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Fest steht nur: So groß wie die Sommer damals war nie mehr etwas auf der Welt! In Andreas Unterwegers Universum ist es eine Selbstverständlichkeit, dass eine Gruppe kleiner Buben samt ihrem Wortführer Biber in einem gelben Haus zwischen gelben Feldern lebt, und nur der Großvater und die Katze Mia leisten ihnen Gesellschaft. Hin und wieder taucht ein Waldläufer auf, der von geheimnisvollen und wilden Wildschweinen erzählt. Was da passiert? Nichts als dass die herrlichen Sommer, in denen man den ganzen Tag im (gelben) Fluss schwimmen kann, von frostigen Wintern abgelöst werden, in denen es aber…mehr

Produktbeschreibung
Fest steht nur: So groß wie die Sommer damals war nie mehr etwas auf der Welt!
In Andreas Unterwegers Universum ist es eine Selbstverständlichkeit, dass eine Gruppe kleiner Buben samt ihrem Wortführer Biber in einem gelben Haus zwischen gelben Feldern lebt, und nur der Großvater und die Katze Mia leisten ihnen Gesellschaft. Hin und wieder taucht ein Waldläufer auf, der von geheimnisvollen und wilden Wildschweinen erzählt. Was da passiert? Nichts als dass die herrlichen Sommer, in denen man den ganzen Tag im (gelben) Fluss schwimmen kann, von frostigen Wintern abgelöst werden, in denen es aber immerhin Nikolaus und Weihnachten gibt.
Ein unverschämter Wunschtraum, dessen Voraussetzungen anderswo abgehandelt werden: dort, wo mit höchster sprachlicher Präzision das Verhältnis zwischen den Dingen und den Begriffen untersucht wird, die Materialität der Wörter und die Schwierigkeiten des Verstehens (und Missverstehens): "Und hier, in dieser gelben Schachtel, ist mein Geburtstagsgeschenk für dich: ein paar Radieschen", sagte Biber. "Ein Paradieschen!", frohlockte das Mädchen.
Poetischer Eigensinn als Kindheitsutopie, ganz ohne Rücksicht auf die "Aufgaben der Literatur" - oder Wittgenstein als Kinderbuch, gewissermaßen, angereichert mit höheren und tieferen Witzen, Fotos, Rechenaufgaben, mehreren Motti zur freien Wahl und vor allem zwei Inhaltsverzeichnissen, in denen die Kapitel einerseits "Die fünf Jahreszeiten" und andererseits "Meister der Verkleidung: Identität und Differenz im gelben Land" heißen.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Dieses Buch ist ein herrliches Abenteuer, schwärmt Rezensentin Beate Tröger, die sich gern auf Andreas Unterwegers Spiel mit herkömmlichen Leseerwartungen eingelassen hat. Inhaltlich streift die Kritikerin mit einem kleinen Jungen namens Biber durch das Dorf Hoboken, wo der Junge mit seinem Großvater und anderen Kindern in einem gelben Haus zwischen gelben Feldern lebt. Begeistert bemerkt sie, wie poetisch der Autor Kindheitserinnerungen und imaginierte Kindheitsträume verwebt und dabei nicht nur über eine virtuose Beobachtungsgabe verfügt, sondern auch mit Kunstgriffen und sprachphilosophischen Referenzen spielt. Ob Mottos zum Ausschneiden und Wiedereinkleben, grafisch abgesetzten Wiederholungen oder Fotos im Text - mit diesem Buch hatte die Kritikerin viel Vergnügen.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.01.2016

Kindheitskapriolen
Andreas Unterwegers rätselhaftes "gelbes Buch"

Es gibt Bücher, bei deren Lektüre fühlt man sich ein wenig, als schleiche man um ein Haus und habe den Schlüssel zur Haustür verloren. Der 1978 in Graz geborene Andreas Unterweger, ein für seine ersten Bücher vielgelobter Autor, Musiker und Redaktionsmitglied des legendären Literaturmagazins "manuskripte", erzählt in "Das gelbe Buch" von einem kleinen Jungen namens Biber, der mit vielen anderen kleinen Jungen, eher schlecht als recht beaufsichtigt vom Großvater, in einem gelben Haus zwischen gelben Feldern lebt. Es geht um ein Dasein in relativer Freiheit, die erste Liebe, eine Entdeckung der Welt. Der Schauplatz für all dies ist eine Gegend um ein Dorf namens Hoboken, benannt nach einer Zeile aus einem Song von Bob Dylan: "Crossing the bridge, going to Hoboken / Maybe over there, things ain't broken." Es ist eine Gegend, wie man sie "aus Indianerbüchern kennt".

Damit wird ganz klar ein traumhaftes, ein poetisch markiertes Erzählsetting vorgestellt, in dem sich die Erinnerung an den Zustand des Kindseins mit imaginierten Kinderträumen vermischt. Es ist ein Schauplatz, an dem sich die Selbstverständlichkeit des erzählenden Bezeichnens verwandelt in einen Modus des Abtastens der Möglichkeiten des Bezeichnens. Die Jungen fürchten, ja verabscheuen das, was den Namen Tomatensauce trägt, Paradeissauce, so heißt es weiter, "das war unsere Leibspeise". Es ist eine Welt, in der sogar die Sprache der Katze ergründet wird. Man ahnt, was Unterwegers Text vorhat: Er durchleuchtet die Sprache, um sie neu zu entdecken. Philosophisch bewanderte Menschen werden hier sicherlich sprachphilosophische Referenzen ausmachen, von denen Lewis Carrolls "Alice hinter den Spiegeln" nur eine ist. Unterwegers Text durchleuchtet auch narrative Konventionen, indem er mit zahlreichen Kunstgriffen hantiert, wenn etwa manche der Textminiaturen am Ende wieder an ihren Ausgang zurückkehren. Das Buch schlägt seinem Leser auch schon einmal vor, man könne an einer bestimmten Stelle weiterlesen oder zu einer anderen Seite springen. Aber wohin liest man dann von da aus? Springt man zurück zum Verweis? Oder liest man weiter an der Stelle und lässt ein ungelesenes Stück dazwischen als solches stehen? Weiterhin finden sich Sätze in graphisch abgesetzten Wiederholungen, Fotos sind in den Text einbaut, und am Ende präsentiert "Das gelbe Buch" verschiedene Mottos, die dem Leser zum Ausschneiden und Vorne-Einkleben angeboten werden. Zudem behauptet es am Ende mit einiger Chuzpe von sich, es sei eine Folie für Texte wie "Herz der Finsternis" von Joseph Conrad oder für Hugo von Hofmannsthals "Ein Brief", um nur einige zu nennen. Achtung, sagt dieses Buch, Achtung, ich räume auf!

Wie weiland die auf literarische Konventionen fröhlich pfeifende Else Lasker-Schüler selbiges mit ihren Verlegern tat, wirbelt nun Unterwegers Buch die Erwartungen der Leser auf und animiert diese, sich einzulassen auf den Modus eines kindlichen Blicks, in dem die Dinge ungetrennt aussehen und der dennoch alles schon durchdrungen zu haben scheint. Ob diese Perspektive ein Schlüssel zu dem rätselhaft und hermetisch wirkenden "gelben Buch" sein könnte? Vielleicht ist der aber auch zu finden in dem oft zitierten Satz von Franz Kafka: "Verbringe nicht die Zeit mit der Suche nach einem Hindernis. Vielleicht ist keines da."

BEATE TRÖGER

Andreas Unterweger:

"Das gelbe Buch".

Droschl Verlag, Graz 2015. 240 S., geb., 20,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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