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In New York begibt sich ein junger Ukrainer in die Psychoanalyse, er will endlich seine Biografie aufarbeiten. Am Anfang des letzten Jahrhunderts starb er auf einem Schlachtfeld in Europa - nur um kurz darauf als Vampir wiederaufzuerstehen. Ein Zustand, mit dem er sich nie anfreunden konnte, der ihm zuwider war, der ihn von seiner großen Liebe entfernte und der neben dem ungemütlichen Blutsaugen auch noch andere Unannehmlichkeiten mit sich brachte. Der so höfliche, wohlerzogene Mann verliebt sich nun hundert Jahre später in seine Therapeutin. Beiden ist nicht bewusst, wie verwoben ihre Geschichten sind und in welcher Gefahr sie schweben.…mehr

Produktbeschreibung
In New York begibt sich ein junger Ukrainer in die Psychoanalyse, er will endlich seine Biografie aufarbeiten. Am Anfang des letzten Jahrhunderts starb er auf einem Schlachtfeld in Europa - nur um kurz darauf als Vampir wiederaufzuerstehen. Ein Zustand, mit dem er sich nie anfreunden konnte, der ihm zuwider war, der ihn von seiner großen Liebe entfernte und der neben dem ungemütlichen Blutsaugen auch noch andere Unannehmlichkeiten mit sich brachte. Der so höfliche, wohlerzogene Mann verliebt sich nun hundert Jahre später in seine Therapeutin. Beiden ist nicht bewusst, wie verwoben ihre Geschichten sind und in welcher Gefahr sie schweben.
Autorenporträt
Thomas Brovot lebt als Übersetzer (u.a. Reinaldo Arenas, Juan Goytisolo, Federico Garcia Lorca) in Berlin.

Joann Sfar, geb. 1971 in Nizza, zählt zu den wichtigsten Autoren der französischen Comic-Szene. Neben zahlreichen internationalen Preisen erhielt er 2004 den Max-und-Moritz-Preis des Comic-Salons Erlangen als bester internationaler Szenarist .
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.03.2015

Die Unschuld vom Grabe

Joann Sfar ist einer der bedeutendsten Comiczeichner der Welt. Jetzt hat er einen Roman geschrieben: "Der Ewige". Aber kann er sein eigenes Niveau halten?

Von Andreas Platthaus

Als Joann Sfar mit Anfang zwanzig aus Nizza nach Paris kam, hatte er ein paar Seiten eines eigenen Comics im Gepäck: "Le Pays des Fantômes" (Das Land der Phantome). Der Comic ist nie fertiggestellt worden, doch er verschaffte dem 1971 geborenen Sfar das Entree in einen Kreis anderer junger Zeichner, die gemeinsam Epoche machen sollten: Lewis Trondheim, David B. und Jean-Christophe Menu. Mit ihrer zwischen Phantastik und Autobiographie changierenden Erzählweise, die zahllose Anspielungen auf Literatur und Geistesgeschichte enthält, krempelten sie den europäischen Comic um. Und keiner war dabei eifriger als Sfar.

Keiner erwies sich auch als vielseitiger. Sfar zeichnete Kinderbücher, drehte Real- und Trickfilme, betätigte sich als Karikaturist und Kolumnist für bedeutende französische Publikationen. Kaum verwunderlich, dass er 2013 auch als Schriftsteller debütierte: mit dem Roman "L'Éternel". Jetzt ist er auf Deutsch erschienen.

"Der Ewige" besteht aus zwei Teilen, deren erster "Das Land der Phantome" heißt. Ist das die vor langer Zeit als Comic aufgegebene Geschichte, jetzt nur ohne Bilder? Nein. Zwar war auch Fernand, der Comic-Vampir, ähnlich traumatisiert wie Jonas, sein Romannachfolger, aber die Prosaerzählung ist komplexer als das frühere Fragment, das sich darin erschöpfte, dass ein schüchterner Vampir sich weigerte, Menschenblut zu trinken.

Der Roman beginnt im Jahr 1917 in der Ukraine bei Odessa. Jonas und sein Bruder Kain sind jüdische Offiziere im Weltkriegsheer des Zaren. Die Revolution kündigt sich an, und die Angst vor den Deutschen ist gewaltig. Tatsächlich wird die Einheit der Brüder angegriffen und samt etlichen Zivilisten hingemetzelt. Auf Seite 26 ist Jonas tot. Doch 24 Seiten später verlässt er das Massengrab als Vampir: "Die Toten kehren auf die Erde zurück, wenn man ihnen das Herz bricht." So ist es geschehen, denn Kain war dem Massaker entkommen und hat die Verlobte seines Bruders zur Frau genommen. Der macht sich auf, das zu rächen: "Er hatte den Wind im Gesicht und kein einziges Haar mehr auf dem Schädel. Sie hatten sich im Schlaf abgelöst. Bei jeder Luftbewegung vibrierten seine membranartigen Ohren."

Jonas ist nicht das einzige Kriegsopfer, das fortan umgeht und dabei eine Blutspur hinterlässt. Aber er ist der Einzige, der davor die Augen verschließt. Ob das wirkliche Unkenntnis oder gnädiger Selbstbetrug ist, lässt Sfar offen. Genauso, ob Jonas' schwärmerische Liebe zu lebenden Frauen nur deshalb nicht vollzogen wird, weil der Vampir so schüchtern ist, wie er sich gibt, oder einfach nur zynisch.

Konträr zu dieser Unschuld vom Grabe entfesselt Sfar vor dem Hintergrund des Ersten Weltkriegs und russischer Pogrome ein Panoptikum des Schreckens, in dem die Untoten entscheidend mitwüten. Diese Mischung aus Splatter-Ästhetik und jüdisch-osteuropäischer Kulturgeschichte kennt man aus der Comicserie "Klezmer", die Sfar im vergangenen Jahr abgeschlossen hat, kurz nach Erscheinen von "L'Éternel". Doch gezeichnet ist das ständig neu einsetzende Meucheln leichter zu akzeptieren als geschrieben. Das Gleiche gilt für die zahlreichen Sexszenen. Das, was man für anschaulicher halten sollte, erlaubt eine viel größere Distanz als das geschriebene Wort. Die pygophile Neigung Sfars wirkt in seinen Comicbildern satirisch, als Prosa dagegen penetrant.

Doch ein Roman muss ja nicht in Auseinandersetzung mit anderen Erzählformen bestehen, sondern für sich. Tut das "Der Ewige"? In der zweiten Hälfte eher. Da springt Sfar ins Amerika der unmittelbaren Gegenwart. Um mit seiner eigenen vampiresken Verstörtheit klarzukommen, sucht Jonas sich in Brooklyn eine Psychoanalytikerin und gerät an die junge Rebecka Streisand, die als Mädchen die Ukraine verlassen hat und gerade durch den Suizid ihres Mannes zur Witwe geworden ist. Zudem gleicht sie der ehemaligen Verlobten von Jonas. So weit, so bemüht.

Was Sfar jedoch in der Folge mit dem ihm biographisch fremden Amerika anstellt, ist ungleich witziger als das Bloodlands-Szenario der Ukraine, wo mütterlicherseits die familiären Wurzeln Sfars liegen. Zumal im zweiten Teil ein weiterer Protagonist eingeführt wird: der Horrorschriftsteller H. P. Lovecraft, der als Romanfigur 1937 den eigenen Tod simuliert hat, um okkulten Sekten zu entkommen. Misanthrop im Allgemeinen und misogyn im Besonderen, fertigt er die hilfesuchende Rebecka ab: "Gehen Sie! Und nehmen Sie Ihre Vorderbeine mit, die Sie so hektisch vor Ihrem lumineszenten Hirn schwenken! Gehen Sie, oder ich rufe den Zorn des Nyarlathohep über Sie, denn ich bin sein Prophet! Nehmen Sie ihre schleimige Frischmilch und Ihre ungeborenen Lakaien von meiner Pforte!"

Leider sind es nur zwei Kapitel, in denen Lovecraft derart zu Wort kommt, und zum Ende hin verliert sich der Roman in einer sinnlosen Reise, die Rebecka an die Côte d'Azur führt - ein weiterer autobiographischer Schauplatz für Sfar. Immer dann, wenn er dem eigenen Leben zu nahe kommt, verfällt er in Klischees, und es ist abermals bemerkenswert, dass das in seinen Comics zwar genauso ist - "Die Katze des Rabbiners" zum Beispiel widmet sich dem sephardischen Familienerbe väterlicherseits -, aber dort nicht stört. Wir erkennen ein charakteristisches Element einer Erzählform, die auf populären Mustern beruht und deshalb auch in ihren anspruchsvollen Ausprägungen produktiv damit spielen kann, während ein Roman frivol wirkt, wenn er die der Gattung zugesprochene Ernsthaftigkeit nicht einlöst. Und genau das passiert hier. Joann Sfar wollte zweifellos mit "Der Ewige" gar nicht mehr als einen Unterhaltungsroman schreiben. Aber das schickt sich nicht für einen Comiczeichner, der als solcher viel mehr als nur Unterhaltung geschaffen hat.

Joann Sfar: "Der Ewige". Roman.

Aus dem Französischen von Thomas Brovot.

Eichborn Verlag, Köln 2015. 365 S., geb., 22,99 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Schuster bleib bei deinen Leisten, rät Andreas Platthaus dem Autor, denn als Comicautor hat Joann Sfar beim Rezensenten unendlich Kredit. Kann man vom Romanautor Sfar nicht sagen. Geradezu frivol nämlich wirkt auf Platthaus, wenn Sfar fröhlich Klischees bedient, wie er es von seinem angestammten Metier gewohnt ist. Nur: Was im Comic funktioniert, geht im Roman einfach nicht, meint der Rezensent. Am besten gefällt ihm der Text über einen therapiebedürftigen verliebten Vampir unterwegs erst in Odessa, dann in Brooklyn, verfasst in bester Splatter-Manier, gepaart mit jüdisch-osteuropäischer Kulturgeschichte, wenn der Autor den eigenen biografischen Erfahrungshorizont verlässt und ins Fantasieren kommt. Leider geschieht das zu selten in diesem Buch, findet der Rezensent.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Mit dem schwer verliebten, gehemmten Vampir Janos stellt Sfar seine Fabulierlust und sein literarisches Können unter Beweis. Zum Anbeissen!" Schweizer Illustrierte Style, 01.06.2015 "Sein Roman ist die Frühjahrsüberraschung: Der Ewige erzählt die verrückte Liebesgeschichte eines Vampirs wider Willen. Romantisch, witzig - bissig" Bunte "Herrlich schräg und großartig geschrieben" Renate Pinzke, Hamburger Morgenpost, 21.05.2015