Marktplatzangebote
6 Angebote ab € 12,00 €
  • Gebundenes Buch

Liebe, Sünde, Leidenschaft - die Geschichte einer jungen Frau zur Zeit des Siebenjährigen Krieges.
Schicksalhaft verknüpfen sich die Lebenswege dreier Menschen des 18. Jahrhunderts: Katharina, Tochter des krainischen Gutsverwalters Poljanec, schließt sich den Wallfahrern an, um dumpfer Bigotterie und unerfülltem Begehren zu entfliehen; sie begegnet der großen Liebe, wird dennoch zur Offiziershure. Der Pfau, krainischer Artilleriehauptmann, der im österreichisch-preußischen Krieg um Schlesien in der Armee Maria Theresias dient, stolziert unter ihrem Fenster auf dem Gutshof umher, würdigt sie…mehr

Produktbeschreibung
Liebe, Sünde, Leidenschaft - die Geschichte einer jungen Frau zur Zeit des Siebenjährigen Krieges.

Schicksalhaft verknüpfen sich die Lebenswege dreier Menschen des 18. Jahrhunderts: Katharina, Tochter des krainischen Gutsverwalters Poljanec, schließt sich den Wallfahrern an, um dumpfer Bigotterie und unerfülltem Begehren zu entfliehen; sie begegnet der großen Liebe, wird dennoch zur Offiziershure. Der Pfau, krainischer Artilleriehauptmann, der im österreichisch-preußischen Krieg um Schlesien in der Armee Maria Theresias dient, stolziert unter ihrem Fenster auf dem Gutshof umher, würdigt sie keines Blickes und erzählt von nie geschlagenen Schlachten. Der Jesuit, ein slowenischer Missionar, hat die gewaltsame Vertreibung der Jesuiten aus Paraguay erlebt. Wieder in Europa, schließt er sich den Köln-Pilgern an und prägt fortan Katharinas Lebensweg.
Wechselnde Schauplätze - Salzburg, Landshut, Münster, Köln und Tutzing -, historische Ereignisse - mit der Schlacht von Leuthenals Höhepunkt - sowie eine Fülle von Nebenfiguren und lebensvollen Handlungen bilden ein spannendes Epochengemälde an der Schwelle vom Barock zur Aufklärung.
Autorenporträt
Drago Jancar, geboren 1948 in Maribor. Zahlreiche Preise und Auszeichnungen, u. a.: 1993 Preseren-Preis, 1994 Europäischer Preis für Kurzprosa, 2003 Herder Preis, im Jahr 2011 wurde ihm der Prix Européen de Littérature verliehen. Seine Essays und Stücke wurden in viele Sprachen übersetzt.

Klaus Detlef Olof, geboren 1939, lebt in Zagreb und in Graz. Slawist und Übersetzer, u.a. von Dzevad Karahasan, Miljenko Jergovic, Zoran Feric und Igor Stiks.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 13.06.2008

Die Liebe in Zeiten der Wallfahrten und Kriege
Ein europäischer Erzähler auf der Höhe seiner Meisterschaft: Drago Jancars Roman „Katharina, der Pfau und der Jesuit”
Der 1948 geborene Drago Jancar, der sich einst weigerte, erster Präsident der Republik Slowenien zu werden, weil er seiner Heimat lieber als oppositioneller Literat verbunden bleiben wollte, ist ein Erzähler und Essayist von europäischem Rang. Mit mehrjähriger Verspätung ist nun sein historischer Meisterroman „Katharina, der Pfau und der Jesuit” auch auf Deutsch erschienen, in der bewährten Übersetzung von Klaus Detlef Olof, dem so viele Entdeckungen slowenischer Literatur zu danken sind.
Jancars fast 500 Seiten umfassendes Opus magnum ist im Siebenjährigen Krieg angesiedelt, als die alten europäischen Mächte Frankreich und Österreich sich gegen den preußischen Parvenu Friedrich den Großen vergeblich zu behaupten versuchten. Es ist eine Zeitenwende der europäischen Großmachtpolitik, aber auch der Geistes- und Religionsgeschichte. Während sich in den Zentren bei den Gelehrten und Hofbeamten die Aufklärung etabliert, gebiert diese andernorts bereits ihre bestialischen Kinder, die sich mit den fratzenhaften Ausgeburten des Aberglaubens verbinden, die sich bis in die Neuzeit geschleppt haben.
Die Geschichte hebt an einem Rand der europäischen Zivilisation jener Jahre an, in Slowenien, wo alle sieben Jahre Abertausende, die es nach Erlösung dürstet, sich aufmachen, um gen „Kelmorajn” zu ziehen, wo der Heilige Schrein ruht, mit den Reliquien der Heiligen Drei Könige. Kelmorajn – Köln am Rhein nennen es die Deutschen – ist für die slowenischen Bauern, die über ihre Himmel noch Hexen fliegen sehen, in den Nächten die Werwölfe heulen hören und sich, geprügelt von ihren österreichischen Grundherren, in einen Katholizismus fügen, dem viel Untertanengeist, Wunderglaube und heidnische Renitenz beigemischt sind, Köln am Rhein ist für die Slowenen der ferne Ort des Heils.
Einmal im Leben muss man den beschwerlichen Weg über Laibach, die Alpenpässe, die Täler Kärntens und Salzburgs genommen, einmal sich im Bayerischen von Ort zu Ort gebetet und gebettelt haben, einmal endlich in Kelmorajn angekommen und dort von der langen Schlange der Knienden, kriechend sich vorwärts Bewegenden verschluckt worden sein. So sammeln sie sich in ihren Kirchen in der Krain, die noch heute bis in ihre feuchten Ecken mit Bildern des Heils und Schreckens ausgemalt sind: „Unter dem Gottesbild, unter dem Gekreuzigten, unter dem sanften Antlitz seiner unbefleckten Gebärerin, unter dem Altar, der in dunkler Vergoldung leuchtete, unter den Bildern ihrer Heiligen und Schutzheiligen schweigend, Gebete murmelnd, erbebten die Wallfahrer nach Kelmorajn, erbebten sie wie die Flammen der Kerzen, die sie entzündet hatten, erbebten sie vor dem großen Weg, der sie erwartete, vor dem Unbekannten, das sich irgendwo in der Ferne bereit machte, ihnen Gutes oder Übles zu tun . . . .”
So eine Wallfahrt war schon zu Friedenszeiten keine fromme Übung alleine: Tausende waren unterwegs, Seuchen brachen aus, Streit flammte unter den Pilgern auf oder mit jenen, an deren Orten sie vorbeizogen, und die Sünde des Fleisches war eine so getreuliche Begleiterin jeder Wallfahrt, dass die katholische Obrigkeit versuchte, das Wallfahren, zumal wenn es über fremde Länder führte und die Leute lange von zu Hause weg blieben, zu unterbinden. Umso fragwürdiger war so eine Wallfahrt in Kriegszeiten: „Krieg ist eine ansteckende Sache, wenn er beginnt, breitet er sich schneller aus als die Cholera, genau genommen am besten zusammen mit den Cholera”. Vom Hass werden alsbald die Friedfertigen ergriffen, von der Cholera die Gesunden niedergeworfen. Die Fahrt nach Kelmorajn ist eine gefährliche Unternehmung, eine blutige Sache und – eine europäische Angelegenheit. Denn wie die Pilger im entlegensten Tal empfangen werden, wie sie sich selber in der Kreisstadt benehmen, in der sie für ein paar Tage rasten, daran wirkt und webt die große Geschichte mit.
Drei Biographien verschränkt Jancar in seinem grandiosen Fresko, das halb entfesselter Totentanz, halb intellektuelle Parabel ist. Da ist Katharina, die nicht mehr ganze junge Tochter eines Gutsverwalters, mehr als eine Bäuerin, weniger als eine Bürgersfrau. Eines Tages beschließt sie, nicht länger auf den Bräutigam zu warten, sondern sich der großen Wallfahrt anzuschließen, zum Entsetzen ihres Vaters, der aber ihren Blick sofort zu deuten versteht, „einen Blick völliger Unzufriedenheit mit dem Leben, vollkommener Bereitschaft für alles, was anders sein könnte, nur deshalb, damit es nicht mehr so wäre wie bisher”.
Kurz, Katharina ist religiös entrückt, mit ihrer sozialen Rolle unzufrieden, sexuell unbefriedigt, da kommt vieles zusammen in einer Figur, die Jancar mit widersprüchlichen Charakterzügen ausstattet. Eine sinnliche, kluge und dabei ungemein lebensstarke Frau, wird Katharina auf die Wallfahrt wie in einen Krieg geraten, sie wird vergewaltigt und verhöhnt werden, aber doch ungebeugt mit einem Kind im Bauch nach Hause zurückkehren. Ihr Gegenspieler ist der „Pfau”, ein „schöner und stattlicher Mann”, Neffe eines Barons von Windisch, der sich um nichts als das makellose Weiß seines Halstuchs sorgt und danach verzehrt, es eines Tages für seine Kaiserin Maria-Theresia auf irgendeinem Schlachtfeld Europas mit seinem Blut tränken zu dürfen.
Den Pfau empfindet Katharina als „völlig uninteressanten Menschen”, aber wenn er vorbeireitet, kann sie nicht anders, als ihm nachzusehen, und in ihren einsamen Nächten spürt sie seine Hand auf ihrem jungfräulichen Leib. Sie achtet ihn gering, und missachtet sich selbst dafür, dass er ihr nicht aus dem Sinn geht. Sein grauenhaftes Sterben, in dem der aristokratische Stolz, mit großer Gebärde das Leben für die Kaiserin hinzugeben, in Fäulnis, Gestank und Wehgeschrei niederkommt, zählt zu den zahllosen Passagen des Romans, die man kaum je wird vergessen können.
Der dritte ist Simon, ein abgesprungener Jesuit, der einst in Paraguay am kommunistischen Indiostaat der Jesuiten mitzubauen versuchte, der später vom Vatikan, von der Ordensobrigkeit und den portugiesischen Truppen zerstört und mit Blutbädern gesühnt wurde. Simon ist der gelehrte Grübler, der an die Lehren der Bücher nicht mehr zu glauben vermag, der religiöse Eiferer, der mit Gott zu hadern beginnt, der Menschenfreund, der die Menschen in der aufreizenden Gestalt Katharinas endlich einmal nicht nur im allgemeinen lieben und achten, sondern auch fleischlich begehren und erobern möchte. Wie Jancar diese drei Schicksale zusammen- und wieder auseinanderführt, das ist kompositorisch mit jener Raffinesse getan, die wie selbstverständlich wirkt. „Katharina, der Pfau und der Jesuit” ist auch ein zu Herzen gehender Liebesroman, man wünschte es dieser um ihr Glück ringenden Katharina, diesen vor seinem Glück zaudernden Simon, sie würden jenes Paar werden können, das sie den Gesetzen ihrer Zeit gemäß niemals werden durften. Jancar bringt übrigens sogar das Kunststück zuwege, dass wir mit dem Offizier Windisch, dem Pfau, mitzuleiden beginnen, so dumm und grausam er auch durch sein Leben zu gehen – oder besser: zu reiten – pflegt.
Dieser Liebesroman und zugleich große historische Roman fasst eine These des Essayisten Jancar in eindrückliche Bilder: Dass es jenes Europa, das sich heute unter den Phantomschmerzen des Nationalismus zu konstituieren beginnt, einmal bereits gegeben hat. Die damaligen Europäer wussten wie die heutigen nicht allzu viel voneinander – die slowenischen Pilger gelten den Bayern als gefährliche Leute aus dem „Hungarland”– , aber vielfältig verwoben waren schon damals die Ökonomie und das Geistesleben, wie auch der Tod und die Liebe die europäischen Grenzen nicht anerkannten, sondern, grausam und selbstherrlich, alle Tage überschritten.KARL-MARKUS GAUSS
DRAGO JANCAR: Katharina, der Pfau und der Jesuit. Historischer Roman. Aus dem Slowenischen von Klaus Detlef Olof. Folio-Verlag, Bozen und Wien 2007. 472 Seiten, 24,90 Euro.
Krieg ist eine ansteckende Sache, so ansteckend wie die Cholera.
Ach, nach den Gesetzen ihrer Zeit dürfen sie ein Paar nicht werden.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
…mehr

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.07.2008

Halbgötter im Reich von Marschall Tito

Zwei Romane des Slowenen Drago Jancar: Der eine erzählt vom falschen Ton der Freiheit und dem Glauben an den neuen Menschen, der andere verhebt sich an einer alten Pilgergeschichte.

Laut Reiseführer "Lonely Planet" befindet sich "the hippest hostel in the world" in der slowenischen Hauptstadt Ljubljana und ist - darin besteht offenbar der Hip - ein von jungen Künstlern umgestaltetes ehemaliges Gefängnis, das, noch aus den Tagen der österreichisch-ungarischen Monarchie, bis zum Zerfall Jugoslawiens seinen traurigen Dienst tat. Heute vergnügt sich eine internationale Touristengemeinde in dem als "Space of Freedom" umbenannten Gemäuer; die Fenster sind aus atmosphärischen Gründen noch immer vergittert, die Rezeption ist von Uniformierten besetzt, Lenin hängt über dem Tresen, und Titos Geist spukt in den zu Hotelzimmern umfunktionierten Zellen. Vermutlich aber wird auch der bald vom Rauch der trendigen Wasserpfeifen und dem Klang der Jam Sessions vertrieben.

Drago Jancar, der bekannteste slowenische Autor der Gegenwart, wird zu dieser Art "reality tourism" seine eigene Meinung haben. Das Wort "hip" wird ihm beim Anblick eines Gefängnisses kaum über die Lippen kommen. Für seinen in der Mythen-Reihe des Berlin Verlages erschienenen Roman "Der Wandler der Welt", eine Parabel über die perfide Eigendynamik der kommunistischen Diktatur, konnte er auf eigene Erfahrungen mit der Unfreiheit zurückgreifen.

Als junger Autor wurde er 1974 wegen vermeintlicher Feindpropaganda in seiner Heimatstadt Maribor ausgerechnet in jenem Gefängnis inhaftiert, in dem schon sein Vater während der deutschen Okkupation festgehalten worden war. Jancar weiß um die "prämortale Angst" der Gefangenen und um die "stinkenden kalten Schweißtropfen des Todesgrauens". Er erinnert uns in einer Zeit, in der imperiale Nostalgie in Jugoslawien wieder Konjunktur hat, daran, dass unter Tito ganze Adriainseln zu Konzentrationslagern mutierten. Jancar erzählt den real existierenden Sozialismus der Tito-Ära als mythologisches Märchen, wofür Revolutionen und Diktaturen von Natur aus bestens prädestiniert sind, vor allem solche, in denen die revolutionären Väter die eigenen Kinder fressen. Zornige Götter, Helden, Opfer - der Kommunismus hatte von allem reichlich, friedliche Revolten muten dagegen an wie historische Weichspülgänge.

Der Baumeister Dädalus, wir erinnern uns, landet nach der griechischen Sage in ebenjenem Labyrinth, das er für König Minos auf Kreta entworfen hatte, um das Ungeheuer Minotaurus zu bezwingen. Dem Künstler Pavel Areh in Jancars Roman ergeht es ähnlich, nur dass er nicht mit selbstgebauten Flügeln zu entkommen vermag. Seine Lebensgeschichte berichtet er am Ende der "großen Zeit", wie es etwas pathetisch im Roman heißt, einem jüngeren Journalisten und Ich-Erzähler, der sie gewissermaßen als historisches Vermächtnis an eine Nachwelt übergibt. Die Erzählperspektive changiert zwischen diesen beiden Männern, und zuweilen ist nicht ganz klar, wer erzählt und wo sich die auktoriale Stimme einschaltet.

Pavel ist Bildhauer und Architekt, ein Freigeist, Don Juan und kommunistischer Patriot zugleich, der, wie viele aus seiner in den dreißiger Jahren geborenen Generation, daran geglaubt hatte, dass die Menschen den Himmel stürmen und die Götter auf die Erde stürzen würden. Von seinem Freund Marek, einem Kampfgefährten aus den Kindertagen der jugoslawischen Revolution, der nach dem Siegeszug des Marschalls ganz nach oben aufgestiegen war, erhielt er in den sechziger Jahren überraschend einen heiklen Auftrag: Er sollte ein Gefängnis am Berg entwerfen, das später, wenn sich auch der letzte Systemgegner gebeugt haben würde, in ein friedliches Sanatorium oder Sportzentrum umgewandelt werden könne. Die "Lonely Planet"-Version war damals noch keine Option.

Alles lief nach Plan, bis der poröse Gebirgsuntergrund nachgab. Pavel hatte wie seine Auftraggeber die natürlichen Gegebenheiten einfach missachtet, die Mahnungen des Ingenieurs überhört. Im Ergebnis landeten Ingenieur und Baumeister in ihrem Labyrinth, das sich aus der Perspektive der Gefangenen alles andere als komfortabel erwies, weil schallisolierte Wände keinen Kontakt zu Mitgefangenen und indirektes Licht keinen Sonnenstrahl zuließen. Als bissig-desillusionierter Großinquisitor und Diskussionspartner über revolutionäre Loyalität und Opportunismus tauchte Marek hin und wieder im Gefängnis auf, zum Schachspiel und um Pavel zu versichern, dass es sich bei seiner Verhaftung um keinen Zufall, sondern um die Gesetze der Macht handelte. Weder die vom Geheimdienst arrangierten Tête-à-têtes mit einer weiblichen Gefangenen seien ein Anlass gewesen, noch die Frage nach Schuld oder Unschuld bei den Baufehlern. Nach Jahren kam Pavel frei, arrangierte sich bescheiden im Beruf und mit einer neuen Muse an der Seite, ohne die große Wende des Jahres 1989 zu erleben.

Um Aufklärung über die Greuel der Tito-Diktatur geht es in diesem ebenso nachdenklichen wie spannenden Buch nur am Rande. Jancars Mythosbearbeitung ist vielmehr eine Hommage an jene, die an die aus heutiger Sicht geradezu irrwitzige Idee vom neuen Menschen geglaubt haben, an jene gerechten und zuweilen auch selbstgerechten Weltverbesserer, die "die Götter mit besonderer Blindheit" schlagen; sie ist aber auch ein Abgesang an die "Kolkraben von Pavels Sorte" und an die Großinquisitoren vom Schlage Mareks. Die Euphorie des historischen Neubeginns kontert der Autor mit Skepsis und einem gehörigen Schuss Fatalismus: Die Freiheit, so lässt er seinen Helden sinnieren, werde nie zu singen wissen, wie die Sklaven von ihr sagen.

Von der Freiheit träumt auch eine junge krainische Frau und begibt sich ganz gegen die Konvention mitten im achtzehnten Jahrhundert allein auf eine Pilgerreise, die sie über die Alpen bis nach Köln führen soll. Die Protagonistin aus Jancars historischem Roman "Katharina, der Pfau und der Jesuit" findet ihr Dasein als Tochter eines Gutsverwalters, für die sich kein geeigneter Freier finden will, wenig erbaulich. Der eitle Neffe des Gutsbesitzers Windisch, ein Pfau eben, will nicht anbeißen, und so hat sie kurz vor dem vierten Lebensjahrzehnt nichts, nicht einmal mehr die Unschuld, zu verlieren, die ihr ein anonymer nächtlicher Besucher nicht gerade gegen ihren Willen raubte. Am abendlichen Pilger-Feuer verliebt sie sich in dunkel umschattete Augen, die einem Jesuiten gehören, der von den jesuitischen Reduktionen in Paraguay, quasi einem Kirchenstaat, durch heranrückende Portugiesen vertrieben wurde. Ihn verfolgen nicht nur Erinnerungen an grausame Massaker, die einem Völkermord an den Guaraní-Indianern gleichkamen, sondern auch Zweifel am Glauben und an der eigenen Mission. Ihrer beider Liebe steht, wie man sich denken kann, unter keinem guten Stern. Sie ist nicht nur gegen das Gesetz der Kirche, sie gerät auch in die Wirren des Siebenjährigen Krieges, in dem Katharina zur Soldatenhure ebenjenes Windisch-Pfaus wird, der als Hauptmann im Dienst der österreichischen Armee steht. Am Ende kommt es im verwüsteten Süden Deutschlands zum Duell zwischen den ungleichen Rivalen, bei dem der Pfau, der nach einer ihn entstellenden Kriegsverletzung nur noch ein Schatten seiner selbst ist, kaum Chancen hat. Zum Happy End wird es freilich nicht kommen. Die Angst vor der Freiheit siegt über die Liebe. Aus den Fegefeuern des Lebens und der Geschichte wird allein Katharina aufrecht hervorgehen.

Diese mit allerlei süffisanten sexuellen Details gespickte Dreiecksgeschichte aus einer Zeit, in der alles Ständische und Stehende zu verdampfen begann und Europa sich in ein imperiales und industrielles Zeitalter aufmachte, hätte ein großartiger historischer Roman werden können. Jancar jedoch beschränkt sich auf fast fünfhundert Seiten vor allem auf die Dreiecksgeschichte, die sich so zäh dahinschleppt wie der Pilgerzug. Die Figuren bleiben darin holzschnittartig, die Szenerie ist blass. Am eindrucksvollsten lesen sich noch die Passagen über die Vertreibung der Jesuiten aus Paraguay. Für den großen Historienroman fehlt das Panorama, für das amouröse Kammerspiel mangelt es den Protagonisten an Fleisch und Blut. Das historische Inferno am Ende des Barock, Säkularisierung, ideologisch-klerikale Bigotterie, der Kampf mit dem hergebrachten Glauben und um das neue, selbstbestimmte Ich - das alles geht im ausladenden, aber eben nicht barocken Erzählen unter.

Jancars historisches Fazit mag pädagogisch und banal klingen, man kann es beliebig auf alle Epochen und Nationen übertragen; es könnte sogar im hippen Hostel an der Pinnwand stehen - falsch ist es deshalb nicht. "Wenn Halbgötter und Götter auf die Erde niedersteigen, gibt es neben Begeisterung immer auch Angst, Brennnesselsuppe und ein Messer in der Brust. Und für jeden eine Mauer im Gefängnis."

SABINE BERKING.

Drago Jancar: "Der Wandler der Welt". Der Mythos von Dädalus. Roman. Aus dem Slowenischen übersetzt von Klaus Detlef Olof. Berlin Verlag, Berlin 2007. 170 S., geb., 19,90 [Euro].

Drago Jancar: "Katharina, der Pfau und der Jesuit". Historischer Roman. Aus dem Slowenischen übersetzt von Klaus Detlef Olof. Folio Verlag, Wien und Bozen 2007. 470 S., geb., 24,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Enttäuscht ist Rezensentin Sabine Berking von diesem Roman des slowenischen Autors Drago Jancar. Sie sieht hier eine verpasste Gelegenheit, denn das Buch hätte ein "großartiger historischer Roman" werden können. Ist es zu ihren Bedauern aber nicht geworden. Berking macht dafür vor allem die Konzentration des Autors auf die Dreiecksgeschichte zwischen einer Frau auf Pilgerreise, einem Jesuiten und dem eitlen Neffen eines Gutsverwalters verantwortlich. Diese Geschichte findet sie ziemlich "zäh" und wenig mitreißend. Zudem kommen ihr die Figuren schablonenhaft und die Szenerie farblos vor. "Für den großen Historienroman fehlt das Panorama", urteilt sie, "für das amouröse Kammerspiel mangelt es den Protagonisten an Fleisch und Blut".

© Perlentaucher Medien GmbH