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Die feine Küche hat stets die Politik begleitet und war hierbei nicht nur Beiwerk, sondern auch eng mit ihr verknüpft. Im Mittelpunkt der Betrachtungen steht eine Fülle unterschiedlicher Fragestellungen, welche beispielsweise folgende Aspekte des Themas "Politik und Kulinarik" umfassen: Was haben Speiserituale mit Diplomatie und Politik zu tun? Wie entstand die eine oder andere Nationalküche? Welche Schlussfolgerungen lassen sich aus den Ess- und Trinkgewohnheiten einer historischen Persönlichkeit im Bezug auf ihr politisches Handeln ableiten? Was verbirgt sich hinter einer "politisch…mehr

Produktbeschreibung
Die feine Küche hat stets die Politik begleitet und war hierbei nicht nur Beiwerk, sondern auch eng mit ihr verknüpft. Im Mittelpunkt der Betrachtungen steht eine Fülle unterschiedlicher Fragestellungen, welche beispielsweise folgende Aspekte des Themas "Politik und Kulinarik" umfassen: Was haben Speiserituale mit Diplomatie und Politik zu tun? Wie entstand die eine oder andere Nationalküche? Welche Schlussfolgerungen lassen sich aus den Ess- und Trinkgewohnheiten einer historischen Persönlichkeit im Bezug auf ihr politisches Handeln ableiten? Was verbirgt sich hinter einer "politisch korrekten" Speiseeinnahme? Die Festschrift zum 65. Geburtstag von Professor Jakob Rösel ist nach einer Reihe umfassender und allgemeiner Beiträge, die auch als übergeordnete Einführung zum Themenkomplex dienen, geographisch gegliedert und betrachtet nacheinander Fallbeispiele aus Südasien, Europa, den Nahen Osten, Nordamerika und schließlich Afrika. Die Vielzahl der Themen bietet eine interessante und abwechslungsreiche Lektüre.Mit Beiträgen von: Dieter Oberndörfer, Georg Pfeffer, Harry Falk, Christian Wagner, Yves Bizeul, Nikolaus Werz, Klaus Hock, Hans-Uwe Lammel, Daniel Marc Segesser, Uwe Skoda u. a.
Autorenporträt
Dr. Ludmila Lutz-Auras wurde an der Universität Rostock promoviert und ist dort als wissenschaftliche Assistentin am Institut für Politik- und Verwaltungswissenschaften tätig.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Nadia Pantel weiß um die Beliebigkeit der Beiträge in Festschriften. Daher stört sie sich nicht weiter daran, dass in diesem Sammelband zu Ehren des Politikwissenschaftlers Jakob Rösel eher ein Mix aus Anekdoten zur Kulinarik zu finden ist, denn eine stringente Geschichte der Kulinarik. Hilfreich bei der milden Beurteilung des Bandes scheint für Pantel der Verzicht auf das übliche Essensvokabular zu sein (kein Schnabulieren, kein Naschen etc.) und der Informationswert von Beiträgen, die etwa die ideologische Dimension von Lieblingsgerichten auslotet, so bei der Frage, warum de Gaulle gerne Blutsuppe aß, Chirac fettes Fleisch und Sarkozy am liebsten Fastfood. Ausflüge in die Geschichte von Nationalgerichten und zu Hummus-Konflikten und Harttrinkern bei Hofe findet die Rezensentin ebenso lehrreich wie unterhaltsam.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 31.12.2013

Essen
ist Macht
Wer isst was? Wer darf welche Gerichte kochen?
Die Geschichte der Kulinarik aus politischer Sicht
VON NADIA PANTEL
Aller Streit und alle Sorgen sind vergessen, wenn die Familie zum gemeinsamen Essen zusammenkommt. Einfach den großen Holztisch freiräumen, den Kindern nette Kleidchen überstreifen, Roggenbrot und Äpfel zum Stillleben arrangieren: Essen erzeugt Gemeinschaft, Wärme, Zusammengehörigkeit. Wenigstens dann, wenn Jörg Pilawa für Teewurst wirbt. Oder wenn der Prototyp der italienischen Mamma beseelt lächelnd ein kariertes Tischtuch ausbreitet, um eine aus Trockenpulver angerührte Spaghetti-Soße zu kredenzen.
  Jenseits der Werbepause ist Essen jedoch nicht nur der Kitt der Klein- und Großfamilie, sondern eine politische Handlung. So waren die Gelage am Hof Ludwigs des Sechzehnten bei aller Ausgelassenheit weniger eine gesellige Veranstaltung, denn eine Machtdemonstration. Der königliche Finanzminister kam ins Gefängnis, nachdem er es gewagt hatte, den Sonnenkönig auf ein allzu pompöses Festmahl einzuladen. Dekadenz zu Tisch war ein Herrschaftssymbol, das in seiner höchsten Form dem König vorbehalten war. Während die Gäste aus silbernen Schalen aßen, aß Ludwig aus einer goldenen.
  Wie ordnen Ernährungsvorschriften eine Gesellschaft? Wie nutzen Eliten Mahlzeiten, um ihre Privilegien zu inszenieren? Wie wird über Essen eine politische Identität erschaffen? Wie spiegeln sich politische Entwicklungen in den Essgewohnheiten?
  Antworten auf all diese Fragen und „eine kurze Kulturgeschichte der Kulinarik“ verspricht die Aufsatzsammlung „Aus dem politischen Küchenkabinett“, die als Festschrift zum 65. Geburtstag des Politikwissenschaftlers Jakob Rösel herausgegeben wurde. Tatsächlich handelt es sich eher um Kulinarik-Geschichten denn um eine Geschichte der Kulinarik. Zwar behandelt der Band „gastrosophische Phänomene“ von der Antike bis heute, allerdings entsteht dabei kein historischer Überblick, sondern eher ein wilder Mix globaler Ess-Beobachtungen.
  Wie bei Festschriften üblich, sind die Aufsätze etwas beliebig zusammengestellt. So kommt es, dass gefühlt jeder fünfte Text früher oder später zu der Schlussfolgerung gelangt: „Man ist, was man isst.“ Doch immerhin fehlt dem Buch das sonstige Repertoire der gruseligen Essensvokabeln: hier wird nicht schnabuliert, genascht, geschlemmt oder sich was Leckeres gegönnt. Stattdessen wird der Brühwürfel mit Schafsgeschmack zur kulinarischen Essenz des postkolonialen Westafrikas erklärt. An überraschenden Anekdoten mangelt es nicht und auch nicht an der klugen Einordnung des bereits Bekannten.
  Gerhard Schröder mag Currywurst. Soweit, so normal? Viel eher zu normal, um zufällig zu sein. Der Professor für politische Ideengeschichte Yves Bizeul untersucht in seinem Aufsatz „Gustatorische Symbole in der Politik“ die ideologische Dimension der Lieblingsspeisen französischer Politiker. Charles de Gaulle aß gerne Blutsuppe: Solidarität mit dem an Unterernährung leidenden Nachkriegsfrankreich. Georges Pompidu schwärmte für gefüllten Kohl: Bewusstes Bekenntnis zu seiner kleinbürgerlichen Herkunft. Jacques Chirac mochte am Liebsten fettes Fleisch mit Soße: Inszenierung als Lebemann. Nicolas Sarkozy bevorzugte Fastfood: Die übers Essen ausgedrückte Behauptung, ein Mann der Tat zu sein, ohne Zeit für Müßiggang. Mit Carla Brunis Einzug im Elysee stieg Sarkozy auf Bio-Essen um.
  Dass es bei Essen um weit mehr als persönliche Vorlieben und Kalorienzufuhr geht, illustrieren auch die Aufsätze, die sich mit der Entstehung von Nationalgerichten beschäftigen. Andreas Baumer beschreibt in „Nationalismus und Küche im Baskenland“ wie die Basken ihre regionale Küche populär machen, um sich nicht nur politisch, sondern auch kulturell von Madrid abzugrenzen. Der Bacalau al pil pil , Stockfisch mit Knoblauch und Olivenöl, ist für die baskische Autonomiebewegung Sinnbild des Unabhängigkeitskampfes: schließlich sei das Rezept in Bilbao entstanden, als die Basken 1835 mehrere Monate lang von den Carlisten belagert wurden.
  Doch nicht immer gelingt es, ein beliebtes Gericht so nahtlos in eine Nationalgeschichte zu integrieren. Die politische Realität dafür halt oft zu unübersichtlich. Der libanesisch-israelisch Hummus-Konflikt bietet dafür ein illustres Beispiel. Vordergründig geht es bei dem Streit um die Frage, wem es gelingt, mit der weltgrößten Portion Kichererbsenbrei ins Guinessbuch der Rekorde eingetragen zu werden. Angefangen hatte damit der israelische Hummus-Hersteller Sabra, der 2006 in New York eine Schale mit 3,5 Metern Umfang mit Hummus füllte. 2009 konterten libanesische Köche mit einem 1350 Kilo schweren Hummus. Während das Guinessbuch die Werte notierte, wurde die libanesische Nationalhymne gespielt. Die israelische Antwort folgte 2010: 4000 Kilo Kichererbsen. Den aktuellen Rekord halten die Libanesen mit einem Hummus, das über 10000 Kilogramm wiegt. Wie jede Guiness-Geschichte, hat auch das Wettrennen um das Riesen-Hummus eine erfreuliche Albernheit. Doch tatsächlich steht hinter dem kulinarische Wettstreit das Ringen um kulturelle Identität. Der israelische Versuch, das Hummus zu annektieren, sei genauso zu bewerten wie das Annektieren von Land, heißt es aus dem Libanon. Hummus sei eine arabische Spezialität, keine israelische.
  Der Politologe Thomas Prenzel kommt zu dem Schluss, dass gerade in Zeiten einer globalisierten Esskultur, die regionale Verortung von Rezepten wichtiger wird. Der Kampf um Hummus werde besonders von arabischen und israelischen Migranten in der Diaspora geführt, schließlich gehe es „um die Bewahrung eines exklusiven Stücks Heimat in der Fremde“.
  Von den verschiedenen Aspekten der Politisierung von Essen abgesehen, hat die Politik auch immer wieder aktiv Einfluss auf dass Essverhalten der Bevölkerung genommen – und das weit über den Vorschlag eines „Veggiedays“ hinaus. So engagierte Peter der Große sich nicht nur für die technische Verbesserung der Schnapsbrennerei in Russland, er sorgte auch dafür, dass in Sankt Petersburg jeder Maurer, Soldat oder Werftarbeiter täglich einen Becher sogenannten „Zarenmadeira“ spendiert bekam. Die Begeisterung des Zaren für den Alkoholrausch ging soweit, dass er das
„Allernärrischste, alltrunkenste und wahnwitzigste Konzil“ gründete. Die Politikwissenschaftlerin Ludmila Lutz-Auras beschreibt das Konzil als ein „halboffizielles Machtorgan“, in dem der Zar eine feierfreudige Runde um sich versammelte. Frauen waren im Konzil sowohl an den Diskussionen, wie auch an den Trinkorgien gleichberechtigt beteiligt. Der Sinn des Konzils habe sich jedoch „weder seinen Mitbürgern noch den heutigen Historikern eingehend erschlossen“.
  Leichter zu entschlüsseln ist dagegen die Einführung von „strenui potatores“, sprich: Harttrinkern, bei diplomatischen Empfängen. Die Aufgabe der Harttrinker war es, die ausländischen Gesandten so betrunken zu machen, dass sie zwischen vertraulichen Informationen und angemessen Smalltalk-Themen nicht mehr klar unterscheiden konnten. Während die pilawadeske Teewurst-Tafel jegliche Konfliktdimension von Essen verschweigt, verschweigt alle Champagnerwerbung diesen eigentlichen Hauptzweck gemeinsamen Alkoholkonsums: Entgrenzung.
Ludmilla Lutz-Auras, Pierre Gottschlich (Hrsg.): Aus dem politischen Küchenkabinett. Eine kurze Kulturgeschichte der Kulinarik. Festschrift zum 65. Geburtstag von Professor Jakob Rösel. Nomos Verlagsgesellschaft, 2013. 373 Seiten, 74 Euro.
Politik geht durch den Magen.
Der israelisch-libanesische
Hummus-Konflikt bezeugt es
Ähnlich wie dieser Koch kehrte Ludwig XIV mit eisernem Besen, wenn ein Untertan ihn zu einem opulenten Gelage einlud, wie es nur dem Sonnenkönig zustand. Wer sich dazu entfrechte, wurde auf Eis gelegt: Er kam ins Gefängnis. Zeichnung: Ernst Kahl
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