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Raoul Schrotts Logbuch einer faszinierenden Reise zum letzten weißen Flecken dieser Welt:Den letzten weißen Fleck im Atlas der Erde zu beschreiben, die höchstwahrscheinlich letzte noch unentdeckte Region dieser Welt zu bereisen - das ist hier keine literarische Fiktion.Zusammen mit einer wissenschaftlichen Expedition hat Raoul Schrott sich in diesen entlegensten aller Orte im Länderdreieck von Tschad, Sudan und Libyen aufgemacht. Bei Haymon hat er das Logbuch dieser Reise vorgelegt, die von der Millionenstadt N'Djamena über das Ennedi, 'eine der schönsten Landschaften dieser Erde' in das…mehr

Produktbeschreibung
Raoul Schrotts Logbuch einer faszinierenden Reise zum letzten weißen Flecken dieser Welt:Den letzten weißen Fleck im Atlas der Erde zu beschreiben, die höchstwahrscheinlich letzte noch unentdeckte Region dieser Welt zu bereisen - das ist hier keine literarische Fiktion.Zusammen mit einer wissenschaftlichen Expedition hat Raoul Schrott sich in diesen entlegensten aller Orte im Länderdreieck von Tschad, Sudan und Libyen aufgemacht. Bei Haymon hat er das Logbuch dieser Reise vorgelegt, die von der Millionenstadt N'Djamena über das Ennedi, 'eine der schönsten Landschaften dieser Erde' in das 'Feindland' der Erdis führte und schließlich zum 'letzten Außenposten der Zivilisation vor dem Nichts': dem verlassenen Fremdenlegionärsfort Agoza.Es ist dies ein Bericht über unvorstellbare Armut, humanitäre Katastrophen und politische Putschversuche, den ungleichen Handel zwischen Europa und Afrika - aber auch die Erzählung einer Reise ins Nirgendwo, zu einer Mitte der Welt und zum eigenen Selbst.Durch Fotos und Abbildungen erweitert, ist "Die Fünfte Welt" ein poetisches Dokument über die Rätselhaftigkeit alles Entlegenen.
Autorenporträt
Raoul Schrott, Jg. 1964, studierte Literatur und Sprachwissenschaft in Innsbruck, Norwich, Paris und Berlin. Er lebt in Innsbruck und Seillans (Provence). Für sein Werk wurde er bereits mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 16.02.2007

Wo die Leere am leersten ist
Kurz vor dem Nichts, sehr erhaben und staubig: Raoul Schrott entdeckt endlich den letzten weißen Fleck der Erde
Immerhin – jetzt wissen wir endlich, wo der allerletzte weiße Fleck der Geographie liegt. Nein, wo er lag, bis Raoul Schrott kam, sah und ihn beschrieb. Wobei die schüttere Stelle im Dreiländereck zwischen Tschad, Sudan und Libyen laut Haymon-Verlag nicht nur „die letzte noch unerforschte Region der Erde” sondern auch „der faszinierendste und entlegenste aller Orte” ist, was in seiner Rekordsucht dermaßen präpotent klingt, dass man das Buch fast schon wieder zumachen möchte. Beziehungsweise den Klappentexter für einige Wochen an den allerunerforschtesten aller Orte, zur Hölle nämlich wünschen möchte.
Aber das wäre ungerecht, ist es doch Raoul Schrott selber, der in seinem neuen Buch „Die fünfte Welt. Ein Logbuch” dieses guinessmäßige, rekordsüchtige Raunen anstimmt. Die Reise beginnt in N’Djamena, der Hauptstadt des Tschad, den Schrott als „ärmstes Land der Welt” bezeichnet, was durch keine der einschlägigen Statistiken gedeckt wird. Von dort aus fährt er mit einer Expedition über das Ennedi-Gebirge – „die staubigste Gegend dieser Erde”, zugleich einige Seiten später „eine der schönsten Landschaften dieser Erde”, irgendwie aber auch „das trockenste Gebiet der Erde” – in den „unzugänglichsten Teil der Sahara”, wo er ganz am Ende dann vor dem „letzten Außenposten der Zivilisation vor dem Nichts” steht.
Warum nur geriert sich Raoul Schrott immer wieder als Reinhold Messner der Literatur, der als Erster, als Mutigster, als Allereinzigster extreme Gefilde durchstreift, seien es Wüsten, randständige Sprachen oder die tiefste Vergangenheit der Literatur, um uns gebügelten Büromonaden und Kleinstschicksalen von dort seine Beute mitzubringen? Und warum nur paart sich mit seiner eigentlich ja beeindruckenden, lustvoll unersättlichen Weltneugier und seinem omniphagen Wirklichkeitshunger immer wieder ein Hochmut, der einem den Atem verschlagen kann? In einer „Rede an die Abiturienten des Jahrgangs 2004” beschimpft er diese als verachtenswert kleine Schlümpfe und Konsumkaninchen: „Kein Wunder, dass ihr ausseht wie geklont.” Der gesamten Jugend stellt er in dieser Philippika sich selber als radikalen Einzelgänger gegenüber, der sich rauswagt aus dem üblichen Kokon aus Fernsehen, Societyunsinn und sonstiger Seinsvergessenheit, raus in die Wüste und in die Existenznot, in der der Mensch erst zu sich finden kann. Im leeren Raum der Wüste werde erst deutlich, dass jede Kultur, jede Behauptung von Sinn ein trotziges Konstrukt im Leeren ist. „Da das Leben absurd ist, besteht aller Stolz darin, sich dagegen aufzulehnen. Es bedeutet für mich, so zu leben, dass wenn mir ein Dachziegel auf den Kopf fiele, ich mein Leben bis zu diesem Augenblick in aller Fülle gelebt hätte.”
Diese Fülle sucht Schrott immer wieder in der Leere. Schon die Titel vieler seiner Bücher, – „Finis Terrae”, „Die Wüste Lop Nor”, „Khamsin” – deuten seine poetologische Hoffnung an, dass sich hinter den Grenzen der Zivilisation, an den Rändern des Planeten und allen Seins das eigene Leben geradezu mystisch intensiviere. Der Montblanc, so Schrott in „Tropen – Über das Erhabene”, rufe heute kaum noch Ehrfurcht hervor, selbst auf den Parnass führe eine Seilbahn. „Das Erhabene finde ich in der Leere und den Grundlagen unseres Weltbildes”.
Die Leere also. Der Nordosten des Tschad, das zerklüftete Erdi-Ma-Plateau. Zusammen mit einem ZDF-Team schließt sich Schrott einer Expedition des Geographen und Klimaexperten Stefan Kröpelin an, der untersuchen will, welche Rolle diese Gegend während der letzten zwölftausend Jahre klima- und vergetationsgeschichtlich gespielt hat. Gab und gibt es hier vielleicht sogar heute noch Wasser? Sind Spuren alter Siedlungen zu finden?
Gehaltszulage in der Wüste
Der Tross bleibt anfangs liegen in dem Städtchen Abeche, einem Basislager für „Entwicklungshelfer der unterschiedlichsten Couleurs”, die sich von hier aus um die Flüchtlinge der Darfurregion kümmern. Schrott bietet die Pause willkommenen Anlass, endlich einmal klarzustellen, „dass die in allen Zeitungen stehenden Meldungen eines Genozids vor allem eins sind: Kolportage.” Als solche enttarnt er kurz darauf auch die Arbeit des ZDF-Teams. Vorher aber muss er, der selbst nur als nomadischer Abenteuertripper durch diese Stadt zieht, alle hier längerfristig stationierten Entwicklungshelfer, Missionare, Ethnologen noch als komfortverwöhnt, arrogant und ignorant abbürsten: „Nächstenliebe als institutionelles Projekt samt Gehaltszulage und Pensionsanspruch? Oder nur das Quentchen Abenteuerlust, aber ohne die Fähigkeit, sich außerhalb unserer zuvilisatorischen Koordinaten bewegen zu können? Von einem selbstlosen Interesse, das nicht nur eine Moral abarbeiten will, sondern sich enthusiastisch für etwas begeistern zu vermag, ist jedenfalls nichts zu spüren.” Ah, Schriftsteller müsste man sein, wie unbestechlich man dann doch alles zu durchschauen vermag!
Schrotts ästhetisches Problem ist oft, dass ihm, ähnlich penetrant wie einem Hochzeitspaar die blechernen Dosen, der ganze abendländische Bildungskanon so laut hinterherklonkert, dass die Schönheit einzelner Bilder im gelehrten Geschepper untergeht. In der wüsten Leere des Erdi Ma fällt all das übertourige Zuviel endlich ab von seinem Schreiben, die 30 Seiten im Zentrum der Sahara sind zugleich prägnantes Expeditionsnotat und Tagebuch, das um eine leere Mitte kreist, Stundenbuch eines atheistischen Mystikers und spannender Reisebericht.
Erdi Ma – Land der Feinde. Einst ein Rückzugsgebiet für Räuberbanden, die die Oasen westlich des Nils überfielen. Sicheldünen, jede einzelne 200 000 Tonnen schwer, die Jahr für Jahr ein paar Meter weiterwandern. Windverwitterte Felsformationen. Und hier und da Spuren: Ein winziger Steinkreis inmitten des allesverschlingenden Sandes; Einkerbungen an Felsecken, Tierzeichnungen – all diesen Relikten wächst durch die sonstige Leere etwas ergreifend Nichtiges und Rätselhaftes zu. „Von ihnen ist ebensowenig zu sagen, ob sie Jahrtausende alt oder von heute sind: die Wüste ist ein Palimpsest von Spuren, abgeschabt vom Wind.”
Ähnlich Goethe besichtigt und beschreibt Schrott die Welt in seinen Texten auffällig oft von oben: Er ist gern auf heiligen Inseln und Bergen unterwegs oder betrachtet das Meer durch die Fenster eines Hauses hoch über der irischen Atlantikküste. In seinem Gedichtband „Weißbuch” findet sich eine dazu passende Definition des Heiligen: „Das Heilige führt vor Augen, was der Photografie fehlt: nämlich das panoramische Gefühl, mitten in einer Landschaft zu stehen.” Überwältigt zu werden von der endlosen Weite ist geradezu das poetologische Projekt dieser Reise. Im Erdi Ma verliert sich Schrotts Blick immer wieder am Horizont, im Blau des Himmels, in der Ferne.
Am Ende finden sie die Reste von Agoza, einem Fort der französischen Fremdenlegion, 1934 eilig errichtet, aus Angst vor Mussolinis Expansionsplänen, sofort von der Wüste angenagt und nach nur einem Jahr wieder verlassen. Seither strahlen die Steine stumm in der 70 Grad heißen Sonne. Und wissen nun, die glücklichen Steine, dass einer kam, ein Dichter, ein mutiger Augenblicksfüller, und uns von ihnen sprach, als weltweit Allererster. ALEX RÜHLE
RAOUL SCHROTT: Die fünfte Welt. Ein Logbuch. Haymon Verlag, Wien 2007. 128 Seiten, 17,90 Euro.
Raoul Schrott, einmal mehr an den Rändern der Sprache, der Geschichte und der Geographie stehend Foto: Hans Jakobi
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.06.2007

Und was jetzt?
Raoul Schrotts Menschheitsdienst: Der letzte weiße Fleck ist weg

Den letzten weißen Flecken der Erde hat weder Roald Amundsen oder Sven Hedin, auch nicht Reinhold Messner oder irgendein furchtloser Kopfjägerforscher, sondern kein anderer als der rastlose Reisepoet Raoul Schrott von der Weltkarte getilgt. Das Fleckchen liegt im Grenzgebiet von Tschad, Sudan und Libyen, ist eine trostlose Wüstenei und wurde aus gutem Grund von der Menschheit bisher links liegengelassen. Dann kam Schrott. Seine Expedition, über die er ein Tagebuch verfasst hat, beginnt in Tschads Hauptstadt N'Djamena, und das gar nicht mal so schlecht. Mit sparsamen Strichen zeichnet er das Bild eines Dreckslochs voller staubiger Hütten, trauriger Huren und rettungslos verlorener Expatriierter an der Endstation ihrer Existenz. Da will man schnell weg, und der Dichter macht es in großer Gesellschaft: Seine Reisegruppe besteht aus Wissenschaftlern und Fernsehleuten in Fußballmannschaftsgröße, an Bord der fünf gepflegten Jeeps sind auch Küchenhilfe, Chauffeur und ausreichend Whisky samt Limettensaft - das klingt eher nach Abenteuerurlaub als nach Lebensabenteuer, was Schrott allerdings nicht daran hindert, sich als eine Art Reinkarnation von Henry Morton Stanley zu stilisieren.

Wie ein Tourist benimmt sich der Aushilfsforscher auch in den nächsten Tagen. Er kommt in ein Dorf, das schon ziemlich nah am weißen Flecken liegt, und wird von bettelnden Kindern umringt, was gar nicht gut für sein empfindsames Gemüt ist: ",Gib mir ein Geschenk! Gib mir ein Geschenk!' Ich bin's schon so leid, dass ich zurückfrage: Warum?" Und dann begeht er den Klassiker unter den touristischen Kardinalfehlern: Er holt Kugelschreiber hervor und verteilt sie unter den Kindern, damit sie es beim nächsten Besucher garantiert wieder mit der Bettelei versuchen. Überhaupt herrscht ziemlich viel Betrieb in der Gegend. Die Expedition stößt ständig auf Reifenspuren, sogar auf Fahrrinnen im Sand, denn das angeblich unberührte Gebiet durchstreiften schon Karawanen und französische Kolonisatoren, während sich heute dort gerne tschadische Rebellen und allerhand andere Guerrilleros verstecken. An Schrotts Attitüde des Weltenentdeckers ändern solche beiläufigen Entdeckungen freilich nichts. Er hält trotzig an seiner Illusion fest und schreibt ein paar Seiten später: "Niemand ist vor mir hier je gegangen, denke ich." Denkste!

Das alles und selbst die langweiligen Schwarzweißfotos in Schülerzeitungsqualität könnte man als hübsche Autosuggestion ertragen, wenn Schrott sie mit Selbstironie betriebe und nicht mit dem pathetischen Ton der Arroganz. Ihren Gipfel erreicht sie bei einem Zwischenstopp in einer Kleinstadt nahe Darfur. Schrott plaudert mit Entwicklungshelfern, beschimpft sie dann als raffgierige Spendengelderverprasser und stellt den Genozid en passant in Frage, ohne auch nur einen Beweis zu nennen: Kein einziges Foto dokumentiere ihn, die Hunderttausenden Toten seien reine Spekulation, und überhaupt überfordere die Komplexität des Konfliktes die Vorstellungskraft der Europäer - keine schlechte Ausbeute an endgültiger Erkenntnis für einen Durchreisenden.

Schrotts große Fahrt zum ziemlich fleckigen letzten weißen Flecken der Erde endet unspektakulär. Großartige Neuigkeiten hat er für die Nachwelt nicht im Gepäck, sonderlich spannend war es auch nicht, und ein letzter Versuch der Dramatisierung klingt fast schon nach Verzweiflung: "Die Vorfallslosigkeit der Reise hat uns ein Gefühl von Sicherheit gegeben, das täuscht." Dann fährt Schrott heim. Was macht er jetzt bloß, da alles getan ist?

JAKOB STROBEL Y SERRA

Raoul Schrott: "Die fünfte Welt. Ein Logbuch". Haymon Verlag, Innsbruck 2007. 128 S., geb., 17,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Alex Rühle weiß nicht, soll er sich ärgern oder soll er lachen. Raoul Schrotts Reisebericht vom "allerletzten weißen Fleck" der Erde provoziert bei ihm zumindest die Frage, warum dieser Autor eigentlich so penetrant den Hochmut schultern und sich als "Reinhold Messner der Literatur" aufführen muss. Schrotts "rekordsüchtiges Raunen" von den Rändern der Zivilisation findet er, genau wie seine Einschätzungen über Entwicklungshilfe und Darfur (nach der "Meldungen eines Genozids vor allem eins sind: Kolportage"), eher abstoßend. Dennoch kämpft sich Rühle tapfer durch den bildungshubernden Text hin zu einer kleinen Oase: "30 Seiten im Zentrum der Sahara", die er als "prägnantes Expeditionsnotat" durchgehen lässt.

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