewachsen, lebt heute in Berlin. Mit zeitkritischen Romanen und Erzählungen, aber auch als Lyriker wurde Friedrich Delius zu einem der wichtigsten deutschen Gegenwartsautoren. Bereits vielfach ausgezeichnet, erhielt Delius den Walter-Hasenclever-Literaturpreis, den Fontane-Preis, den Joseph-Breitbach-Preis, den Georg-Büchner-Preis sowie 2012 den Gerty-Spies-Literaturpreis.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.04.2000

Ein Lattenzaun mit Zwischenraum, um durchzuschaun
Getönte und ins Bild gesetzte Erinnerung an die Transitstrecke

Friedrich Christian Delius, Peter Joachim Lapp: Transit Westberlin. Erlebnisse im Zwischenraum. Ch. Links Verlag, Berlin 1999. 190 Seiten, Abbildungen, 68,- Mark.

Der Weg zur buntesten Insel Deutschlands führte von 1945 bis 1990 durch die graueste aller bekannten Landschaften. Die Transitstrecken zwischen Westdeutschland und West-Berlin waren nicht mehr als ein politischer und geographischer ,Zwischenraum'. In dem Buch erinnern Zeitzeugenberichte daran, dass nicht die Landschaft oder die Menschen im Mittelpunkt der Wahrnehmung standen, sondern die Politik und ihr Drohpotential in Gestalt der Volkspolizei. In den wenigen Stunden des Transits unterlagen auch die Westdeutschen dem Nivellierungseifer der SED: Alle gerieten in die gleichen Geschwindigkeitskontrollen und Mitropa-Restaurants, in die gleichen überfüllten und nach "grimmigen Desinfektionsmitteln" muffelnden Züge und vor die gleichen unfreundlichen Grenzanlagen und Zöllner. Die Erinnerungen spiegeln die angespannte Langeweile einer Transitreise authentisch wider.

Zahlreiche Fotos vermitteln abwechslungsreichere Eindrücke von den deutsch-deutschen Grenzstationen, Straßen, Autos, Raststätten und Sicherheitsapparaten. Schrittweise zeigt sich der Ausbau der provisorischen Interzonengrenzstationen zu monströsen Grenzanlagen mit bis zu 8000 Mitarbeitern allein in den "Passkontrolleinheiten". Die Bilder von den ersten alliierten Militärkonvois bis zu den stundenlangen Staus in den achtziger Jahren illustrieren Gesellschaftsgeschichte: von der Dominanz der Alliierten, über den Autoboom und die wachsende individuelle Mobilität in den fünfziger und sechziger Jahren bis zu der selbst auf Schwarzweißfotos offensichtlichen Teilung zwischen bunter westlicher Massenmobilität und schlichten Polizei- und Privatfahrzeugen in der DDR. Gemeinsam mit der von Peter Joachim Lapp zusammengefassten Geschichte des Transitverkehrs öffnen die Bilder den Blick auf die internationale Politik, die hier ganz eng mit der deutsch-deutschen Politik verbunden war. Die Westalliierten hatten während der Berliner Blockade 1948 zwar ihre Unabhängigkeit von den Transitstrecken bewiesen, die wenigen Straßen, Bahngleise und Schiffswege blieben aber Garanten für eine ökonomisch halbwegs tragbare Unabhängigkeit West-Berlins.

Die zahllosen persönlichen und politischen Probleme auf der Transitstrecke waren nicht zuletzt dem blauäugigen Vertrauen der Westalliierten geschuldet. Sie hatten 1944/45 auf eine vertragliche Regelung mit der Sowjetunion für die Verbindung zwischen ihren Besatzungszonen und Westberlin verzichtet. Dadurch saßen die Sowjets hier stets "am längeren Hebel". Erst mit dem Berliner Vier-Mächte-Abkommen vom September 1971 wurde "endlich nachgeholt, was die alliierten Siegermächte bei Kriegsende hätten regeln müssen". Obwohl Moskau der DDR bereits 1955 die volle Souveränität zugesprochen hatte, übernahm die Sowjetunion in den Gesprächen mit den Westalliierten nun wieder die Verantwortung für den Transitverkehr. Danach verpflichtete sie Ostberlin zu einer einvernehmlichen Lösung mit Bonn, dem Transitvertrag von 1971. Das Recht, den Transitverkehr nach Belieben zu regeln, hatte die DDR damit verloren. Reste ihrer Souveränität auf den Transitstrecken nahm sie sich bei der Missbrauchsbekämpfung, denn der Vertrag gestattete es ihr einzugreifen, wenn "eine gewisse Wahrscheinlichkeit" bestand, "daß ein Mißbrauch (. . .) beabsichtigt ist". Dennoch verlief der Transit für die meisten Bürger ohne Probleme, die Festnahmezahlen fielen kaum ins Gewicht. Auf beiden Seiten blieben aber "oftmals diffuse Ängste". Die Westdeutschen fürchteten jede Kontrolle, die paranoide SED wollte keinen Meter unbewacht lassen, auf dem sich täglich mehrere zehntausend Westdeutsche durch die DDR bewegten. Nur die fehlenden personellen und materiellen Ressourcen von Polizei und Staatssicherheit ließen es nicht zu, die Transitstrecken "zu einer Art zweitem Grenzgebiet im Innern der DDR" zu machen.

Neben der Überwachung kostete auch der Ausbau der alten Straßen für den stark zunehmenden Westverkehr viel Geld. Entsprechend bat Ostberlin den Westen zur Kasse. Allein von 1972 bis zu ihrem Ende erhielt die DDR etwa zehn Milliarden Mark: Ein "süßes Gift", das die DDR abhängig machte und politisch zähmte. Außerdem bereitete das Westsponsoring die Transitstrecken auf ihre eigentliche Belastungsprobe Anfang der neunziger Jahre vor, als sich auch in der DDR fast jeder ein Auto kaufte und ganz Deutschland sich kennen lernen und besuchen fahren wollte.

Der Leser mag einen inspirierten Überblick von dem Westberliner Schriftsteller Friedrich Christian Delius erwartet haben. Sein Text unterscheidet sich sprachlich und analytisch aber leider nicht wesentlich von dem eines Spediteurs, eines Zollbeamten, eines ADAC-Funktionärs und eines passionierten Campingurlaubers. Sie gemeinsam bilden den Chor der Zeitzeugen. Mit den Fotos und dem wissenschaftlichen Text von Lapp bedient das Buch insgesamt das Bedürfnis nach nostalgisch getönter, aber empirisch fundierter Erinnerung.

DAMIAN VAN MELIS

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Das Buch mit Zeitzeugenberichten aus den Jahren 1945-1990, als "der Weg zur buntesten Insel Deutschlands durch die graueste aller bekannten Landschaften" führte, bespricht Damian van Melis. Jedoch spiegeln diese Berichte in seinen Augen allenfalls die "angespannte Langeweile einer Transitreise" wieder. Der Beitrag von Mitherausgeber F.C. Delius sei sprachlich und analytisch gar auf dem Niveau eines "Spediteurs" oder "passionierten Campingurlaubers". Lediglich die zahlreichen Photos vermitteln einen "abwechselungsreichen Eindruck" von der Transitsituation. Zusammen mit Peter Joachim Lapps "zusammengefasster Geschichte des Transitverkehrs" öffnen sie den Blick auf die enge Verbindung von deutsch-deutscher und internationaler Politik.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Friedrich Christian Delius und Peter Joachim Lapp lassen in ihrem Band"Transit Westberlin"die oft beklemmenden, manchmal unfreiwillig komischen Eindrücke von den DDR-Autobahnen wieder lebendig werden.Die gut ausgesuchten Bilder dokumentieren Reiseimpressionen - von der Warteschlange am Grenzübergang bis zur legendären Werbetafel für Plaste und Elaste aus Schkopau." (Süddeutsche Zeitung, 13.10.1999)

"Das neue Buch über den Transitverkehr ist für"eingeborene"oder"gelernte"West-Berliner ein wichtiges Geschichtsbuch.Mit angemessener Akribie beleuchten die Autoren dieses Thema, das in einem Buch festgehalten zu werden längst überfällig war." (Tagesspiegel, 11.11.1999)

"Ein Bilderbuch des Unbehagens, und so nah bringt es die vergangenen Gräuel, das Grau und das leise Grauen, daß dieses Buch allen ans Herz gelegt wird, die sich noch in unbewältigter Ostalgie ergehen sollten." (NDR Radio 3, 22.11.1999)

"Ein komprimierter, äußerst interessanter Abriss der 45 Jahre herrschenden Anormalität auf den Verbindungswegen nach West-Berlin." (Deutschland Archiv, 4/2000)

"Vieles in diesem Buch mutet mit dem Abstand eines Jahrzehnts schlicht absurd an. Gerade deshalb aber sollte dieser Teil der deutschen Geschichte nicht in Vergessenheit geraten. Wer unter gelegentlichen"Ostalgie"-Anfällen leidet, kann hier noch einmal die miefige Militanz des SED-Staates an sich vorüberziehen lassen. Nicht nur die Texte haben eine heilsame Wirkung, vor allem sind auch die vielen, zum Teil illegal entstandenen Fotos zu loben." (Neue Ruhr Zeitung, 23.1.01)…mehr